Vierschanzentournee:Frauen müssen warten

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Dreifache Weltmeisterin: Die 24-jährige Katharina Althaus. (Foto: dpa)

Frühestens in zwei bis vier Jahren soll es eine Vierschanzentournee für beide Geschlechter geben - trotz anhaltender Kritik. Größtes Problem sei die Vermarktung.

Von Volker Kreisl, München

Das wäre schön, wenn der große Traum wahr würde. Los ginge es beim Auftakt in Oberstdorf, mit der Teamvorstellung, auf einer Bühne, mit Lichtshow und vor großem Publikum. Dann würde das Fieber steigen, das nur diese eine Serie entfacht, auf vier Schanzen quer durch die Alpen, durch Schnee und Wind, immer unter Spannung: Zehn Tage, acht Wettkämpfe, vier Entscheidungen. Ein Abenteuer.

Fragt sich nur, ob es noch dazu kommt, bevor die Karriere endet.

Nicht nur Daniela Iraschko-Stolz, 37 und Skisprung-Pionierin, sondern auch Carina Vogt, die erste Olympiasiegerin dieses Sports, haben nun schon fast alle großen Veranstaltungen erlebt, aber eine bleibt für sie verschlossen. Vorerst. Bei der Vierschanzentournee müssen sie draußen bleiben. Dabei gilt diese für viele Athleten als Höhepunkt der Saison, trotz Weltmeisterschaften und Weltcupserien.

Es ist ein Anachronismus, der dadurch unterstrichen wird, dass im Wintersport nahezu alle Veranstaltungen mittlerweile für beide Geschlechter ausgerichtet werden: Biathleten, Langläufer, zum Teil Alpinskifahrer, Bobsportler, Rodler, Eisläufer - sie alle veranstalten ihre Weltcups gemeinsam. Vor knapp einem Monat hatten sich sogar die Pioniergeisterinnen der Kombination endlich durchgesetzt und ihren ersten Weltcup bestritten. Nur die ehrwürdige Tournee ist immer noch männlich.

Jedoch hat sich die Haltung unter den Skispringerinnen durchaus geändert. Aus Verärgerung über die Ungleichbehandlung früherer Jahre ist Beharrlichkeit geworden. Jeder weiß, dass es früher oder später zur Integration der Frauen in die Tournee kommen wird, auch wenn es dann für manche zu spät sein wird. Zwei bis vier Jahre, so schätzen Insider, kann es noch dauern. Frauen-Bundestrainer Andreas Bauer begleitet den langen Weg der Springerinnen seit neun Jahren und sagt: "Wir werden weiterkämpfen."

Und das betrifft nicht nur das Ziel einer gleichberechtigten Tournee, sondern auch den zweiten, hochfliegenden Wunsch, der sich auf wohl die letzte reine Männerdisziplin im olympischen Sport bezieht. Es ist keine Reise über vier Tage, sondern über zirka sieben Sekunden. Eine Segeltour auf einem fliegenden Teppich, wie Skispringer Markus Eisenbichler diese Übung beschrieb: nämlich das Skifliegen. Einsätze mit Weiten über 230 Meter und mehr trauen sich die besten 15 Springerinnen bereits zu, aber für beides, also Tournee und Fliegen, sagt Bauer, brauche man noch etwas Geduld.

Das größte Problem sei die Werbevermarktung, sagt der Bundestrainer

Denn so groß wie die Aufgaben beim Entwickeln eines Top-Teams und eines spannenden Wettkampfs können auch die Hürden der Sportverwaltung sein. Wobei das konservative Denken, wie früher, wohl nicht mehr entscheidend bremst; immerhin haben vergangene Saison alle Organisationschefs der vier Tournee-Orte erklärt, sie wünschten sich die Eingliederung eines Frauen-Wettbewerbs. Der Wille ist da, die Umsetzung ist schwierig.

Vor allem für die Aktualisierung der Vierschanzentournee sind Umstellungen erforderlich. Als wohl größtes Problem schätzt Bauer die Vermarktung der Serie ein, denn Männer und Frauen haben noch unterschiedliche Sponsoren. "Die Bandenwerbung ist natürlich auf die Männer abgestimmt", sagt Bauer, die Idee, die Frauen am selben Tag vormittags springen zu lassen, sei kaum umsetzbar: "Einfach mal zwei Stunden lang alles umzubauen, ist nicht drin." Bis alle gemeinsam vermarktet werden, werde es aber noch dauern. Bauer schlägt vor, beide Durchgänge der Frauen am Tag der Männer-Qualifikation zu veranstalten. Das habe für die Fans im Stadion den angenehmen Effekt, dass sie drei Springen erleben, zudem mehr Spannung - und auf dem Weg nach Hause nicht denken, eine Qualifikation, das war aber ein bisschen wenig heute.

Im April kommt das Kalenderkomitee des Weltverbandes Fis zusammen, es könnte erste Weichen stellen, um das Projekt einer zeitgemäßen Tournee anzuschieben. Wegen der unterschiedlichen Weltcuporte, etwa des Springens der Frauen Anfang Januar in Japan, müsste der ganze Terminkalender geändert werden. Auch das ist oft eine Tüftelei, andererseits ist Bauer optimistisch, denn man könne sich grundsätzlich nicht beklagen. Der Weg, den die Skispringerinnen schon hinter sich haben, ist länger als der Rest zum Gipfel.

Angefangen hatte alles mit der Talentsuche und lokalen Wettbewerben und Kontinentalserien, dann folgte die Einführung des Mixed-Teams bei Weltmeisterschaften, danach kam grünes Licht für die Großschanze im Weltcup, gefolgt vom eigenen Frauen-Team-Wettbewerb bei der WM 2019 - und in sechs Wochen, bei der Weltmeisterschaft in Oberstdorf, wird die letzte Lücke geschlossen. Mit dem Großschanzen-Debüt sind Frauen und Männer bei der Medaillen-Ausbeute erstmals gleichgestellt.

Vielleicht aber werden auch die älteren Springerinnen noch rechtzeitig in den Genuss von beidem kommen, Tournee und Fliegen. Ginge es nach Bauer, wäre das Zweite, das Erlebnis Monsterbakken nämlich, schon bald möglich. Auch in diesem März steht die Raw-Air-Serie in Norwegen für beide Geschlechter im Programm. Nach den ersten Wettkämpfen auf den norwegischen Großschanzen, so Bauer, haben sich die Besten dann wohl eingesprungen und könnten, wenn auch auf freiwilliger Basis, wie die Männer in Vikersund antreten. In Vikersund, da steht die größte Schanze der Welt.

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