Corona und US-Sport:Spitzenverdiener übernehmen die Gehälter

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Zion Williamson (links) spendet für die einfachen Arbeiter seines Klubs. (Foto: AFP)
  • Die Sportindustrie ist in den USA so groß wie nirgendwo sonst und gerade steht wegen Corona alles still.
  • Die finanziellen Verluste sind enorm, dabei schien das Wachstum des US-Sports bis vor Kurzem unaufhaltsam.
  • Der Basketballer Zion Williamson will für die nächsten 30 Tage die Gehälter der Stadionmitarbeiter übernehmen.

Von Felix Haselsteiner, Ponte Vedra Beach

Das letzte Geräusch, was in der US-Sportwelt am Donnerstagabend zu hören war, war das Aufheulen von Rasenmäher-Motoren. Die Sonne über Ponte Vedra Beach im Norden Floridas war gerade untergegangen, der erste Turniertag des Players Championship im berühmten TPC Sawgrass damit beendet und eine Armada an grünen Mähern setzte sich in Bewegung, um den Golfplatz für den nächsten Tag wiederherzurichten. Sie hätten sich die Ausfahrt sparen können. Am Donnerstag um kurz nach 22 Uhr gab die PGA Tour bekannt, dass das Turnier vorzeitig abgebrochen wird - und dass alle weiteren Turniere bis Mitte April abgesagt werden. Der Golfsport war damit der letzte fallende Dominostein im US-Sport.

Den Anfang hatte am Mittwoch der Basketball gemacht. Am späten Mittwochabend hatte die NBA aufgrund zweier akuter Fälle von am Covid19-Virus erkrankten Spielern ihre Saison unterbrochen, offenbar unter durchaus dramatischen Umständen: Wenige Minuten erst vor dem Tip-Off des Spiels zwischen Oklahoma Thunder und Utah Jazz hatte Jazz-Manager Dennis Lindsey das positive Corona-Testresultat des Spielers Rudy Gobert bekommen, daraufhin schnell gehandelt und umgehend in Absprache mit dem Gegner das Spiel abgesagt und die Mannschaft isoliert. Um Panik in der Thunder-Arena zu vermeiden, wurde vor Ort keine Begründung für die Absage verkündet, die Zuschauer verließen irritiert die Halle, berichtete ESPN.

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Für mindestens 30 Tage will die NBA nun aussetzen, dann die Situation neu beurteilen. Ähnliche Mitteilungen veröffentlichten danach auch die Eishockeyliga NHL, in der noch 189 Spiele auszutragen wären, die Fußballer der MLS, die erst vor wenigen Wochen in die Saison gestartet war und der Collegesportverband NCAA, der nach der vorübergehenden Einschränkung, die großen Turniere ohne Zuschauer auszutragen, ebenfalls eine Absage bekanntgab. Die Baseballliga MLB verschob ihren Saisonstart vom 26. März um mindestens zwei Wochen nach hinten und auch die Nascar-Rennserie entschied sich für eine Absage.

Börse, Wettindustrie und der Tourismus sind massiv von der Sport-Pause betroffen

Nur im American Football musste nichts entscheiden werden, die NFL befindet sich aktuell in der Offseason und wartet daher noch ab, inwiefern sich die Situation bis zum Draft Ende April entwickelt. Golf war damit kurzzeitig die einzige aktive große Sportveranstaltung, der Druck auf die Entscheidungsträger der PGA Tour wurde im Laufe des Donnerstags immer größer. Das Bild der Golfer, die weiterspielen, während der Rest ruht, wäre wohl kein gutes gewesen.

Die Konsequenzen, die die Absagen für den US-Sport haben, sind so allumfassend, dass in den ersten Tagen noch nicht klar ist, wie fatal sie ausfallen werden. Nirgendwo anders auf der Welt ist die Industrie hinter dem Sport so groß wie in den USA. Fußball mag - global gesehen - der König der Sportwelt sein, doch der US-Sportmarkt allein ist laut einer Analyse der Beratungsfirma PWC etwa 73 Milliarden US-Dollar wert, inbegriffen sind darin Medienrechte, Events, Sponsoren und Merchandising.

Das Wachstum des US-Sports schien bis vor Kurzem unaufhaltsam, die 80-Milliarden-Dollar-Marke sollte spätestens bis 2023 durchbrochen werden. Nun dürfte sich die US-Sportwelt einer möglicherweise monatelangen Krise gegenübersehen, die sich auf alle Bereiche des Markts auswirken werden. Die Aktienkurse der großen Sportunternehmen wie Nike brachen angesichts der unklaren Lage zwar nicht komplett ein, Kursverluste waren dennoch klar erkennbar. Der Wettindustrie, schätzte ein Analyst gegenüber dem Philadelphia Inquirer, dürften allein im Monat März 540 Millionen US-Dollar verloren gehen, er rechnete mit einem Einbruch von mindestens 80 Prozent gegenüber März 2019. Auch die Hotelindustrie dürfte unter dem Ausfall von Sportevents massiv leiden, laut Forbes reisen normalerweise bei den großen Finalserien wie etwa der NCAA 70-95 Prozent der Zuschauer von außerhalb an.

