DFB-Elf bei der U21-EM:Deutschlands Boomaktie heißt Ridle Baku

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Ridle Bote Baku (re.) war der beste deutsche Spieler gegen Ungarn. (Foto: Laszlo Balogh/Getty)

Dass dem deutschen Nachwuchs bei der EM ein guter Auftakt gegen Ungarn gelingt, liegt vor allem an dem jungen Wolfsburger - Trainer Kuntz gibt sich trotzdem geheimnisvoll.

Von Ulrich Hartmann

Franzose müsste man sein! Dann wäre der Marktwert aber gleich vier Mal so hoch. Ridle Baku indes ist Deutscher, seinen Arbeitsplatz hat er normalerweise in Wolfsburg. Er wurde in Mainz als Sohn kongolesischer Eltern geboren. In der Marktwertliste des einschlägigen Internetportals transfermarkt.de ist er mit seinen 17 Millionen Euro nur gut ein Viertel soviel wert wie die Franzosen Edouardo Camavinga (Stade Rennes) und Jules Koundé (FC Sevilla), die mit ihren 60 Millionen das internationale Ranking bei der U21-Europameisterschaft anführen.

Die Franzosen sind überhaupt ganz weit vorne, sowohl in der Favoritenliste als auch in der pekuniären Bewertung. Aber dass Geld allein keinen Durchschlag garantiert, ist ja eine der bedeutendsten Weisheiten des Fußballs. Baku, der nur auf Platz 28 der wertvollsten Spieler dieser EM geführt wird, hat am Mittwochabend beim 3:0-Sieg im Premierenspiel gegen den Gastgeber Ungarn direkt mal einen rausgehauen, also, eigentlich sogar drei: Scorerpunkte nämlich.

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Wenig Durchschlagskraft und Moukoko nur auf der Tribüne: Der Knoten gegen Ungarn platzt spät, trotzdem startet die deutsche U 21 mit einem deutlichen Sieg in die EM.

Eine Stunde lang spielte sich die älteste Nachwuchsmannschaft des Deutschen Fußball-Bunds sozusagen warm, schob den Ball hin und her und drückte sich recht unentschlossen rund um das ungarische Tor herum, ehe der 22 Jahre alte und als rechter Flügelstürmer aufgebotene Wolfsburger binnen zwölf Minuten erst das 1:0 vorbereitete (61., Lukas Nmecha) und dann das 2:0 (66.) und 3:0 (73.) selbst erzielte. "Das war eines meiner schönsten Spiele", sagte er hinterher grinsend in die TV-Kamera.

Bote Nzuzi Baku, von seinem fußballbegeisterten Vater zärtlich "Ridle" genannt nach dem früheren Dortmunder Spieler Karl-Heinz Riedle, muss sich bei der U21-WM keine internationalen Fragen anhören, warum in seinem Spitznamen dann eigentlich ein E fehlt. In der Nomenklatur des europäischen Verbands Uefa firmiert er anders als in der Bundesliga unter seinem offiziellen Vornamen Bote. Dass ihm auf dem Platz jedoch Namen bloß Schall und Rauch sind, demonstrierte und zelebrierte er mit seinem zwölfminütigen Kurzprogramm in der Sosto-Arena zu Szekesfehervar. Was am Ende bloß noch fehlte, waren Punktrichter, die begeistert fünf Mal die Acht und vier Mal die Neun hochhalten für eine "sehr gute" bis "ausgezeichnete" Leistung analog zum Eiskunstlauf.

"Das war schon ein kleines Ausrufezeichen für die anderen Mannschaften", sagte Baku nach dem Spiel über die Leistung der deutschen Auswahl. Das Adjektiv "klein" war erforderlich, weil das deutsche Team eben nur die letzte halbe Stunde wirklich schwungvoll und dann auch effektiv spielte. "Es ist ja ein Mysterium, warum deutsche Mannschaften immer schlecht in ein Turnier hineinkommen", sagte der U21-Bundestrainer Stefan Kuntz hinterher in einem geheimnisvollen Tonfall, als würde er im kommenden Herbst nicht gern Joachim-Löw-Nachfolger werden, sondern lieber Moderator einer Mystery-Sendung auf RTL2.

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Angesichts des letztlich aber doch deutlichen Sieges gegen die Ungarn, die in der Vierergruppe vermutlich den letzten Platz belegen und damit ausscheiden werden, hielt sich Kuntz' Aufklärungswille in diesem Mysterium in Grenzen. "Das sind alles junge Fußballer, die nach dem ersten Treffer plötzlich befreit aufspielen konnten", sagte er in der Analyse und wird bis Samstagabend, 21 Uhr, nun damit beschäftigt sein, diesen Zustand der Freiheit aufrecht zu erhalten, denn im zweiten Spiel gegen die Niederlande sollte man sich keine einstündige Aufwärmphase mehr erlauben.

Die Niederländer haben mit ihrem 1:1 zum Auftakt gegen Rumänien ein bisschen enttäuscht und müssen angesichts des mauen Resultats umso energischer auf einen Sieg gegen Deutschland drängen. Weil ihnen sonst das frühe Turnier-Aus droht. Eine solch triste Perspektive ist in den Marktwerten ihrer Top-Spieler Sven Botman (25 Millionen Euro, OSC Lille), Noa Lang (20 Millionen, FC Brügge) und Justin Kluivert (18 Millionen, RB Leipzig) nicht eingepreist.

"Für die geht es jetzt schon um alles", sagte der deutsche Torwart Finn Dahmen, der trotz seiner Reservistenrolle beim Bundesligisten Mainz 05 dem derzeitigen Leverkusener Stammtorwart Lennart Grill vom Trainer Kuntz vorgezogen worden war. Dahmen genießt beides: Dass er gegen Ungarn zu Null spielte und dass man die Niederländer am Samstag ernsthaft in die Bredouille bringen kann.

Dazu wird voraussichtlich auch jenes 16 Jahre alte Wunderkind namens Youssoufa Moukoko in den deutschen Kader zurückkehren, das gegen Ungarn wegen einer im Training erlittenen Schienbeinprellung vorsichtshalber pausierte. Der Dortmunder wird dann jüngster je eingesetzer Spieler bei einer U21-EM. Sein virtueller Marktwert? 10 Millionen Euro. Ein Witz! Er und Baku sollten sich in Ungarn als Boomaktien erweisen können.

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