Hitzlsperger beim VfB Stuttgart:Volleyschuss ins Chefbüro

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Plötzlich Chef: Thomas Hitzlsperger. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der kriselnde Fußball-Bundesligist VfB Stuttgart trennt sich von Sportvorstand Michael Reschke.
  • Der einstige VfB-Profi Thomas Hitzlsperger, zuletzt Leiter des hauseigenen Nachwuchsleistungszentrums, übernimmt nun Reschkes Posten als Sportvorstand.
  • Trainer Markus Weinzierl bleibt zunächst im Amt. Es ist ein ungewöhnlicher Weg, den der VfB im Abstiegskampf einschlägt.

Von Christof Kneer, Stuttgart/München

Als Michael Reschke im vergangenen Sommer vor dem ersten deutschen Gruppenspiel an einem Kiosk im Moskauer WM-Stadion stand, hat er ein paar Leute begeistert in sein Telefon schauen lassen. Dort lief ein Filmchen, das ihn sehr beeindruckte, auch wenn die Handlung wenig originell war. Das Filmchen zeigte eine komplett in Weiß gewandete Masse, die sich langsam vorwärts bewegte, auf einer Straße möglicherweise, die man aber vor lauter Menschen nicht erkennen konnte.

"Ein Granatenverein" sei das, sagte der Rheinländer Reschke damals stolz, und er meinte den VfB Stuttgart, den er manchmal "Stuttjacht" nannte. Das Filmchen zeigte einen der Fanmärsche, die sie beim VfB manchmal veranstalten, wenn es ernst oder feierlich wird. Tausende Menschen schieben sich dann gegenseitig vom Hauptbahnhof über die Mercedesstraße ins Stadion, das den Menschen dann manchmal eine Freude macht, indem das darin stattfindende Fußballspiel zum richtigen Ergebnis kommt. Manchmal. Immer öfter aber auch nicht.

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Überraschung beim VfB Stuttgart: Der Sportvorstand muss gehen - sein Nachfolger steht schon bereit. Reschke zeigt "Verständnis" für die Entscheidung.

Ein gutes halbes Jahr später hat sich der Granatenverein nun vom Sportvorstand Reschke getrennt, in gegenseitigem Einvernehmen, wie das immer so herrlich heißt. Der mächtige, bei den Fans umstrittene Präsident Wolfgang Dietrich, der im August 2017 noch zum Platzen stolz war auf seinen Reschke-Coup, hat seinem einstigen Lieblingssportvorstand zum Abschied sogar noch ein paar nette und geradezu solidarische Worte hinterhergerufen: Reschke, so Dietrich, habe "mit seiner Expertise und seinem Netzwerk für eine Saisonplanung gesorgt, von der wir alle überzeugt waren".

Hitzlsperger genießt einen tadellosen Ruf

Allerdings habe die Arbeit "nicht den gewünschten sportlichen Erfolg gebracht", der Klassenverbleib sei "in erheblicher Gefahr", und so sei der Aufsichtsrat "nicht mehr überzeugt, dass in der bestehenden Konstellation die notwendigen Kurskorrekturen vorgenommen" werden könnten. Der branchenweit anerkannte Kaderplaner Reschke ist diesmal seiner eigenen Kaderplanung zum Opfer gefallen, die - Stand jetzt - überhaupt nicht funktioniert hat, wie der grundsätzlich recht selbstbewusste Reschke selbst einräumt. Mit selbstverständlich noch viel netteren Worten haben sie beim VfB dann auch gleich Reschkes Nachfolger präsentiert, den sie praktischerweise in den eigenen vier Wänden gefunden haben.

Der einstige VfB-Profi Thomas Hitzlsperger, 36, zuletzt Leiter des hauseigenen Nachwuchsleistungszentrums, übernimmt nun Reschkes Posten als Sportvorstand, er unterschrieb am Dienstag einen Vertrag für dreieinhalb Jahre. Hitzlsperger bringe nicht nur "die Nähe zum aktiven Profifußball mit", so Dietrich, "sondern auch die notwendige Führungsqualität".

