Deutschlands U21-Junioren vor der EM:Einmaliges Erlebnis in der grünen Oase

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Warmlaufen für die EM: Die deutschen U21-Junioren im Trainingslager in Südtirol. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Dem Team von Cheftrainer Di Salvo fehlen bei der EM zahlreiche Spieler, die verletzt oder schon zu Hansi Flicks A-Elf aufgerückt sind. Trotzdem will die U21 auch diesmal weit kommen - als Minimalziel gilt die Qualifikation für Olympia 2024.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Dem bayerischen Fußballprofi Maximilian Bauer bietet sich eine womöglich seltene Gelegenheit in seiner Laufbahn: die Chance auf einen internationalen Titel. Der 23 Jahre alte Innenverteidiger hat in den vergangenen beiden Spielzeiten in 53 Einsätzen bereits ausgiebige Bundesliga-Referenzen bei Greuther Fürth und beim FC Augsburg gesammelt, aber jetzt könnte er mit den deutschen U21-Junioren Europameister werden. "Damit ginge ein Kindheitstraum in Erfüllung", sagt Bauer. Der gebürtige Vilshofener legt gerade eine Bilderbuchkarriere hin, doch einen relevanten Titel hat er bisher nicht gewonnen. Obwohl, einer fällt ihm ein: "Niederbayrischer Hallenmeister mit der E-Jugend der Spielvereinigung Deggendorf."

Die U21 des Deutschen Fußball-Bundes stellt eine grüne Oase dar für Nachwuchsspieler in der großen, weiten, mitunter wüstenartig anmutenden Fußballwelt. 2009, 2017 und 2021 haben insgesamt 68 deutsche Fußballer in dieser Altersklasse je einen Europameistertitel gewonnen, der in ihrer Karriere einen einmaligen, für manche sogar wegweisenden Stellenwert hatte. Um nur ein paar von ihnen zu nennen: Manuel Neuer, Mats Hummels, Sami Khedira, Mesut Özil, Sandro Wagner (alle 2009), Maximilian Arnold, Serge Gnabry (beide 2017), Nico Schlotterbeck und Florian Wirtz (beide 2021).

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Bauer spielte in Augsburg in der vergangenen Saison zusammen mit Niklas Dorsch, Arne Maier und Mergim Berisha, die auch alle vor zwei Jahren in jener U21-Startelf standen, die in Ljubljana mit einem 1:0-Finalsieg gegen Portugal den EM-Pokal holte. "Sie haben mir vorgeschwärmt, dass es ein unglaubliches Erlebnis war", erzählt Bauer. Das würde er auch gern erleben.

Für U21-Cheftrainer Antonio Di Salvo sind Spieler wie Maxi Bauer ein Glücksfall: hochambitionierte und schon erstligaerfahrene Jungprofis mit bereits ausgeprägten Führungsqualitäten. Allzu viele davon hat Di Salvo im aktuellen Kader allerdings nicht. Der Stuttgarter Josha Vagnoman, der Schalker Tom Krauß, der Frankfurter Ansgar Knauff, der Hoffenheimer Angelo Stiller und Dortmunds Sturmjuwel Youssoufa Moukoko erfüllen diese Kriterien. Doch etliche weitere Spieler mit vergleichbaren Schlüsselqualifikationen fallen für das Turnier in Georgien und Rumänien (21. Juni bis 8. Juli) aus.

Deutschlands Gruppengegner sind Israel, Tschechien und der EM-Mitfavorit England

Die Innenverteidiger Armel Bella Kotchap (Southampton) und Jordan Beyer (Burnley), die offensiven Mittelfeldspieler Felix Nmecha (Wolfsburg) und Patrick Osterhage (Bochum) sowie die Stürmer Jan Thielmann (Köln) und Jonathan Burkardt (Mainz) mussten Di Salvo wegen Verletzungen absagen. Und die Toptalente Florian Wirtz (Leverkusen), Jamal Musiala (FC Bayern) und Malick Thiaw (AC Mailand), die noch in der U21 spielen dürften, haben sich bereits bei Hansi Flick in der A-Nationalelf etabliert. Damit fehlen der U21 neun relevante Spieler, darunter vier hochklassige fürs offensive Mittelfeld und drei sehr starke für die Abwehrmitte. Die Abberufungen in die A-Elf akzeptiert Di Salvo jedoch vollends: "Wenn Malick Thiaw sich dort durchsetzen kann, dann haben wir einen guten Job gemacht. Am Ende tun wir alles für den Erfolg der A-Nationalmannschaft."

Nicht mit zur EM fahren, weil Di Salvo freiwillig auf sie verzichtet, Angreifer Jamie Leweling, der seit seinem Wechsel von Greuther Fürth zu Union Berlin vor einem Jahr zu wenig gespielt hat, und der herausragende Stürmer der abgelaufenen Drittligasaison, Benedict Hollerbach vom SV Wehen Wiesbaden - letzterer laut Di Salvo aus folgendem Grund: "Wir orientieren uns an den oberen Ligen." Dabei ist Wehen bei den Siegen in der Relegation gegen Arminia Bielefeld nicht zuletzt durch drei Tore von Hollerbach in die zweite Liga aufgestiegen. Zudem gilt der spiel- und durchsetzungsstarke Hollerbach als Wechselkandidat für die Bundesliga, konkretes Interesse zeigt der 1. FC Köln.

Trotz der vielen Ausfälle besitzt Di Salvos U21 realistische Chancen, das EM-Finale zu erreichen. Der Einzug ins Viertelfinale gilt angesichts der Gruppengegner Israel (Donnerstag, 22. Juni), Tschechien (Sonntag, 25. Juni) und England (Mittwoch, 28. Juni) als unabdingbar. Das Minimalziel fürs Turnier ist die Qualifikation für Olympia in Paris 2024, die drei Teams bei der EM auf direktem Wege schaffen. Dafür könnte der DFB-Auswahl bereits das Erreichen des EM-Halbfinales genügen, denn Frankreich und England, die beiden Titelfavoriten der EM, fallen aus der olympischen Rechnung heraus. Frankreich ist als Gastgeber für Olympia 2024 gesetzt, und England tritt in Paris nicht an, weil dafür ein Team Großbritannien zusammen mit irischen, schottischen und walisischen Spielern formiert werden müsste.

Für Antonio Di Salvo ist es das erste Turnier als Chefcoach, er war zuvor Assistent von Erfolgstrainer Stefan Kuntz, der die U21 drei Mal nacheinander ins EM-Finale und zu zwei Titeln geführt hatte. Di Salvo ist wichtig zu betonen, dass er keinen Druck verspüre. Das könnte auch daran liegen, dass sein Vertrag soeben schon bis 2025 verlängert worden ist.

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