Viertelfinale der Fußball-EM:Ronaldo köpft Portugal ins Halbfinale

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Im ersten EM-Viertelfinale setzt sich Portugal verdient 1:0 durch und trifft nun auf Spanien oder Frankreich. Cristiano Ronaldo erlöst seine Elf durch einen Kopfballtreffer kurz vor dem Ende - die schlappen Tschechen konzentrieren sich nur auf die Defensive. Und können nach dem Gegentreffer nicht zurückschlagen.

Sogar Tomas Rosicky, der mit seinen bald 32 Jahren immer noch wie ein Schulbub ausschaut, hatte sich die Haare im Gesicht wachsen lassen. So ansehnlich und männlich wie beim mit Abstand lässigsten Spieler dieser EM, des leider schon abgereisten Schweden Olof Mellberg, wird Rosickys Bart zwar nie aussehen; das hat die Natur bei ihm nicht vorgesehen.

Aber für seine Verhältnisse war er unter dem Haupthaar geradezu zugewachsen. Rosicky lief sich vor dem Viertelfinale der Tschechen gegen Portugal zwar nur als Reservist warm, er ist noch an der Achillessehne lädiert gewesen. Aber der Joker fügte sich entschlossen dem gruppendynamischen Ritual der Kollegen, sich nicht mehr zu rasieren, solange das Turnier läuft für das Team.

Eishockeyspieler und Basketballer halten das oft wochenlang bis zum Playoff-Finale durch, doch Rosicky wird nun wieder glatt tragen können: Dank einer klaren Steigerung nach der Pause und des dritten Turniertreffers von Cristiano Ronaldo siegte Portugal 1:0 (0:0) und begegnet nun im Halbfinale Spanien oder Frankreich.

In einem Spiel, das hoffentlich kein Vorgeschmack war auf die Qualität der weiteren K.-o.-Spiele, wurde den 55.000 Zuschauern im Nationalstadion von Warschau vor allem vor der Halbzeit bescheidenes Niveau offeriert. Den favorisierten Portugiesen mit ihrem assoziierten Ein-Mann-Gesamtkunstwerk Cristiano Ronaldo gelang es selten, gegen die recht tief stehenden Tschechen in die Nähe des Strafraums vorzudringen.

Ronaldo und Nani blieben zunächst wirkungslos auf den Flügeln, und es dauerte bis zur zwölften Minute, bis jemand den ersten Torschuss wagte: Spielmacher João Moutinho versuchte es aus gut 20 Metern, aber der müde Ball forderte Keeper Petr Cech nicht wirklich.

Wenn sich überhaupt etwas vor oder in Cechs Strafraum tat, war Ronaldo im Spiel: Einmal setzte ihn Moutinho ein, Ronaldo zog ab und prüfte den Torwart des FC Chelsea; doch der Referee entschied auf Offensivfoul gegen Tschechiens Leverkusener Außenverteidiger Michal Kadlec.

Fußball-EM - Elf der Vorrunde
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Die Elf der EM-Vorrunde.

In seiner zweiten Szene erhielt Ronaldo ein hohes Anspiel, er ließ die Kugel von seiner prallen Brust tropfen und drehte sich flink um Gegenspieler Kadlec - sein Flachschuss prallte gegen den Pfosten, so schnell konnte Cech gar nicht hinsehen. Fluchend stapfte Portugals Weltstar in die Kabine, denn soeben hatte er den schon fünften Aluminium-Treffer für sein Team bei dieser EM abgesetzt, der dritte für ihn selbst.

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Die Tschechen? Ihre langen Haare wehten im Wind, das schon, sie waren engagiert, doch ihr Eifer galt allein der Defensive. Nichts war zu sehen von den zuletzt so schwungvollen Vorstößen ihrer Mittelfeldläufer Jaroslav Plasil oder Petr Jiracek. Und Stürmer Milan Baros, der angeblich mal ein interessanter Spieler in Europa gewesen ist, war von seiner ersten nennenswerten Aktion vor dem gegnerischen Tor so weit entfernt wie Olof Mellberg von einem akkurat rasierten Kinn. Ob der Außenseiter nur das Elfmeterschießen im Sinn hatte, wo ja der Teufelskerl Cech parat stünde, der neulich schon den FC Bayern entnervte?

Auf so ein Glücksspiel wollten sich die Portugiesen nicht einlassen, das gaben sie gleich nach Wiederbeginn zu verstehen. Vor allem Ronaldo. Nachdem der für den verletzten Hélder Postiga gebrachte, frühere Bremer Hugo Almeida einen Kopfball zu hoch angesetzt hatte (46.), brachte Ronaldo einen Freistoß gefährlich vors Tor - wieder Pfosten (49.). Raul Meireles bediente Ronaldo - drüber (54.). Nani prüfte Cech (58.), auch gegen Moutinho parierte er (64.).

Doch das Tor des Abends hatte sich diesmal Cristiano Ronaldo wirklich verdient. Die Portugiesen, bis hierhin vor allem auf Distanzschüsse ausgewesen, hebelten dabei die linke Abwehrseite aus: Nani setzte den durchstartenden Moutinho geschickt ein, der ein paar Schritte Richtung Grundlinie lief und dann eine schöne Flanke in den Strafraum schlug.

Und dort verabschiedete sich Ronaldo von seinem Kontrahenten Gebre Selassi, wie ein Jet von Air Portugal stieg er auf - gegen seinen wuchtigen Kopfballaufsetzer besaß Cech keine realistische Chance (79.). Von den müden Tschechen ging auch nach dem Rückstand keine Gefahr aus. "Ronaldo ist schon sehr wichtig, er hat die entscheidenden Spiele zuletzt geschossen", sagte ManCity-Profi Nani, "aber er hat auch ein Team hinter sich."

© SZ vom 22.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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