Ulmer Basketballer in der Bundesliga:"Für diesen Verein ist es eine Riesensache!"

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Spiel verloren und trotzdem Gewinner: Der Tabellenzweite Ulm unterliegt in der Basketball-Bundesliga den Bayern mit 83:87, weil am Ende die Defensive bröckelt. Dennoch sind die Schwaben bisher das Überraschungsteam der Saison - die Münchner könnten sie bald in den Playoffs wieder treffen.

Jonas Beckenkamp

Die Strapazen eines aufreibenden Abends hatten Thorsten Leibenath auf die Stimme geschlagen. Am Ende blieb nach zu viel Gebrüll zu wenig Kraft im Organ übrig. Krächzend versuchte der Trainer der Ulmer Basketballer sein eingeschränktes Sprechvermögen zu erläutern. Dabei musste er immer wieder sein Timbre justieren. "Ich coache die Mannschaft genauso intensiv, wie ich mir unser Spiel wünsche," hauchte der 36-jährige, "da kann man schon mal heiser werden."

Es wird nicht leichter werden, in den kommenden vier Wochen haben die Bayern vier Auswärtsspiele, unterbrochen nur vom Heimspiel gegen Quakenbrück. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Es war ein bezeichnender Moment für einen insgesamt sehr mutigen Auftritt seiner Männer, die trotz langer Führung gegen den FC Bayern mit 83:87 (42:34) verloren hatten. Platt und abgekämpft waren danach irgendwie alle - besonders auf Ulmer Seite. Aber die Enttäuschung war schnell verflogen.

Nach dem dritten anstrengenden Spiel binnen einer Woche kristallisierte sich bald heraus, warum das Überraschungsteam der laufenden Basketball-Bundesliga-Saison in der ausverkauften Münchner Rudi-Sedlmayer-Halle an diesem 22. Spieltag verlor: Den Ulmern war nach drei starken Vierteln im Schlussabschnitt die Luft ausgegangen.

"Wir haben lange hervorragend verteidigt und die Bayern im Griff gehabt, doch uns fehlte in der entscheidenden Phase einfach die Substanz," erklärte Leibenath, der auch dieses Mal auf den verletzten Forward Dane Watts verzichten musste. Der Ausfall des 2,03 Meter großen Amerikaners traf den Tabellenzweiten an diesem Abend besonders hart, denn so verteilte sich der größte Teil der Spielzeit auf gerade einmal sieben Akteure.

Die Mini-Rotation führte im Showdown fast zwangsläufig dazu, dass die Bayern in Person von Je'Kel Foster (19 Punkte im Schlussviertel) ständig unbehindert Dreier versenken durften - ohne Verschnaufpausen wiegt in der Abwehr eben jeder Schritt doppelt schwer.

"Wir müssen uns in der Defensive 40 Minuten voll reinhängen, nicht nur 35," analysierte der beste Ulmer Schütze Isaiah Swann (17 Punkte). So richtig niedergeschlagen wirkte der Amerikaner da schon nicht mehr. Warum auch, für die Ulmer sind die jüngsten beiden Pleiten gegen Bamberg und die Bayern längst kein Grund für Trübsal.

"Gegen diese beiden Klubs kann man verlieren, das haut uns nicht um," sagte Aufbauspieler Per Günther (15 Punkte) gelassen, der den Nahkampf der Nationalteam-Regisseure gegen Steffen Hamann (5) klar für sich entschied. In Schwaben sind sie mit ihrem bisherigen Abschneiden in dieser Saison mehr als glücklich.

Hoher Hüpfer: Isaiah Swann von Ratiopharm Ulm setzt sich gegen Je'Kel Foster durch. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Platz zwei mit weiterhin besten Aussichten auf Heimvorteil in den Playoffs, der Einzug ins Halbfinale des Pokals und der nominell überlegene FCB erneut am Rande einer Niederlage - solche Perspektiven wären in Ulm und gewiss auch um Ulm herum noch vor wenigen Monaten als Faschingsfabel verlacht worden.

Jetzt ist alles Realität. Mit erfrischendem, aufregendem Basketball wirbelt der kleine Klub die Liga durcheinander - wo viele eigentlich die Bayern vermutet hatten, steht nun mit Ulm ein Team, das keiner besonders hoch eingeschätzt hatte.

"Klar lief es heute etwas doof für uns, aber ich bin sicher, wir schaffen es in die Playoffs - und das ist für diesen Verein eine Riesensache," erklärte Günther, der ähnlich wie Swann schon wieder unbeschwert grinsen konnte, als er in den Katakomben der Münchner Arena die Fragen der zumeist schwäbischen Sportreporter beantwortete.

Dass an der exzellent eingestellten Mannschaft so reges Interesse besteht, liegt nicht nur an den Erfolgen, sondern auch an der Spielweise der Ulmer. Neben Aufbauspieler Günther wirbeln auf den Flügeln Roderick Trice und eben Isaiah Swann, die beide mitunter so hoch springen, dass sie vermutlich kopfüber in den Korb hechten könnten.

Kraft und feines Händchen

Exemplarisch dafür stand eine Szene in der ersten Halbzeit, als der nur 1,88 Meter große Swann an der Grundlinie einfach abhob und einen monströsen Dunking durch die Reuse hämmerte - auf der Tribüne bestaunten die Fans beider Lager die Flummi-Vorführung mit unüberhörbaren "Wows". "Er verfügt über eine enorme Sprungkraft und macht das im Training öfter," bestätigte Coach Leibenath später. Swann selbst blieb cool: "Ja, ich kann ganz gut dunken, aber die Bayern ließen mir auch Platz."

Swanns Freiheiten ergeben sich nicht zuletzt durch die Präsenz des Ulmer Centers John Bryant - in der BBL ist der Amerikaner sicher einer der besten seiner Zunft. Er kombiniert pure Kraft mit feinem Händchen und einer aberwitzigen Tingentangel-Bob-Frisur. "Unsere Stärke ist in diesem Jahr, dass wir so ausgeglichen sind. Wir haben gute Scorer von außen und den wohl besten langen Mann der Liga," sagte Per Günther.

Alles in allem also treffliche Voraussetzungen, um die Bayern mit etwas besserem Energiehaushalt beim nächsten Mal zu besiegen. Beim derzeitigen Tabellenstand bestünde dazu gleich in der ersten Playoffrunde die Möglichkeit - und bis dahin hat sicher auch Trainer Leibenath seine Stimme wieder in Schuss gebracht.

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