Heldt-Aus beim 1. FC Köln:Der nächste große Kater

Köln vs. Freiburg 1. FC Köln vs. SC Freiburg, 32. Spieltag, 09.05.2021, 13.30 Uhr, Horst Heldt (1. FC Köln), Bild: *** C

Nicht mehr beim 1. FC Köln: Horst Heldt

(Foto: Herbert Bucco/imago)

Kurz nach der geglückten Relegation muss Sportchef Horst Heldt beim 1. FC Köln gehen. Die Entlassung sorgt auch bei Mitstreitern im Klub für Verwunderung und Unbehagen.

Von Philipp Selldorf, Köln

Die Angaben darüber, wie lange Horst Heldt am Sonntagnachmittag in einem Konferenzraum im Kölner Mediapark vor dem Präsidium des 1. FC die Saison analysiert hat, schwanken je nach Darstellung der Beteiligten. Die einen sagen, es seien anderthalb Stunden gewesen, andere sprechen von zwei Stunden. Vielleicht waren es ja 90 Minuten für die reguläre Saisondauer und 30 Minuten für die Verlängerung, die das tags zuvor erfolgreich ausgefochtene Relegations-Duell mit Holstein Kiel in Anspruch nahm.

Im Grunde ist es aber einerlei, wie lang Heldts Ansprache dauerte, weil der FC-Vorstand seine Entscheidung über den Referenten schon vor dessen Vortrag getroffen hatte. Sie hatten bloß versäumt, ihm das mitzuteilen, und ließen ihn erstmal erzählen.

Heldt hätte reden können wie der große römische Rhetoriker Marcus Tullius Cicero und Theorien entwickeln wie Albert Einstein - es hätte ihm nichts genutzt. Die drei Präsidialen hatten am Vormittag bereits mit all den anderen Herrschaften, die beim 1. FC Köln ehrenamtlich das Sagen haben - und das sind einige - ihr Urteil gefällt. Am Sonntagabend verkündeten sie, die Zusammenarbeit mit dem Sportchef zu beenden: "Wir können mit der Kaderzusammenstellung und der sportlichen Entwicklung der vergangenen Saison nicht zufrieden sein", erklärte Präsident Werner Wolf.

Fürs Erste übernimmt Vorstandsberater Jörg Jakobs die Aufgaben des Managers, assistieren wird ihm der ehemalige Ersatztorwart und Management-Lehrling Thomas Kessler. Jakobs ist zwar auch als Dozent an der Sporthochschule tätig, dennoch könnte es sein, dass die improvisierte sportliche Leitung länger die Verantwortung trägt. Das Präsidium will sich Zeit lassen mit der Auswahl des nächsten Sport-Geschäftsführers, die Vakanz an der wichtigsten Schaltstelle eines Profiklubs scheint sie nicht zu beunruhigen.

Funkel hatte noch Partei für Heldt ergriffen

Heldt erfuhr von seinem Schicksal immerhin noch vor der Pressemitteilung, gleich nach seiner Saison-Bilanz. Überrascht und schockiert war er trotzdem, und mit ihm der gleichfalls anwesende Geschäftsführerkollege Alexander Wehrle, der vor diesem Termin auch nichts Böses geahnt hatte. Schließlich hatte man gerade erst, um Mitternacht aus Kiel heimgekehrt, den Klassenerhalt mit Kölsch begossen.

Wie die FC-Spitzenfunktionäre aber die interne Kommunikation handhaben, und wie sie den Wert von persönlicher Nähe definieren, demonstrierten sie auch beim Umgang mit Retter-Trainer Friedhelm Funkel. Dieser wunderte sich, dass er während seines Sieben-Wochen-Engagements keinen Kontakt zur Klubführung hatte. Woran sich auch nach der Rettung nichts änderte. Präsident Wolf berichtete, Funkel "persönlich per Telefonat begrüßt" und danach Funkstille bevorzugt zu haben - bis nach dem Spiel in Kiel: Da schrieb er dem Trainer eine Handynachricht.

Funkel ahnte aber längst, dass trotz der seltsamen Abwesenheit der Vorstandsleute die Politik im Klub nicht stillstand. Der drohenden Ablösung von Heldt versuchte der Trainer mit mahnenden Worten entgegenzuwirken: "Ich habe das Gefühl, dass beim FC zu viele Menschen, die nicht aus dem Fußball kommen und zu wenig Ahnung haben, im sportlichen Tagesgeschäft mitreden wollen", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Heldt sei für den FC "der richtige Mann". Auch Funkels Nachfolger Steffen Baumgart, den Heldt neulich stolz als neuen Coach präsentiert hatte, bedauerte bereits das Ausscheiden des vertrauten Sportchefs.

Noch etwas deutlicher äußerte sich der verbliebene Geschäftsführer Wehrle. Er hätte gern mit Heldt weitergearbeitet, sagte er, die Kündigung stimme ihn "nachdenklich". Dem seit bald neun Jahren amtierenden, durch Krisen aller Art gehärteten Wehrle sagt die Branche seit Langem nach, er befinde sich auf dem Absprung zu einer neuen Tätigkeit, wahlweise als Finanzvorstand bei seinem alten Klub, dem VfB Stuttgart, oder als (partieller) Nachfolger des Liga-Chefs Christian Seifert. Aber erstmal bleibt er nun doch in Köln. Wobei am Montag auf der Pressekonferenz der FC-Führung nicht klar wurde, ob Wehrles schwäbisches Pflichtgefühl obsiegte oder das Beharren des Klubs auf dem bis 2023 geltenden Vertrag. Wehrle wies darauf hin, der FC befinde sich vor "einer der wohl schwierigsten finanziellen Herausforderungen der Klubhistorie", da könne er sich der Verantwortung nicht entziehen. Auch Wolf prophezeite wegen der Finanzlage zwei "sehr, sehr harte Jahre" - die sicherlich dadurch nicht leichter werden, dass der Klub dem Manager noch geschätzte 1,5 Millionen Abfindung bezahlen muss.

Heldt hat schon den Transfer von Uth in die Wege geleitet

Was Heldt nun bei der Kaderzusammenstellung vorgeworfen wird, das wollte Präsident Wolf nicht erläutern. Eine dramatische Fehlerquote ist mit bloßem Auge allerdings nicht zu erkennen: Ondrej Duda, von Hertha BSC gekommen, bewährte sich als Stammspieler ebenso wie der in Dortmund geliehene Marius Wolf. Sebastian Andersson, der sechs Millionen Euro gekostet hatte, verletzte sich zu Saisonbeginn, kam aber rechtzeitig zurück, um die Tore zum Klassenverbleib zu schießen. Kein Glück brachten die Leihspieler Arokodare und Dennis, und der in Griechenland erworbene Flügelspieler Dimitrios Limnios fiel lediglich als FC-Fan auf der Reservistentribüne positiv auf.

Den nächsten Transfer hatte Heldt schon in die Wege geleitet: Mark Uth, 29, soll aus Schalke 04 zurückkehren. Die Konditionen sind angeblich mit allen Beteiligten verabredet, doch womöglich legt der Vorstand noch ein Veto ein, nachdem Uths Berater Volker Struth, selbst ein Kölner, dem Stadt-Anzeiger seine Meinung über das Verständnis der FC-Funktionäre vom Profifußball verraten hat: "Aus meiner Sicht tanzen die Verantwortlichen des 1. FC Köln im Märchenland."

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