2. Liga:Wie Union Berlin den deutschen Fußball umkrempeln will

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Attacke aus der Position der Stärke: Die Kicker von Union Berlin (links Akaki Gogia, rechts Marcel Hartel) feiern das 2:1 am Montag in Ingolstadt - die Klubführung des Zweitliga-Zweiten veröffentlicht ein Strategiepapier. (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)
  • Zweitligist Union Berlin überrascht mit Vorschlägen zur Reform des Profifußballs, um der Entfremdung der Fans vom Business zu begegnen.
  • Die Vorschläge sehen etwa Playoff-Spiele vor, Gehaltsobergrenzen - und größere Ligen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der Zweitligist 1. FC Union Berlin probt die Revolution. In einem am Mittwoch verbreiteten Positionspapier, dem ein Brandbrief zur Lage des Fußballs vorangestellt ist, regt der Verein aus Berlin-Köpenick unter anderem an, die erste und zweite Bundesliga von derzeit 18 auf jeweils 20 Mannschaften aufzustocken, wie das in Spanien, Frankreich oder England Usus ist. Durch die zusätzlichen Partien würde sich die Einnahmesituation der Vereine verbessern, die nicht an internationalen Wettbewerben teilnehmen.

"Im Vergleich zu den dort vertretenen Klubs fehlen ihnen nicht nur die Prämien aus diesen Wettbewerben, sondern sie tragen auch deutlich weniger Spiele aus. Die zusätzliche Anzahl von vier Meisterschaftsspielen ist daher für diese Klubs sportlich und finanziell attraktiv und für die Top-Klubs eine verkraftbare Belastung", schreiben Union-Präsident Dirk Zingler und Präsidiumsmitglied Oskar Kosche. Sie fordern unter anderem die Beibehaltung der 50+1-Regel, die dem Einfluss von privaten Investoren auf Vereine enge Grenzen setzt.

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Ab 2021 wird neben der Champions League und der Europa League ein weiterer Wettbewerb unter Vereinsmannschaften ausgespielt.

Den Forderungen der Unioner liegt die Analyse zugrunde, dass sich der deutsche Profifußball "an einem Scheideweg" befindet. Daher solle über die von der Deutschen Fußball Liga (DFL) vorgeschlagene Strukturreform nicht schon am 12.10.2018 abgestimmt werden. Es sei notwendig, den deutschen Profifußball nicht nur organisatorisch neu aufzustellen, "sondern ihn auch inhaltlich neu auszurichten". Er entferne sich zunehmend "von denen, die ihn ausmachen - den Menschen". Die nationalen Wettbewerbe müssten gestärkt werden, da sie die wichtigsten Grundlagen für Identifikation und Bindung der Menschen an den Fußball seien.

In den Augen der Berliner ist der Fußball weiterhin ein bedeutender Teil der Gesellschaft und bilde "deren Tendenzen und Entwicklungen in komprimierter Form" ab. "Die Stärkung der radikalen Ränder aufgrund einer gefühlten und erlebten Bedrohung ist längst unübersehbar - sowohl im Fußball als auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Menschen, die nicht wertgeschätzt und nicht ernstgenommen werden, greifen zu extremen Aktions- und Kommunikationsformen. Schmähgesänge, diskreditierende Banner sowie permanente verbale Angriffe auf Verbände und einzelne Funktionäre zeugen von der Eskalation ungelöster Konflikte." Das alles seien unübersehbare Symptome einer grassierenden Entfremdung der Fans vom Milliarden-Business Fußball.

Playoff-Spiele um den Aufstieg

Vor diesem Hintergrund plädieren die Unioner dafür, dass der deutsche Profifußball bei der "Begrenzung von Gehaltetats sowie der Anzahl der Leihspieler eine Vorreiterposition einnehmen und dafür werben sollte, diese europaweit einzuführen". Damit würde "ein deutliches Zeichen" gesetzt, "die stetige Aufwärtsspirale in längst nicht mehr vermittelbare Höhen nicht länger mitzugehen". Union fordert überdies eine Debatte über die Verteilung der Einnahmen aus der Vermarktung der TV-Gelder. Das aktuelle Modell "vergrößert die bereits bestehenden Unterschiede zwischen den Klubs, statt den Wettbewerb zu fördern".

In ihrem sechsseitigen Papier schlägt Union überdies vor, nicht nur die ersten beiden, sondern auch die dritte Liga unter dem Dach der DFL zu organisieren, der eine hohe Leistungsfähigkeit bei der Organisation des bezahlten Fußballs attestiert wird. "Auch die dritte Liga ist eine Profiliga", heißt es zur Begründung. Dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) solle nur noch die Organisation der Nationalmannschaften und des Amateurbereichs obliegen.

Unter den Vorschlägen findet sich auch eine Neuorganisation der Aufstiegsregelungen. Das Erringen einer Meisterschaft sei ein außerordentlicher sportlicher Erfolg, dem "entsprechende Bedeutung beigemessen" werden sollte, erklären die Berliner. Derzeit gebe es für die Meister der zweiten Bundesliga und der dritten Liga zwar eine Trophäe, "die relevante sportliche Folge, den Aufstieg in die nächsthöhere Liga, teilt sich der Meister jedoch mit dem Zweitplatzierten". In den vier Regionalligen ist derzeit nicht mal jedem Meister der Aufstieg in die 3. Liga sicher.

Die Durchlässigkeit zwischen den Ligen solle "über Playoff-Spiele mehrerer Mannschaften gewährleistet werden, in deren Rahmen mehrere Teilnehmer der benachbarten Ligen um eine bestimmte Anzahl an Plätzen in der höheren Liga spielen". Wäre die aktuelle Zweitligasaison heute schon beendet, hätte Union den langersehnten Aufstieg in die erste Liga sicher: Nach dem 2:1-Sieg beim FC Ingolstadt am vergangenen Montag belegt der 1. FC Union Berlin den zweiten Tabellenplatz, drei Punkte hinter dem 1. FC Köln.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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