VfB Stuttgart im Abstiegskampf:Die Plus-Spalte füllt sich

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Sasa Kalajdzic traf gegen München zum 2:2 - natürlich nach einer Flanke von Borna Sosa. (Foto: Robin Rudel/Imago)

Rettung, Relegation, sogar der direkte Abstieg: Alles noch möglich für den VfB Stuttgart am letzten Spieltag. Hoffnung macht, dass sich pünktlich zum Saisonfinale ein Duo wiedergefunden hat.

Von Christof Kneer, München

Die Szene wirkte wie eine Karikatur, die sich ein boshafter Illustrator ausgedacht hat. Borna Sosa flankte, aber der Ball wurde abgewehrt und landete wieder vor seinen Füßen. Sosa flankte noch mal, wieder fand der Ball sein Ziel nicht, wieder kehrte er zum Stuttgarter Verteidiger zurück. Ein drittes Mal nahm Sosa Maß, nun fand der Ball in eine ideale Umlaufbahn, flog über Münchens Tanguy Nianzou hinweg und direkt vor die Stirn von Sasa Kalajdzic. Ein Stürmer, der zwei Meter groß ist, kann so ein Angebot nicht ausschlagen, auch wenn ihm der unbezwingbare Manuel Neuer gegenübersteht. Kalajdzic wuchtete den Ball ins Netz.

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Vor der Übergabe der Meisterschale und nach all den Schlagzeilen über die Balearen-Reise trennt sich der FC Bayern von Stuttgart 2:2. Dem VfB, der dem Sieg am Ende sogar näher war, hilft der eine Punkt im Abstiegskampf.

Aus dem Stadion von Christof Kneer

Was ein Karikaturist mit dieser Szene gemeint haben könnte: Dass das einst so harmonische Duo Sosa & Sasa inzwischen so außer Form gekommen ist, dass sie mindestens drei Versuche brauchen, um sich wieder zu finden. Ein ebenso ironisches wie theoretisches Szenario, denn im praktischen Bundesliga-Leben kommt so etwas natürlich niemals vor. Auf diesem Niveau gibt einem kein Gegner die Möglichkeit, dreimal hintereinander vom selben Fleck zu flanken. Oder? Am Sonntagabend fand sich einer, der das zuließ: der FC Bayern. Was Felix Magath, der den Münchnern nach ihrem Ibiza-Kurztrip vorsorglich schon mal Wettbewerbsverzerrung unterstellt hatte, bei der Betrachtung dieser Szene gedacht haben mag?

Eine direkte Rettung ist wieder möglich - zumindest theoretisch

Es wird sich nicht mehr ergründen lassen, warum die Münchner Verteidiger in dieser 52. Minute eine Lässigkeit ausstrahlten, mit der man an den Stränden von Ibiza möglicherweise Eindruck schinden kann. Ein Balearen-Kater, der sich noch fünf Tage nach der Rückkehr von der Insel nachweisen ließe, ist in der Wissenschaft zumindest gänzlich unbekannt. Vielleicht war es einfach die Körperspannung von Verteidigern, die seit Wochen als Meister feststehen? Oder die Nervosität von Verteidigern, die ihren Wert für den FC Bayern erst noch beweisen müssen? Oder war es die Hartnäckigkeit von Sosa und Sasa?

Ein Punkt in München: Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo (links) beglückwünscht Borna Sosa. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Die zahlreichen Rätsel dieses Spiels passten ganz ausgezeichnet zum VfB, der sich selbst mitunter ein Rätsel ist. Vor ein paar Wochen war die große Geschichte, dass diese junge Mannschaft sich in einem Spiel 100 Torchancen erspielen kann, von denen sie, vermutlich wegen ihrer Jugend, mindestens 100 vergibt; dann war die Geschichte, dass sich diese junge Mannschaft gar keine Torchancen erspielt, vermutlich wegen ihrer Jugend. Auch die Abwehr galt mal als seriös und mal als unseriös, und mit ähnlicher Präzision wurden wochenlang die Chancen im Abstiegskampf berechnet. Die Ergebnisse schwankten zwischen "keine Chance" und "kein Problem".

"Wenn irgendjemand so ein Ding schaffen kann, dann wir. Denn wir sind so eine gefühlte Wundertüte", sagte Sasa Kalajdzic nach dem 2:2 in München. Beim VfB beginnen sie jetzt, sich die Dinge schön zu denken: Ja, eine direkte Rettung ist wieder möglich, denn das dafür nötige Szenario (Heimsieg gegen Köln bei gleichzeitiger Hertha-Niederlage in Dortmund) ist in der Kombination zwar nicht rasend wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Nahezu ausgeschlossen ist seit dem Wochenende aber ein direkter Abstieg - dass Bielefeld 4:0 gegen Leipzig gewinnt und der VfB 0:4 gegen Köln verliert? So viel Wunder passt wohl doch nicht in die Tüte. Am wahrscheinlichsten bleibt die Teilnahme an der Relegation.

Zu den Mutmachern zählt auch die Leistung von Torwart Florian Müller

In dieser Lage sammeln sie beim VfB jetzt jede gute Geschichte ein, die sie finden können. Zur Stimmungsaufhellung taugt aus aktuellstem Anlass das 2:2 beim FC Bayern, das die Möglichkeiten der Elf mal wieder erahnen ließ (ebenso wie ihr Talent zur Fahrlässigkeit, aber das wäre ja keine gute Geschichte). Auch die fabelhafte Leistung des zuletzt umstrittenen Torhüters Florian Müller wird nun in der Plus-Spalte vermerkt, in der aber vor allem wieder Sosa/Sasa steht. Verschwörungstheoretiker hatten zuletzt gemutmaßt, die beiden würden sich im Abstiegskampf nur noch mäßig engagieren, weil sie den Verein ohnehin bald verlassen würden. Kalajdzic hat in München einen anderen Erklärungsansatz für die Erfolglosigkeit der letzten Wochen angeboten: "Es war gefühlt so, dass jede Mannschaft Borna mit zwei Mann zugestellt hat und ich im Strafraum von zwei Mann gedeckt wurde. Dann ist es nicht einfach."

Stuttgarts größte Hoffnung im Abstiegskampf ist nun, dass die beiden sich rechtzeitig wiedergefunden haben. Auch dank eines Gegners, der sie den Bewegungsablauf dreimal hintereinander üben ließ.

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