Usain Bolt gewinnt über 200 Meter:Zum zweiten Gold geflogen

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Der Favorit rast voraus, sein Kontrahent hinterher - am Ende gewinnt Usain Bolt über 200 Meter auch die zweite wichtige Sprintstrecke in London. Weil Bolt jedoch über seinem Weltrekord bleibt, wird der Jamaikaner von einem Kenianer ein wenig in den Schatten gestellt. Von David Rudisha - der über 800 Meter eine Weltbestleistung aufstellt.

Thomas Hahn, London

Es ist, als hätte jemand den Ton abgestellt. Stille im Londoner Olympiastadion. 80.000 Menschen verharren in Erwartung und blicken gespannt auf die acht Männer, die in den Startblöcken kauern. Es ist das 200-Meter-Finale der Männer mit Usain Bolt und Yohan Blake, und natürlich wissen die Leute, was das bedeutet. Bolt hat die halbe Stadionrunde 2009 in Berlin in 19,19 Sekunden zurückgelegt, so schnell wie kein anderer Mensch bisher.

Blake hat die halbe Stadionrunde vor elf Monaten in Brüssel in 19,26 Sekunden zurückgelegt, so schnell wie kein anderer Mensch bisher außer Bolt. Und wenn die zwei schnellsten Männer der Geschichte aufeinandertreffen, liegt etwas Besonderes in der Luft. Erst recht an diesem Abend, an dem zuvor der Kenianer David Rudisha zu einem neuen 800-Meter-Weltrekord geeilt ist in 1:40,91 Minuten. In die Stille hinein fällt der Startschuss, und ein Sturm aus Lärm weht die Männer über die Bahn, aus der Kurve, auf die Zielgerade. Bolt fliegt voraus, Blake hinterher, und Bolt gewinnt mit 19,32 zu 19,44. Kein Weltrekord.

Weltrekorde werden grundsätzlich überschätzt, der sportliche Wettbewerb bietet Spektakel genug, im Grunde braucht es die Fabelzeiten gar nicht, deren genaue Hintergründe ohnehin kein Außenstehender genau kennt. Auf der anderen Seite geht von Weltrekorden in der Leichtathletik eben doch eine besondere Faszination aus, weil sie den Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit ein Maß geben.

Und deshalb haben viele Beobachter natürlich auch in London darauf gehofft, dass die Olympischen Spiele wieder ein Festival der Rekorde werden würden wie die vor vier Jahren in Peking, als Bolt erst die Marken über 100 (damals 9,69 Sekunden) und 200 Meter verbesserte (19,30), und dann auch noch mit der jamaikanischen 4x100-Meter-Staffel eine Marke fürs Geschichtsbuch setzte (37,10).

Stadion- und Bahnbauer haben, so gut es geht, die Voraussetzungen geschaffen, damit sich diese Hoffnungen erfüllen. Die Dachkonstruktion des Olympiastadions soll Winde von der Bahn ableiten, die Rekordleistungen ungültig machen könnten. Die Bahn ist laut Hersteller so clever beschichtet, dass sie mehr denn je den Energiefluss beim Fußaufsatz der Athleten fördern.

Und tatsächlich hatte es auch vor Rudishas Einsatz schon einige außergewöhnliche Leistungen gegeben bei den Spielen, persönliche Rekorde, nationale Rekorde, olympische Rekorde. Das 100-Meter-Finale zum Beispiel, das Bolt in der zweitbesten je erzielten Zeit von 9,63 Sekunden gewann, war das beste in der Geschichte, mit sieben Teilnehmern, die unter zehn Sekunden geblieben waren.

Bolt holt zweites Gold
:Triumph mit Liegestützen

Zum ersten Mal verteidigt ein Athlet bei Olympia seine Titel über 100 und 200 Meter: Usain Bolt gewinnt auch das Rennen in der längeren Sprintdistanz und sichert sich seine zweite Goldmedaille in London. Nach einem guten Start kommt ihm Yohan Blake zwar noch bedrohlich nahe - doch es reicht für Bolt.

Das Rennen in Bildern

Aber die ganz spektakuläre Zeit war noch nicht dabei gewesen, wofür es eine einfache Erklärung gab. Denn auch wenn das Olympiastadion ein Meisterwerk der Ingenieurskunst sein mag - es ist ein Freiluftstadion, es kann das Londoner Wetter nicht fernhalten vom Geschehen. Und das Londoner Wetter war zuletzt eine eher unwirtliche Mischung aus Wind, lauer Kälte und zwischendurch Niesel, die vor allem die sonnenverwöhnten Karibik-Sprinter störte. "Die äußeren Bedingungen haben die schnelle Bahn überschattet", sagte Stephen Francis, Trainer von 100-Meter-Olympiasiegerin Shelly-Ann Fraser-Pryce aus Jamaika.

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Zum ersten Mal verteidigt ein Athlet bei Olympia seine Titel über 100 und 200 Meter: Usain Bolt gewinnt auch das Rennen in der längeren Sprintdistanz und sichert sich seine zweite Goldmedaille in London. Nach einem guten Start kommt ihm Yohan Blake zwar noch bedrohlich nahe - doch es reicht für Bolt.

Das Rennen in Bildern

Und so war es bestimmt kein Zufall, dass David Rudisha ausgerechnet an diesem Donnerstag zu seinem unwirklich schnellen 800-Meter-Lauf ansetzte. "Ich habe für perfekte Bedingungen gebetet", erzählte er später. Der Tag war ein echter Sommertag gewesen, als das Abendprogramm begann, war es immer noch angenehme 23 Grad warm und trocken.

Dass Rudisha seinen eigenen Weltrekord, den er im August 2010 im italienischen Rieti aufgestellt hatte, ausgerechnet in London um zehn Hundertstelsekunden verbesserte, kam trotzdem etwas überraschend. Mittelstreckenrennen sind bei großen Meisterschaften meistens von der Taktik geprägt, der Sieg ist wichtig, die Rekordversuche eher ein Fall für kommerzielle Rennen mit Tempomachern.

Aber für Rudisha scheint Taktik kein Rolle mehr zu spielen, Tempomacher braucht er auch keine mehr. Seit Juli 2010 hat er sechs der acht besten je erzielten 800-Meter-Zeiten ins Geschichtsbuch gesetzt. Rudisha läuft einfach los und dann allen davon, und wenn die Bedingungen stimmen, steht am Ende eben ein neuer Weltrekord da.

David Rudisha, 23, stammt aus Kilgoris im kenianischen Hochland und ist ein Schüler des irischen Lauf-Missionars Brother Colm O'Connell, der an der St. Patrick' s High School in Iten seit seiner Ankunft dort 1976 schon viele Spitzenläufer geformt hat. Zu Beginn seiner Karriere zeigte Rudisha noch taktische Schwächen, bei den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin verpasste er deshalb das Finale. Aber danach nahm seine Karriere Fahrt auf.

Rudisha setzte im August 2010 in Berlin seinen ersten Weltrekord (1:41,09), den er nur eine Woche später wieder verbesserte (1:41,01). 2011 in Daegu wurde er Weltmeister. Aber der vorläufige Höhepunkt für ihn ist dieser atemlose 800-Meter-Lauf von London, der außer Rudishas Weltrekord sieben persönliche Bestzeiten hervorbrachte, drei nationale Rekorde und einen Junioren-Weltrekord durch den zweitplatzierten Nijel Amos (Botsuana) in 1:41,73 Minuten.

© SZ vom 10.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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