Union Berlin:"Am Schluss ist es auch nur ein Fußballspiel"

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"Fast ein Kurztrainingslager": Urs Fischer nimmt 25 Spieler mit nach München, denn am Dienstag steht die Pokalpartie beim SC Freiburg an und die Mannschaft reist direkt weiter. (Foto: Matthias Koch/imago)
  • Zum ersten Mal tritt Union Berlin beim FC Bayern an.
  • Trainer Urs Fischer glaubt nicht, dass sein Team von der Kulisse überwältigt sein könnte.
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Von Javier Cáceres, Berlin

Die erste Reise des 1. FC Union Berlin zum FC Bayern München begann formell erst am Freitag. Doch natürlich war sie schon vorher in Köpenick in aller Munde gewesen - im Grunde schon nach Ende der vergangenen Bundesligapartie gegen den SC Freiburg (2:0), als Verteidiger Keven Schlotterbeck halb im Scherz, aber halb im Ernst sagte, man werde "mit Schaum vorm Mund" nach Bayern fahren. Oder: Am Tag danach, als Union-Trainer Urs Fischer nach den Chancen des Bundesliganeulings beim Rekordsieger gefragt wurde. "Muss ich sie denn beziffern?", fragte Fischer zurück und philosophierte: "Es spielt doch keine Rolle, wie hoch sie ist!" Denn es gehe nur darum, bereit zu sein. Bereit zu sein für den Fall, dass sich eine Chance bietet. So wie möglicherweise am Samstag. Oder doch nicht?

Wenn es jemanden gibt, der sich in gegenwärtiger Lage eine Chance ausrechnen mag, dann Fischer, der ja - Achtung: kein Wortwitz - passionierter Angler ist und als solcher frohlocken müsste angesichts der Nachrichten, die rund um den FC Bayern kreisen. Sie künden von rauen Wassern, und in solchen lässt sich angeblich besonders gut fischen. Köder dieser Art aber verschmähte Fischer, als sie ihm vor der Abreise nach München hingehalten wurden: "Ich bin mir nicht sicher, ob dort wirklich eine solche Unruhe herrscht", sagte er. Vielmehr erinnern ihn die Debatten an Situationen rund um seinen früheren Verein FC Basel, einen Spitzenklub der Schweiz, wo die Debatten - wie beim FC Bayern - sich nie aufs nackte Resultat beschränkten, sondern auch um die Qualität des jeweiligen Auftritts kreisten.

Es wäre das, was man gemeinhin eine Sensation nennt

Andererseits: Zuletzt holte der FC Bayern gegen die Konkurrenten Hoffenheim und Augsburg nur einen von sechs möglichen Bundesligapunkten, in der Champions League bei Olympiakos Piräus gab es immerhin einen 3:2-Sieg. Das sind alles Spiele, die sich auch Fischer nun detailliert angeschaut hat, in der Hoffnung doch noch ein Detail zu finden, das die Angel am Ende zappeln lässt.

Es wäre das, was man gemeinhin eine Sensation nennt. Bis zur Wende spielten die Köpenicker bekanntlich in der 1990 abgewickelten DDR, danach blieben sie im wiedervereinigten Deutschland unterklassig, bis sie im Mai erstmals aufstiegen, was ihnen nun die erste Visite beim Bundesliga-Rekordmeister beschert.

Unter der Woche erinnerten sich die Unioner selbst an jene rauschhaften Tage. In einem Kino im Herzen Berlins schaute sich die Belegschaft einen Aufstiegs-Dokumentarfilm an, der bald als DVD in den Handel kommen soll. "Ein toller Abend, ein toller Film; mit Szenen, die ich noch nicht kannte", sagte Fischer vergnügt. Vor allem aber sei er froh gewesen, dass alle Spieler unverletzt aus dem Cinema herausfanden und sich nicht etwa die Knöchel lädierten. "Da waren auch Stufen dabei", scherzte der Coach.

Andererseits: An Personal mangelt es den Unionern nicht. Sie starteten bekanntlich mit einem 31-Mann-Kader in die nun sieben Spieltage alte Bundesligasaison; die Reise nach München traten sie mit der üblichen Belegschaft, aber gleich 25 einsatzbereiten Profis an - mehr als sonst. Die Expedition gleiche "fast einem Kurztrainingslager", sagte auch Fischer.

Der Grund dafür ist nicht, dass Fischer möglichst vielen Spielern ermöglichen wollte, die berühmte Arena des FC Bayern in Fröttmaning persönlich zu besuchen. Vielmehr steht am Dienstag die Pokalpartie beim SC Freiburg an - bei dem Gegner also, gegen den man am vergangenen Wochenende eine Serie von vier Niederlagen beendete. Den Umweg über Berlin schenken sich die Unioner, sie reisen aus München direkt weiter ins Breisgau. Und so werden neben den 7 500 mitreisenden Anhängern in jedem Fall Touristen dabei sein. Denn nicht alle Profis werden auf der Ersatzbank Platz finden. Sondern eine Tribünenkarte erhalten.

Dass seine Mannschaft in München von szenischer Angst überwältigt werden könnte, glaubt Fischer übrigens nicht. Weil der eine oder andere schon mit Union im Pokal bei Borussia Dortmund angetreten ist, sprich: in einem vollbesetzten Stadion, das noch größer ist als die Bayern- Arena. Und weil wiederum andere die Münchner Arena schon anders bestrahlt bespielen durften, beim TSV 1860 waren die Unioner zu dessen Zweitligazeiten ja regelmäßig zu Gast.

Und überhaupt: Die Maße des Spielfelds seien auch nicht sehr viel anders als im heimischen Stadion An der Alten Försterei; die alte Weisheit, wonach auch auf der anderen Seite des Platzes nur elf Spieler sind, gilt ebenfalls. Fischer findet: "Am Schluss ist es auch nur ein Fußballspiel", bei dem man sich nicht aus dem Tritt bringen lassen muss, "nur, weil das Stadion ein bisschen größer ist".

© SZ vom 26.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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