Union gegen BVB:Adeyemis Tor voller Anmut beruhigt die Debatte

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Tor des Tages: Karim Adeyemi knallt den Ball unter die Latte. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Kein brillanter Erfolg, aber drei wichtige Punkte: Borussia Dortmund holt bei Union Berlin einen Arbeitssieg mit schönen Momenten, der vor allem bei Trainer Edin Terzic für vorläufige Entspannung sorgt.

Von Javier Cáceres, Berlin

Das Spiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem Ballspielverein Borussia aus Dortmund war abgepfiffen, da wurde das übliche Protokoll im Stadion an der Alten Försterei über den Haufen geworfen. Anders als sonst wurde nicht zunächst der eigenen Mannschaft gehuldigt. Sondern der Schiedsrichter mit Verwünschungen eingedeckt: "Hoyzer"-Rufe schwollen an zu einem mächtigen Chor. Der Grund: eine strittige Szene vor dem Tor zum 2:0-Endstand (90.), den der Niederländer Ian Maatsen hergestellt hatte, als Union dem Ausgleich näher zu sein schien als der BVB dem Sieg.

Josip Juranovic hatte im Mittelkreis den Ball an Maatsen verloren, und dass der Dortmunder eben nicht nur den Ball, sondern auch den Fuß des Kroaten getroffen hatte, ehe er allein aufs Tor der Köpenicker zulief, gab Anlass zu Diskussionen. Vor allem wegen der bis dahin doch mitunter rigorosen Linie des Referees. Von einer "50-50-Entscheidung" sollte hernach Unions Trainer Nenad Bjelica reden, die an seinen bisherigen Wirkungsstätten - Spanien, Kroatien, Polen, Österreich und Italien - latent zugunsten der "Großen" und nie für "die Kleinen" gepfiffen würden.

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Auch in der Bundesliga. Groß darüber hadern wollte er nicht. Im Gegenteil, er gab sich versöhnlich. "Das kann man pfeifen. Wir akzeptieren das." Und das bot seinem Dortmunder Kollegen Edin Terzic eine wundervolle Vorlage, um seine Erleichterung darüber auszudrücken, dass Maatsen tatsächlich auch den Ball gespielt hatte.

Klar war, dass dies kein fußball-lyrischer Samstag würde zwischen Union und BVB

Ihren Sieg spielten die Dortmunder gewiss nicht brillant heraus. Aber wie sehr der erste Dreier nach zuletzt wettbewerbsübergreifend drei Spielen ohne Sieg die BVB-Gemüter beruhigte, konnte man an den entspannten Gesichtszügen von Terzic erkennen. Dortmund behauptete den vierten Tabellenplatz gegenüber Leipzig, das zeitgleich mit 4:1 beim VfL Bochum gewann. "Das sollte uns auf jeden Fall einen Schub geben, denn in Bremen wird es nächste Woche auch nicht leichter", resümierte BVB-Torwart Alex Meyer.

Es war absehbar, dass es kein sonderlich lyrischer Samstag werden würde. Union ist Union, und der BVB schon seit geraumer Zeit in einer Drift begriffen, die sich unter anderem darin äußert, dass sich die Diskussionen um die berufliche Zukunft von Trainer Terzic zuletzt verselbständigt hatten. Was aber insbesondere Dortmund in den ersten 30 Minuten bot, unterschritt die Erwartungen derart, dass die Halbzeitführung der Dortmunder durch ein Tor voller Anmut von Karim Adeyemi (41.) einigermaßen überraschend anmutete. Die Anfangsphase sei im Grunde "eine Fortsetzung der Partie gegen Hoffenheim" aus der Vorwoche gewesen, sagte Terzic. Und gegen Hoffenheim hatte Dortmund 2:3 verloren.

Der Beginn der Partie - genauer: der richtige Beginn - verzögerte sich um mehrere Minuten. Wenige Sekunden nach Anpfiff zündeten die Dortmunder Fans Rauchtöpfe, und das vernebelte den Blick derart, dass die Partie minutenlang unterbrochen wurde. Als sie wieder lief, stellte sich die Frage, was in diesen Töpfen alles enthalten war. Die elf Spieler des BVB jedenfalls wirkten lange wie benebelt; sie hatten in der ersten halben Stunde keinen einzigen Schuss aufs gegnerische Tor. Sie konnten erstens von Glück sprechen, dass Lucas Tousart die erste Chance der Partie vergab, indem er den Ball aus spitzem Winkel am linken Pfosten vorbeischob (6. Minute). Und zweitens, dass jeder vielversprechende Konter der Berliner am Ende doch nur mit einer Hereingabe ins Nirgendwo endete. "Wir haben vor dem Sechzehner schlechte und falsche Entscheidungen getroffen", sollte Bjelica nach der Partie sagen.

Klar wurde: Union war nur durch individuelle Aktionen beizukommen

Doch nach dieser Phase, in der Union zweikampfstärker und bissiger war als der BVB, deutete sich an, dass eine Dortmunder Führung dem Spielverlauf nicht notwendigerweise entgegenstehen würde. Die erste Ecke für den BVB führte fast zur Führung, weil Adeyemi den Ball mit seiner Jackson-Five-Gedächtnis-Frisur auf den zweiten Pfosten verlängerte, wo Nico Schlotterbeck den Ball aus drei Metern fast exakt auf den Union-Torwart Frederik Rönnow (35.) zielte. Der Däne zeigte kurz danach in weit nachdrücklicherer Form, dass er zu den derzeit besten Bundesliga-Keepern zählt: als er einen von Julian Brandt noch tückisch abgefälschten Schuss von Maatsen parierte. Diese Episoden lehrten vor allem dies: dass Union durch individuelle Aktionen beizukommen war. Und niemand verstand das besser als Adeyemi, der den Ball auf der rechten Seite erhielt, den Strafraum betrat - und den Ball von rechts aus 15 Metern zur 1:0-Führung exakt unter die Querlatte zirkelte (41.).

Nach der Pause tat sich ein Paradoxon auf. Dortmund wirkte durch die Führung selbstsicherer als zu Beginn, war im Spiel nach vorne aber umso apathischer und uninspirierter, je länger das Spiel dauerte. Während Dortmunds Trainer Terzic Offensivkräfte auswechselte und insbesondere durch die Einwechslung von Salih Özcan defensive Stabilität suchte, blies Unions Coach Bjelica mit der sukzessiven Hereinnahme von Yorbe Vertessen, Janik Haberer, Brendan Aaronson und Chris Bedia vernehmlich zum Angriff. Allein: Union tat sich schwer, Chancen herauszuspielen. Eine Doppelchance durch den später ausgewechselten Hollerbach und Kevin Volland (56.) war bis in die Schlussphase hinein der einzige Augenblick, da Union dem Tor richtig nahe schien. Als die Schlussminuten anbrachen, kamen wieder Volland und Vertessen zu Abschlüssen. Auch hier galt, was Unions Mittelfeldspieler Andras Schäfer bemängeln sollte: "Es fehlte die Konsequenz." Und das bestrafte am Ende der im Winter vom FC Chelsea ausgeliehene Ian Maatsen - mit dem ersten Bundesligator.

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