U21 siegt im Elfmeterschießen:Zur Belohnung eine Kiste Mineralwasser

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Finn Dahmen pariert im deutschen Tor zwei Elfmeter. (Foto: FERENC ISZA/AFP)

Die deutsche U21-Nationalmannschaft schlägt Dänemark 6:5 im Elfmeterschießen und steht zum vierten Mal in Serie im EM-Halbfinale. Trainer Stefan Kuntz hat eine profane Erklärung.

Von Ulrich Hartmann

Die Deutsche Knigge-Gesellschaft verrät in ihrem Wertekanon nichts darüber, wie man gegen Ende eines Fußballspiels angemessen auf einen 0:1-Rückstand reagiert. Man erfährt dort nichts über elegantes Kräftemanagement in einer anstrengenden Verlängerung. Und über die adäquate Reaktion auf Elfmeter-Kanonaden dänischer Jungnationalspieler ist aus dieser dem Humanismus und dem freundlichen Umgang gewidmeten Einrichtung schon gar nichts zu erfahren.

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Die deutschen U21-Fußballer, die während ihrer EM-Vorbereitung mit großem Spaß dem launigen Vortrag einer Repräsentantin der erwähnten Knigge-Gesellschaft gelauscht hatten, haben im Viertelfinale gegen Dänemark, bei ihrem 6:5-Sieg im Elfmeterschießen, trotzdem alles richtig gemacht, was die fußballerischen Aspekte des guten Benehmens angeht. Sie haben zwei Minuten vor Ablauf der regulären Spielzeit noch spät ein 0:1 ausgeglichen, sie haben in der Verlängerung dänische Großchancen vereitelt und im Elfmeterschießen die vorzügliche Etikette ihres Torwarts Finn Dahmen bejubelt, der zwei von sieben Elfmetern der Dänen freundlich, aber bestimmt den Einlass ins Tor verweigert hat.

Nach 90 Minuten stand es 1:1, nach 120 Minuten 2:2, danach waren 14 Elfmeter vonnöten, um 16 Minuten vor Mitternacht den Einzug der DFB-Elf ins Halbfinale gegen die Niederlande zu feiern (Donnerstag, 21 Uhr, Pro Sieben). Es war ein Rausch der Leidenschaft und ein Festival der Tugenden, aber dass eine deutsche U21 zum vierten Mal nacheinander ins EM-Halbfinale eingezogen ist, hatte nach Ansicht des Bundestrainers Stefan Kuntz einen ganz profanen Grund: "Die Jungs wollten einfach noch nicht nach Hause."

Statt nach nur drei Tagen in Ungarn schon wieder heimfliegen zu müssen, durften die deutschen Jungfußballer in ihrem schönen Vital-Hotel in Gardony am Dienstag ausschlafen und bis zum Mittag ausgiebig brunchen. Das fast dreistündige Viertelfinal-Event im Anschluss an eine kraftraubende Corona-Saison war ihnen derart in die lädierten Glieder gefahren, dass sie in der Kabine zur geliebten basslastigen Musik nicht mal mehr zu tanzen vermochten. Dies verriet Stefan Kuntz zur Geisterstunde in einer virtuellen Pressekonferenz, in der er seinen Kader für dessen "ganz besondere Leidenschaft" lobte.

Nach dem Gegentreffer zum 0:1 (69.) waren seine Spieler dem Aus nahe, bis der für den RSC Anderlecht spielende Stürmer Lukas Nmecha in der 88. Minute das erlösende 1:1 erzielte. Per Kopfball vorbereitet hat diesen Treffer nach einer Ecke jener an Darmstadt 98 verliehene FC-Bayern-Spieler Lars Lukas Mai, der erst wenige Tage zuvor nachnominiert und auch erst in der 87. Minute eingewechselt worden war. Fußball ist kein Sport des Zauderns, und Mais spontane Hilfsbereitschaft war von einer solchen Effektivität und Eleganz, dass es der "Dame vom Knigge", wie Stefan Kuntz sie nannte, Tränen der Freude in die Augen getrieben hätte.

Dahmen pariert zwei Elfmeter

Der ebenfalls als Joker eingewechselte Jonathan Burkardt aus Mainz schien sein Team mit seinem sehenswerten 2:1 (100.) dann schon ins Halbfinale geschossen zu haben, als die Dänen doch noch einmal aufbegehrten und per Elfmeter zum 2:2 (108.) ausglichen. Mai hatte sich das Foul zuvor geleistet. Das war zwar ärgerlich, offenbarte aber auch eindrucksvoll, wie die deutschen Spieler immer wieder an beiden Enden des Feldes auftauchten.

Am Ende reihte sich der Mainzer Torwart Dahmen in die Heldenriege ein. Er parierte zwei Elfmeter in exakt jenem Tor, in dem ihm im Gruppenspiel gegen die Niederlande vor zwei Monaten noch ein Patzer widerfahren war, der sein Team damals den Sieg gekostet hatte. Nun konnte sich Dahmen im zweiten Akt dieser wegen Corona zeitlich geteilten EM rehabilitieren. Er erhält nun als Lohn im selben Stadion in Szekesfehervar ein weiteres Spiel gegen die Niederlande. Wie eng es insgesamt bei dieser EM zugeht, zeigte das Viertelfinale, in dem ein Spiel in der Nachspielzeit entschieden wurde, zwei erst in der Verlängerung - und das deutsche gar erst im Elfmeterschießen. Deutschland gegen die Niederlande und Spanien gegen Portugal lauten nun die Halbfinalpartien am Donnerstag, am Sonntag steht das Finale in Ljubljana, Slowenien, an.

Niklas Dorsch kehrt zurück

Wieder mitwirken darf am Donnerstag im deutschen Team der außerordentliche Mittelfeldspieler Niklas Dorsch vom belgischen Klub KAA Gent. Er war gegen Dänemark gelbgesperrt, hatte seine Mitspieler mit der Aussetzung einer attraktiven Belohnung aber zum Sieg motiviert. Um selbst nicht tatenlos nach Ungarn gereist zu sein, hatte er ihnen bei Erreichen des Halbfinals eine Kiste Mineralwasser in Aussicht gestellt. Eine derart tugendhafte und dem Wohlbefinden dienliche Freundlichkeit müsste ihm bei der Knigge-Gesellschaft eigentlich den Titel "Mann des Jahres" einbringen.

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