Unentschieden des HSV in Frankfurt:Van Marwijk bringt das Glück zurück

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Hamburgs Trainer Bert van Marwijk (links) mit Lasse Sobiech. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Ist das schon der Van-Marwijk-Effekt? Beim 2:2 gegen Eintracht Frankfurt unterlaufen dem Hamburger SV zwar altbekannte Fehler. Doch der HSV fällt nicht auseinander - und kommt kurz vor Schluss zum glücklichen Ausgleich.

Von Carsten Eberts

Bert van Marwijk erhob sich langsam von seinem Sitzplatz. Er schüttelte ein paar Hände, ließ sich auf die Schulter klopfen, dann zwinkerte er. Nicht wie jemand, der gerade einen besonders guten Scherz gemacht hat. Eher wie jemand, der zeigen möchte, dass er alles im Griff hat.

Van Marwijk hatte natürlich gesehen, wie glücklich das 2:2 (1:1) bei Eintracht Frankfurt zustande gekommen war. Doch immerhin: ein Auswärtspunkt zum Einstand des neuen Trainers. Johannes Flum (31.) und Marco Russ (54.) hatten Frankfurt zweimal in Führung gebracht, Pierre-Michel Lasogga (45.) und Marcell Jansen (86.) sorgten für den Ausgleich.

Von einem "verdienten Punkt" sprach van Marwijk später. Er habe das Potenzial seiner Mannschaft zweifellos erkannt: "Ich denke, dass wir uns steigern können." Auch Rafael van der Vaart lobte: "Wir haben versucht, guten Fußball zu spielen. Manchmal hat es geklappt, manchmal nicht." Ein Wort zu van Marwijk? Der Spielmacher erklärte knapp: "Ich bin froh, dass er hier ist."

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Ziemlich ruhig hatte van Marwijk die 90 Minuten auf der Trainerbank verbracht. Er musste sich an dieses Gefühl erst wieder gewöhnen, war er doch die vergangenen fünf Jahre lediglich als Bondscoach und Privatier unterwegs gewesen. An drei Trainingstagen hatte der 61-Jährige versucht, seine Mannschaft auf das neues Defensivkonzept einzuschwören. Das ist natürlich herzlich wenig Zeit für ein Team, das während der ersten sechs Spieltage 18 Saisontore eingesammelt hatte.

Taktisch ergaben sich kleine Änderungen beim HSV. Van Marwijk setzte auf zwei Viererketten, eine in der Defensive, eine im Mittelfeld, davor zwei Stürmer, die hießen Pierre-Michel Lasogga und Rafael van der Vaart. Wie schon unter Interimstrainer Rodolfo Cardoso versprach sich van Marwijk vom jungen Hakan Calhanoglu Impulse nach vorne. Auch Jonathan Tah, den Cardoso aus der eigenen U19 ins erste Team geholt hatte, verblieb in der Startelf.

Die neue Massivität im Hamburger Vortrag sorgte zunächst dafür, dass sich die Partie nur langsam zu einem Fußballspiel entwickelte. Der HSV zog sich weit zurück; alles, was die Eintracht versuchte, wurde von van Marwijks Mannen erstickt. "Wir haben besser gestanden als in den anderen Spielen", sagte van der Vaart. Die erste Viertelstunde kam Frankfurt - immerhin - zu keiner einzigen Torchance.

Erst allmählich verstand die Eintracht, dass es durch die Mitte kaum funktionieren würde. Der erste Flankenlauf wurde mit einem Latten-Kopfballtreffer von Stefan Aigner belohnt. Der zweite führte zum Führungstreffer: Aigner war auf der rechten Seite Djourou enteilt, in der Mitte durfte Johannes Flum erst ohne Geleitschutz in den Strafraum eindringen, dann den Ball unbedrängt über die Linie drücken (31.). Van der Vaart versuchte zu reagieren, setzte seinen 25-Meter-Freistoß jedoch knapp neben den linken Pfosten (33.).

Frankfurt spielte sich zunehmend ungehinderter durch die Hamburger Reihen. Immer wieder unterliefen den HSV-Defensivkräften Unsicherheiten, die Frankfurt allerdings nicht bestrafte: Kadlec zog frei aus halbrechter Position ab, HSV-Keeper Adler parierte (42.). Kurz vor der Pause tatsächlich der Ausgleich: Nach einem Eckball von Calhanoglu durfte der kopfballstarke Lasogga frei hochsteigen, er drückte den Ball wuchtig ins Netz (45.).

Van Marwijk schickte einen Blick Richtung Spielfeld, der einiges aussagte: der Augenbrauen hochgezogen, ein Mundwinkel schloss sich an, der andere blieb unten. Folgerichtig war dieses Unentschieden zur Pause nicht wirklich.

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In der zweiten Hälfte drängten die Frankfurter vehement auf die Herstellung des alten Zustands. Hamburg fand sich in der Defensive wieder, wankte zeitweise heftig, ein Treffer von Aigner wurde wegen Abseitsposition noch aberkannt (50.). Vier Minuten später nutzte jedoch Russ dicke Fehler in der Hamburger Zuordnung und bugsierte den Ball aus kurzer Distanz zum 2:1 ins Tor.

Nun zeigte sich, dass der Trainerwechsel in den Köpfen der HSV-Spieler tatsächlich etwas bewirkt haben könnte. Es war einer der klassischen Zeitpunkte, an denen der HSV zuletzt auseinander gefallen wäre. Etwa beim 2:6 in Dortmund, als es innerhalb von 16 Minuten vier Gegentore setzte. Als sich niemand mehr gegen die Niederlage wehrte. Als Trainer Thorsten Fink anschließend entlassen wurde.

Mit van Marwijk auf der Bank blieb der HSV stabiler. Frankfurt verpasste es, nachdrücklicher auf den dritten Treffer zu drängen, die Hamburger kämpften, wie selten gesehen in dieser Spielzeit. Das wurde auch belohnt. Eine Unachtsamkeit in der Frankfurter Defensive brachte Jansen in Schussposition, der frühere Nationalspieler stolperte fast, sein Schuss wurde von der Hacke eines Frankfurters abgelenkt - und rauschte zum Ausgleich ins Tor (86.).

Eine Standardsituation und ein abgefälschter Schuss bescherten dem HSV einen Punktgewinn. Für van Marwijk hätte es zum Debüt viel schlimmer kommen können.

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