Tatsächlich genießt Hitzlsperger im Unterbau des VfB einen tadellosen Ruf, die Leute im Nachwuchsleistungszentrum sagen ihm nur das ziemlich Beste nach. Anfangs hieß es noch, er sei vielleicht ein bisschen zu selten auf dem Klubgelände und ein bisschen zu oft als ARD-Experte im Fernsehstudio, aber inzwischen loben sie seine Kompetenz, seine Neugier und auch seine natürliche Autorität.

Er werde "für den Trainer da sein", hat Hitzlsperger in seiner ersten Pressekonferenz am Nachmittag dann gesagt, eine interessante Formulierung, die den Blick im Übrigen auch rüber zum 1. FC Nürnberg lenkt, dessen Klassenverbleib in noch erheblicherer Gefahr ist als jener des VfB. In Nürnberg hat der entlassene Sportchef Andreas Bornemann sein Schicksal sehr offenkundig mit dem dann ebenfalls entlassenen Trainer Michael Köllner verknüpft, in Stuttgart war das offenbar nicht so.

Zwar wurde der Trainer Markus Weinzierl von Michael Reschke eingestellt, mit einiger Überzeugung sogar - zuletzt ist Reschke aber offenbar immer mehr vom Glauben an den Trainer abgefallen. Beobachter berichten von eher schlichter Trainingsarbeit und ebensolchen Vorgaben für die Spiele, was den Tabellenplatz (16) ebenso wie die desaströse Punktausbeute (15) erklärt. Reschke hat sich intern offenbar zum Trainerskeptiker entwickelt, aber als beim VfB nach dem 0:3 in Düsseldorf die große Runde tagte, kam doch nur ein bemühter Duldungsbeschluss dabei heraus.

Weinzierl werde am Samstag gegen Leipzig auf jeden Fall auf der Bank sitzen, erklärte der inzwischen ehemalige Sportchef Reschke am Montag; ein schwäbisches Bekenntnisle, das der inzwischen aktuelle Sportchef Hitzlsperger am Dienstag erneuerte - seriöserweise, ohne sich auf eine längere Zeitleiste festlegen zu lassen. "Ich kann überhaupt keinen Zeitpunkt nennen", sagte Hitzlsperger, "aber mein Draht zu Markus ist wirklich sehr, sehr gut." Wichtig sei jetzt, den Trainer "im täglichen Leben arbeiten zu sehen", um dessen Arbeit auch wirklich beurteilen zu können.

Es ist ein ungewöhnlicher Weg, den der VfB da im Abstiegskampf einschlägt. Sehenden Auges gehen sie den Weg jetzt erst mal mit einem Trainer weiter, dessen Arbeit sie offenbar selbst so kritisch beurteilen, dass sie ihm den jungen, neuen Sportchef eng an die Seite stellen. Ob dieser Impuls bei der Mannschaft ankommen wird, ist eher fraglich, aber Hitzlsperger soll jetzt erst mal als Figur wirken, im Klub und auch draußen im sogenannten Umfeld. Hitzlsperger ist kein fröhlicher Polarisierer wie der Rheinländer Reschke, er ist ein bodenständiger Bayer mit verbindlicher Art und noch frischer Profi-Erfahrung, die er gerne auch in der Spielerkabine zum Einsatz bringen darf. Und er ist ein Held in der Kurve, wo sie ihn immer noch für jenen Volleyschuss verehren, mit dem er den VfB im Mai 2007 zur Meisterschaft schoss. Hitzlsperger startet nicht bei null, die Schwaben haben ihn längst eingemeindet. Und sie werden auch bestimmt nicht bruddeln, sollte er am Wochenende vielleicht doch den Trainer Weinzierl entlassen.

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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