Teilerfolg für Bochum im Abstiegskampf:Torschütze mit Puls 200

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Freudentänzchen: Die Spieler des VfL Bochum bejubeln ihren späten Punktgewinn. (Foto: Luciano Lima/Beautiful Sports/Imago)

Trotz nachvollziehbar zittriger Füße erkämpft sich der VfL Bochum ein Unentschieden in Berlin, das im Abstiegskampf noch wichtig werden könnte.

Von Javier Cáceres

Kurz vor 17.30 Uhr wurde man sich im Berliner Olympiastadion gewahr, dass die Bochumer tatsächlich an einem Rekord gekratzt hatten. Denn so stumm der größere Teil der Kampfbahn wurde, weil Hertha abgestiegen war, so sehr explodierte jener Sektor, der mit einer augenscheinlich fünfstelligen, rekordverdächtigen Zahl Bochumer Fans gefüllt war. Dort waren sie durch das Kopfballtor von Keven Schlotterbeck (90.+4) von einem Moment der Nachspielzeit auf den anderen in die zweite Liga katapultiert worden, hier waren sie durch das 1:1 zwar nicht gerettet, aber immerhin vor den FC Schalke 04 gerückt. Das ist vor dem letzten Spieltag zwar nur ein kleiner Vorteil - aber ein Vorteil. "Wenn wir das Spiel verloren hätten, hätten wir ein Negativerlebnis mitgebracht. Durch den späten Ausgleich gibt uns das noch mal die letzte Kraft, die wir nächste Woche brauchen", betonte Kapitän Anthony Losilla.

Das ist für den VfL insofern wichtig, als in der kommenden Woche mehr Nervenstärke als Kraft benötigt wird. Dass die Partie den Zuschauern eine gehörige Portion morbiden Charmes bot, war das eine; das andere, dass sie qualitativ unterhalb der Möglichkeiten blieb. Und das hatte vor allem damit zu tun, dass die Bochumer mit nachvollziehbar zittrigen Füßen aufzutreten schienen. Bochum hatte nicht nur die erste Chance der Partie - Philipp Hofmann scheiterte nach fünf Minuten per Kopf, freistehend aus sechs Metern -, sondern hätte auch danach einen Treffer erzielen können, es fehlte immer nur der letzte Schuss Präzision. Der Japaner Takuma Asano blieb wegen vergebener Chancen besonders eindringlich in Erinnerung. Und dennoch, der Pulsschlag war - anders als vom Bochumer Barden Herbert Grönemeyer besungen - nicht aus Stahl, aber er war da. "Ich habe es irgendwie im Gefühl gehabt, dass wir noch einen machen", versicherte Hofmann nach der Partie.

Am letzten Spieltag kommt Leverkusen nach Bochum

Dass er in der Nachspielzeit fiel, setzte eine nicht zu bändigende Ekstase frei. Schlotterbeck berichtete, er habe den aufwühlendsten Moment "seit dem Aufstieg mit der TSG Backnang von der Verbandsliga in die Oberliga" erlebt, als er mit "Puls 200" auf die mitgereisten Fans in der Kurve zulief. Sie wirkten so zahlreich, dass sie sich im Lauf der 94 Minuten multipliziert zu haben schienen. Es war in jedem Fall die größte Zahl an Bochumer Fans im Olympiastadion seit dem Jahr vor dem Mauerfall; aus Anlass des Pokalfinales von 1988 waren mal 25 000 Bochumer da. Das Endspiel damals gegen Eintracht Frankfurt ging durch ein Tor von Lajos Detari mit 0:1 verloren, denn anders als am Samstag hatte der VfL keinen Schlotterbeck zur Hand, der den Wahnsinn lostrat. Oder muss man sagen: losköpfelte?

Im Grunde hatte nur ein Beteiligter schnell wieder einen kühlen Kopf: Trainer Thorsten Letsch. "Einer meiner Assistenten meinte: 'Lass sie feiern und genieße den Moment.' Da ist was dran. Aber ich kann es jetzt gerade noch nicht", sagte Letsch. Der Grund: Die Arbeit sei noch lange nicht vorbei. "Wir haben einen wichtigen Punkt geholt, aber noch nichts erreicht. Es geht weiter." In der Tat: Am Samstag in Bochum, anner Castroper, gegen Leverkusen.

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