Die Nachricht, die der VfB Stuttgart am Dienstag verkündete, dürfte einige tausend Fans und Mitglieder noch einige Zeit mindestens genauso beschäftigen wie die erfreuliche sportliche Lage beim Tabellendritten. Fans und Mitglieder beider Lager wohlgemerkt, denn wenn es um die Vereinspolitik ging, herrschte im Umfeld des VfB zuletzt nur in dem Befund Einigkeit, dass es keine Einigkeit gibt.
Unter der harmlosen Überschrift "Der Aufsichtsrat stellt sich neu auf" las man jedenfalls in der Vereinsmitteilung, dass der Präsident des eingetragenen Vereins (e.V.), Claus Vogt, als Aufsichtsratsvorsitzender der ausgegliederten Profifußball-Betriebsgesellschaft abgewählt wurde. An seiner Stelle wurde die ehemalige CDU-Landesministerin und Geschäftsführerin des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Tanja Gönner, gewählt. Und das mit Unterstützung der Investorenvertreter im Aufsichtsrat um die beiden Automobilkonzerne Mercedes und Porsche. Beide haben zusammen vier der elf Sitze inne, seit der VfB Anteile im Gegenwert von 41,5 Millionen Euro an Porsche verkauft hat und der Aufsichtsrat um zwei Porsche-Vertreter erweitert wurde.
Es muss e.V.-Vertreter gegeben haben, die gegen Vogt und für Tanja Gönner gestimmt haben
Diese Konstellation nebst entsprechendem Abstimmungsverhalten ist dann auch das Politikum bei der Abwahl Vogts. Schließlich kann man die Frage stellen, wie es in den Klubs um den Wesensgehalt der 50+1-Regel bestellt ist, die die DFL ja in den vergangenen Wochen zum wertvollen Alleinstellungsmerkmal der Branche erklärt hat. Beim VfB haben sich jedenfalls nun die Investoren durchgesetzt, die zusammen knapp über 20 Prozent der Anteile haben. Dementsprechend groß, heißt es, war in der hitzig geführten Debatte die Empörung bei denjenigen Vertretern des eingetragenen Vereins, die bei der Abstimmung unterlagen. Es muss allerdings auch e.V.-Vertreter gegeben haben, die gegen Vogt und für Tanja Gönner gestimmt haben.
Gönner, die eigentlich als Mediatorin eingesetzt war, soll nun nicht von einer Mitgliederversammlung abgesegnet werden. Nach Informationen des Senders Sky hatte der Vereinsbeirat im Vorfeld beantragt, dass vor einer Trennung von Aufsichtsratsvorsitz und Präsidentenamt die Mitglieder befragt werden sollten. Vogt sei indes bei der Aufsichtsratssitzung am 29. Februar mit nur einem weiteren Unterstützer allein gewesen, als er für die Konsultierung der Mitglieder stimmte. Das ist insofern heikel, als den Mitgliedern bei der 2017 beschlossenen Ausgliederung der Profi-Abteilung vom damaligen Vereinspräsidenten Wolfgang Dietrich versprochen worden war, dass der Präsident des e.V. immer automatisch dem Aufsichtsrat der AG vorstehen werde. In der Satzung ist das allerdings nicht verankert.
Bei der Frage, warum das unterlassen wurde, gibt es beim VfB unterschiedliche Versionen - wie in fast jeder Frage bei diesem sagenhaft zerstrittenen Verein. Version A besagt, die e.V.-Seite habe das schlicht verschusselt. Version B lautet, dass Vogt zuletzt doch recht isoliert gewesen sei in dem Bestreben, die Mitglieder einzubeziehen, und sich am Ende nicht durchsetzen konnte. Zwei Darstellungen kursieren auch in einer anderen Frage: So behaupten die Vogt-Gegner, Vogt habe eine Erklärung unterschrieben, wonach er bei einem Einstieg von Porsche freiwillig vom Chefposten des Aufsichtsrats zurücktrete. Aus seinem Lager heißt es dagegen, diese Zusicherung sei mit dem Zusatz erfolgt, dies gelte nur unter dem Vorbehalt, dass die Mitglieder dem Ratsvorsitzenden ihre Zustimmung erteilen.
Die Stellungnahme, die der VfB verschickte, liest sich dann auch in Teilen wie eine Ohrfeige für Vogt
Zudem hat der Konflikt, der am Dienstag mit der Abwahl Vogts endete, auch eine zwischenmenschliche Komponente: Beide Lager haben offenbar in den vergangenen Jahren versucht, mit Verfahrenstricks wie kurzfristig geänderten Tagesordnungen ihre Positionen durchzusetzen. Der hin und wieder zu hörende Vorwurf an Vogt, er sei führungsschwach und betreibe eine "chaotische" Sitzungsführung, dürfte genau daher rühren. Auch der Konflikt zwischen Vogt und Thomas Hitzlsperger, der 2022 als Vorstand des VfB zurücktrat, wirkt nach. Seit dem Einstieg von Porsche war der Druck auf Vogt stetig gewachsen. Der Böblinger Unternehmer ist zwar antikapitalistischer Umtriebe unverdächtig, hat aber vereinsintern immer wieder die Beteiligung der Mitglieder angemahnt. Und das durchaus auch im eigenen Interesse, schließlich hat Vogt dort den Rückhalt, der ihm im Aufsichtsrat, dokumentiert durch das Abstimmungsergebnis vom Dienstag, zuletzt eindeutig abhandenkam.
Die Stellungnahme, die der VfB verschickte, liest sich dann auch in Teilen wie eine Ohrfeige für Vogt. Gönner sei gewählt worden, "um die Vorstandsarbeit professionell begleiten, kontrollieren und fördern zu können", heißt es beispielsweise. Was man im Umkehrschluss durchaus so verstehen kann, dass Vogt das nicht vermocht hat.
Auch eine dort zu lesende Gönner-Aussage dürfte die Polarisierung nicht aufbrechen. Dass sie "zusammen mit den Aufsichtsratsmitgliedern unserer Partner Mercedes-Benz und Porsche der Meinung" sei, dass künftig "die Idealbesetzung des Aufsichtsratsvorsitzenden ein Präsidiumsmitglied des Vereins sein sollte, das von den Mitgliedern direkt gewählt wurde und über die notwendigen fachlichen und persönlichen Voraussetzungen verfügt", kann man so lesen, dass Vogt diese "fachlichen und persönlichen Voraussetzungen" dann ja offenbar nicht besessen hat.
Überhaupt deutet vieles darauf hin, dass der hinter den Kulissen schon lange erbitterte Streit beim VfB mit der Abwahl Vogts nicht beendet sein wird. Die Fußballmannschaft steht übrigens weiterhin auf Platz drei.