2. Handball-Bundesliga:Näher ans Licht

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Der Handball lässt ihn auch in seinem Winterdomizil auf Mallorca nicht los: Großwallstadts Trainer Michael Roth. (Foto: pmk/Imago)

Die einstige Handballmacht TV Großwallstadt steht sportlich zwar nur im Zweitligamittelfeld, stellt sich nun aber strukturell neu auf: Der Klub will wieder mehr gesehen werden - und orientiert sich auch deshalb in Richtung Metropolregion Frankfurt.

Von Sebastian Leisgang

Einen wie Michael Roth begleitet der Handball auch dann, wenn gerade Winterpause ist. Der Trainer des TV Großwallstadt sitzt in seinem Apartment auf Mallorca und spricht davon, dass es sich jedes Mal anfühle, wie nach Hause zu kommen. Wenn er ein paar freie Tage hat, zieht es ihn immer wieder auf die Insel, um sich eine Auszeit zu genehmigen, doch dieses Mal bleibt ihm die Winterpause nur in einem anderen Sinne: Roth, 61, nimmt sich eine Pause vom Winter, der Handball lässt ihn aber auch auf Mallorca nicht los: Analysen, Vorbereitungspläne für den Sommer, Spielergespräche - und dann wäre da ja auch noch dieses eine Thema, das über das Spielfeld hinausreicht.

"Die Basis ist das Sportliche", sagt Roth, "die Leute kommen gerne zum TVG, wenn wir attraktiven und erfolgreichen Handball spielen. Das ist das Entscheidende. Und dann ist es die Aufgabe des Vereins, sich sichtbar zu machen."

Darum geht es dem Zweitligisten jetzt: gesehen zu werden, Menschen abzuholen, über den Untermain hinaus zu wirken. Es ist mittlerweile zwar schon gut zehn Jahre her, dass der TVG zuletzt in der Bundesliga gespielt hat, und die ganz großen Zeiten liegen noch länger zurück, doch die Kraft, mit der der Klub einst gestrahlt hat, ist bis heute zu spüren. Großwallstadt, das ist ja immer noch ein äußerst klangvoller Name - und weil es im Rhein-Main-Gebiet weder einen Erst- noch einen Zweitligisten gibt, hat es sich der Verein nun zur Aufgabe gemacht, diesen Raum auszufüllen.

Ende April zieht der TVG für ein Spiel nach Frankfurt um - und bereitet sich damit selbst die große Bühne

Eine Nachfrage bei Michael Spatz, der den TVG jahrelang als Rechtsaußen geprägt hat und ihn mittlerweile als Geschäftsführer lenkt. Was ist der Plan? "Großwallstadt ist und bleibt unsere Heimat", sagt Spatz, "aber allein durch die geografische Nähe macht es Sinn, dass wir uns in der Rhein-Main-Metropole präsentieren". Deshalb zieht der TVG Ende April, wenn es gegen die GWD Minden geht, für ein Spiel nach Frankfurt um und bereitet sich damit selbst die große Bühne. "Wir wollen die Leute wieder mobilisieren", sagt Spatz, "Frankfurt ist die größte Stadt, die kein EM-Standort ist. Handball ist da gar nicht mehr präsent". Und das will der TVG ändern.

Bis dahin, so lautet der Plan, soll sich die Mannschaft in der oberen Hälfte der Tabelle festigen. "Auf Platz neun zu überwintern, ist ein ordentliches Ergebnis", sagt Roth, "wir stehen da, wo wir auch hinwollten. Wenn man dann noch sieht, dass wir personell an Grenzen gekommen sind, muss man wirklich sagen, dass wir uns super gehalten haben."

Kehrt in der kommenden Saison für drei Jahre nach Großwallstadt zurück: Dresdens Nils Kretschmer, hier kurz vor Weihnachten im Angriff gegen Bayer Dormagen. (Foto: Matthias Rietschel/Imago)

Es ist ja tatsächlich eine ziemlich turbulente erste Saisonhälfte, auf die Großwallstadt zurückschaut. Die zwei Ausnahmespieler Finn Wullenweber und Adrian Kammlodt fielen wochenlang aus, Ende November verletzte sich in Stefan Salger auch noch ein dritter Rückraumspieler. Und als Mitte Dezember das Auswärtsspiel beim Tabellenletzten EHV Aue anstand, nahm eine Krankheitswelle die Mannschaft derart mit, dass sie gar nicht erst antreten konnte.

Wie angespannt die Lage war, wird schon daran deutlich, dass selbst Spatz, 41, der als Geschäftsführer eher am Schreibtisch zu finden ist, noch mal auf dem Parkett stand und damit ein zweites Mal nach seinem Karriereende 2020 ein Kurzzeit-Comeback gab. Die Phase sei "sehr anstrengend" gewesen, sagt Roth: "Wir sind auch im Training überhaupt nicht weitergekommen, weil wir nur darauf achten mussten, dass die Spieler, die sowieso schon so viel spielen, nicht überbelastet werden. Aber wie die Mannschaft mit der Situation umgegangen ist, spricht für ihre Moral und die Flexibilität."

Nun richtet sich der TVG für die nahe und ferne Zukunft aus. Der Rückraumlinke Wullenweber hat seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert, und schon jetzt steht fest, dass Nils Kretschmer vom HC Elbflorenz in der kommenden Saison zurückkehren wird. Der größte Erfolg des 30-Jährigen war der Sieg im EHF-Pokal mit den Rhein-Neckar Löwen 2013; beim TVG hat Kretschmer für drei Jahre unterschrieben. Mitte Januar bittet Roth seine Spieler zum Trainingsauftakt, Mitte Februar steht dann das erste Pflichtspiel gegen Bietigheim an - und im Hintergrund entwickeln die Verantwortlichen Ideen, um den Klub nicht nur am Untermain ins Schaufenster zu stellen. Der TVG will seinen Blick ja weiten. Vielleicht nicht bis nach Mallorca - aber zumindest bis Frankfurt.

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