Am fatalsten jedoch dürften die Auswirkungen bei denen sein, die sowieso nicht so viel haben. Die Mehrheit der Servicemitarbeiter in Sportstätten etwa verdient selbst unter normalen Umständen nur rund 25.000 US-Dollar im Jahr - die Hälfte des US-Durschnittseinkommens - ist dabei allerdings nicht fest angestellt, um in mehreren Stadien parallel arbeiten zu können. Die Arbeiter leben somit von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck und dürften von der mindestens vierwöchigen Pause im US-Sport am unmittelbarsten betroffen sein.

Auch die Sportler in den unteren Ligen dürften mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben: Der deutsche Golfprofi Stephan Jaeger, der auf der reiseintensiven und geringdotierten Korn-Ferry-Tour, der zweiten Liga im Golfsport, spielt, twitterte halb im Scherz, er sei jetzt schon pleite: Ob man nicht die Preisgelder der kommenden Wochen fair unter den Spielern aufteilen könnte?

Finanziell und sportlich betroffen sind auch die College-Sportler, die ihre Ausbildungs-Karrieren nun ohne Abschlussevents beenden, damit aber auch ohne die erhöhte Aufmerksamkeit, die für einen Transer in den Profisport oft notwendig ist. Die NCAA sprach am Freitag zwar davon, dass College-Sportler ein weiteres Jahr bekommen könnten, viele Teilstipendien allerdings dürften diese Vorgehensweise nicht mitfinanzieren. "Es fühlt sich so an, als wäre die ganze harte Arbeit - ich will nicht sagen umsonst, aber man will als Sportler einfach spielen", sagte Willie Goetz, ein Ruderer der Cornell-Universität, der New York Times - und brachte damit wohl die Gefühle vieler College-Absolventen auf den Punkt.

Bemerkenswert ist auf der anderen Seite, wie wenig Ärger die Absagen in den ersten Tagen als Reaktion zur Folge hatten. Der Tenor, es sei eine globale Gesundheitskrise und der Sport sei in dieser Zeit unwichtig, zog sich durch fast alle Kommentare von Sportlern und Verantwortlichen. Dazu kam eine große Welle an Solidarität: Der Basketballer Zion Williamson von den New Orleans Pelicans gab etwa bekannt, er werde für die nächsten 30 Tage die Gehälter der Stadionmitarbeiter übernehmen, andere folgten seinem Beispiel.

Die Golden State Warriors kündigten an, dass Klubbesitzer und Spieler einen Katastrophenhilfe-Fonds über eine Million US-Dollar einrichten werden, um den mehr als 1000 (Teilzeit-)Beschäftigten der Arena in San Francisco zu helfen. Giannis Antetokounmpo (Milwaukee Bucks), Kevin Love (Cleveland Cavaliers) und Blake Griffin (Detroit Pistons) spenden jeweils 100.000 Dollar. Auch Mark Cuban, Besitzer der Dallas Mavericks, lässt die Hallen-Mitarbeiter nicht im Stich. Alle nach Stunden Beschäftigen erhalten zunächst denselben Lohn, den sie verdient hätten, wenn die kommenden vier Heimspiele der Mavericks stattgefunden hätten. In der NHL und der in der MLB werden ebenfalls Fonds angelegt.

In Ponte Vedra Beach fuhren am Freitag erstmal einige Trucks auf dem Parkplatz vor, der eigentlich für die Zuschauer beim Players Championship vorgesehen waren. Die großen Mengen übrig gebliebener Nahrungsmittel spendete die PGA Tour an die Organisation Feeding Northeast Florida, für die Golfprofi Billy Horschel als Pate arbeitet: "Es sind Menschen, die teilweise zwei oder drei Jobs haben und unsere Unterstützung brauchen", sagte Horschel am Freitag. Die Golfturniere, die abgesagt wurden, sind für viele lokale Charity-Organisationen die Basis für ihre Finanzierung, allein beim Players Championship wurde im vergangenen Jahr 9,25 Millionen US-Dollar eingesammelt. Horschel, der die Hälfte seines Preisgelds aus dem abgesagten Turnier spendete, hoffte auf weitere Solidaritätsbekundungen unter seinen Mitspielern. Es hätte aber auch ein Appell an die gesamte US-Sportindustrie sein können, als er sagte: "Ich hoffe, sie tun in dieser Situation das, was richtig ist."

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