Skispringen:Das bringt der Vierschanzentournee-Auftakt

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Ganz der Alte: Markus Eisenbichler fliegt in der Qualifikation auf Platz 5. Am Sonntag zählt es dann wirklich: Da muss Eisenbichler gegen den schwer berechenbaren Norweger Daniel Andre Tande antreten. (Foto: Hafner/imago)
  • Am Sonntag beginnt mit dem Springen in Oberstdorf die Vierschanzentournee.
  • Drei Deutsche sind in der Qualifikation unter die besten sechs gesprungen - doch was sind ihre Vorkampfplatzierungen wert?
  • Einen schwer berechenbaren Einzelduell-Gegner hat nur Markus Eisenbichler erwischt: Er tritt gegen Daniel Andre Tande aus Norwegen an.

Von Volker Kreisl, Oberstdorf

Schlafen ist wichtig, insbesondere für Menschen, deren Tätigkeit einen wachsamen Geist verlangt. Nur, wie soll zum Beispiel ein Skispringer durchschlafen, wenn er seit Wochen hinterherhängt und die alte Form, die ihn zum Dreifach-Weltmeister gemacht hatte, wie weggeblasen ist? Markus Eisenbichler sagte aber am Samstagabend in Oberstdorf erstaunlicherweise, sein Schlaf sei dennoch immer überragend gewesen: "Ich gehe um zehn ins Bett und bin weg."

Voll da war er jedenfalls am Samstag bei der Qualifikation zum ersten Springen der 68. Vierschanzentournee. Auf einmal flog da scheinbar wieder der alte Eisenbichler, der sich im Februar mit drei Siegen in Innsbruck und Seefeld ins deutsche Wintersport-Gedächtnis gesetzt hatte. "Ich habe gemerkt, es ist wieder Druck drin, es läuft irgendwie zusammen", aber: "Es ist keine Garantie, dass es morgen auch wieder funktioniert, ich muss dranbleiben." Außer ihm nahmen auch fast alle anderen Teamkollegen zu Hause Fahrt auf, und betätigten sich vor den rund 15 000 Zuschauern plötzlich als fliegende Anheizer.

Skispringen in Oberstdorf
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Den Sieg in der Qualifikation sichert sich der Österreicher Stefan Kraft. Doch gleich drei deutsche Springer sind super drauf. Ein früherer deutscher Top-Athlet enttäuscht dagegen.

Stephan Leyhe aus Willingen kam auf Rang drei, Eisenbichler wurde Fünfter, Karl Geiger platzierte sich, wie nach seinen Vorleistungen allerdings auch zu erwarten war, auf Rang sechs. Das Trio hatte sich in einem etwas durcheinander geratenen Favoritenfeld mit dem Österreicher Stefan Kraft (1.) und den Japanern Junshiro (2.) und Ryoyu Kobayashi (4.) verstreut. Nur Rang 22 sprang dagegen für Kamil Stoch, einen der Gesamtfavoriten, heraus. Zwei deutsche Skisprung-Talente waren indes beachtlich weit gekommen: Constantin Schmid, 20, aus Oberaudorf wurde Elfter, Martin Hamann, 22, der aus dem Flachland rund um Leipzig stammt, 17. Frühzeitig ausgeschieden war Richard Freitag, der doch noch zu fest in seinem langen Leistungstief steckt.

Was die Vorkampfplatzierungen tatsächlich wert sind, wird natürlich erst der Sonntag zeigen, wenn die Springer nach einer je nach Typ besser oder schlechter geschlafenen Nacht das erste Tournee-Springen angehen. Ab Nachmittag werden dann 25 000 Menschen an den Schattenberg wandern und ihre Erwartungen an einen gelungenen Start der Deutschen nach oben zum Startbalken richten. Aufgrund des K.o.-Modus' im ersten Durchgang sind kleinere Fehler fast nicht erlaubt. Von 50 Springern kommen die 25 Sieger der Einzelduelle weiter, dazu die fünf besten Verlierer.

Geiger trifft auf seinen 19 Jahre jungen Teamkollegen Raimund

Extremes Grübeln wird wohl keinen der Deutschen angesichts der Duellgegner befallen, womit die Spannung aus Sicht des Deutschen Skiverbandes eher auf den Oberstdorfer Finaldurchgang verlagert sein wird. Konzentration ist dennoch angesagt. Leyhe springt gegen den Slowenen Tilen Bartol, die Nummer 55 der Weltrangliste. Karl Geiger trifft auf seinen 19 Jahre jungen Teamkollegen Philipp Raimund, der sonst im zweitklassigen COC-Cup antritt. Constantin Schmid hat es mit Killian Peier aus der Schweiz zu tun, der zwar schon einmal einen zweiten Platz in dieser Weltcupsaison belegt hatte, jedoch extreme Schwankungen aufweist. Pius Paschke tritt gegen den 50-jährigen Russen Dmitri Wassiliew an, im Weltcup auf Rang 47. Spannend dürfte es aber im zweiten innerdeutschen Duell werden, Moritz Baer und Matthias Hamann sind wohl ähnlich stark einzuschätzen, der erste ist etwas erfahrener, der zweite wird vielleicht vom Schwung seines bejubelten Sprunges aus der Qualifikation getragen.

Einzig der Tiefschläfer Eisenbichler hat einen schwer berechenbaren Gegner: Daniel Andre Tande aus Norwegen, der eigentlich eben noch in einer akzeptablen Form war. Immer noch steht er im Gesamtweltcup auf Platz fünf, trotz zweier komplett verkorkster Sprünge zuletzt in Engelberg, die er nun Oberstdorf wiederholt hat. Andererseits ist Tande ja auch Skiflugweltmeister, und überhaupt ein erfahrener Mann, der in dieser Saison schon zwei Weltcups gewonnen hat, der jederzeit aus seiner Krise rauskommen kann. Oder doch nicht?

Solche Gedanken würde sich Markus Eisenbichler in der Nacht auf Sonntag wohl machen, wenn er nicht wie immer um zehn einschliefe und weg wäre.

© SZ vom 29.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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