Türkgücü München:Gemeinsames Süppchen

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Der neue Türkgücü-Trainer Andreas Heraf will mit einer kompakten Defensive den Klassenverbleib schaffen. Abzuwarten bleibt, ob er seine Vorstellung von einem ausbalancierten Kader dauerhaft durchsetzen kann.

Von Christoph Leischwitz

Im vergangenen Herbst litt Andreas Heraf unter einer Stimmbandentzündung - Sprechverbot. Für einen Fußballtrainer ein ziemlicher Alptraum, und für den 54-jährigen Österreicher sowieso. Heraf gilt nämlich als ziemlich direkter, kommunikativer, lauter Vertreter seiner Zunft, und auf die Frage, ob man ihn denn künftig bei den Heimspielen des Drittligisten im weitläufigen Olympiastadion gut hören werde, antwortet Heraf: "Ja, Sie werden mich hören." Die Spieler freilich wissen das jetzt schon. Die Mannschaft trainiert zurzeit an der Sportschule Oberhaching, weil die eigene Heimat, die Bezirkssportanlage an der Münchner Heinrich-Wieland-Straße, im Winter oft witterungsbedingt gemieden wird. Und aus Oberhaching ist zu hören, dass Heraf seinem Ruf in Schallgeschwindigkeit vorauseilt: Laut und harsch soll es zugegangen sein. Aber für Schönwetterfußball wurde er ja auch nicht geholt. Er soll Türkgücü vor dem Abstieg bewahren. Einen Verein, der im Jahr 2021 in der Tabelle stetig tiefer sank, während mehrere Trainer sich an ihm abarbeiteten.

Herafs erster Eindruck: "Die Mannschaft hat sich als Mannschaft präsentiert", sagt er nach der Rückkehr aus dem Trainingslager im türkischen Belek. Dort hatte Türkgücü, auch aufgrund der oben genannten Gründe, überdurchschnittlich viel Zeit verbracht, vom 2. bis 11. Januar. Am kommenden Wochenende nimmt die dritte Fußball-Liga wieder den Spielbetrieb auf, Herafs Rettungsaktion des Sechzehnten beginnt mit einem Auswärtsspiel beim Fast-Tabellennachbarn Hallescher FC (Samstag, 14 Uhr). "Halle hat einen neuen Trainer, das macht's ein wenig schwieriger", sagt Heraf über die Vorbereitung. Halles Trainer heißt André Meyer und wurde fast zeitgleich mit Heraf verpflichtet, zu Beginn der kurzen Winterpause.

Umgekehrt scheint es recht erwartbar, was auf Halle zukommt. "Schon klar, eine kompakte Defensive ist mir wichtig", sagt der Neue bei Türkgücü, er verfolge einen "klaren Plan". Den österreichischen Erstligisten SV Ried hat er im vergangenen Jahr erfolgreich aus der Abstiegszone geführt, in seinen ersten acht Partien kassierte die Mannschaft lediglich sechs Gegentore. Außerdem hat Heraf auf eigenen Wunsch auch Goran Djuricin, einen "guten Freund" (Heraf), als Co-Trainer mit nach München gebracht. So viel Erfahrung hatten sie bei Türkgücü schon lange nicht mehr an der Seitenlinie. Allerdings wird am Samstag höchstwahrscheinlich ein sehr erfahrener Spieler auf dem Platz fehlen: Kapitän und Abwehrchef Mergim Mavraj wurde aufgrund eines positiven Corona-Tests von der Mannschaft isoliert.

Die Verabschiedung mehrerer Spieler in jedem Transferfenster hat fast schon Tradition

Auf seine klaren Ansagen angesprochen sagt Heraf: "Es wird nicht funktionieren, wenn der eine oder andere sein eigenes Süppchen kocht." Alleingänge dürfe es nicht geben. Wobei Alleingänge eigentlich nicht das Problem waren zuletzt, sondern eher mangelnde Einsatzbereitschaft und individuelle Fehler aufgrund kollektiver Verunsicherung. Natürlich helfe es auch, wenn der Kader etwas kleiner werde, denn es sei nicht förderlich für die Stimmung, wenn man Spieler immer wieder auf die Bank oder gar auf die Tribüne setzen müsse. Und so beginnt nun bei Türkgücü, was eigentlich fast schon Tradition hat: die Verabschiedung mehrerer Spieler in jedem Transferfenster.

Marco Kehl-Gomez und Sebastian Hertner stehen bereits als Weggänge fest, weitere dürften folgen. Zumal Heraf auch sagt: "Dass ich den einen oder anderen noch gerne hätte, ist kein Geheimnis." Offen bleibt erst einmal, ob nach dem üblichen Kommen und Gehen bei Türkgücü der Trainer seine Vorstellung von einem ausbalancierten Kader dauerhaft durchsetzen kann - bislang ist das noch niemandem gelungen, seitdem Hasan Kivran 2015 Präsident ist. Immerhin: In Sebastian Maier hat sich Heraf nun für einen Spieler stark gemacht, der dem Vernehmen nach schon auf der Abschiedsliste bei Türkgücü stand: "Er ist ein hervorragender Spieler", sagt Heraf, der Offensivakteur habe nach langer Verletzungspause eine Chance "verdient aufgrund seines Ehrgeizes".

Nächste Woche wartet dann auf den in Salzburg lebenden Heraf eine ganz besondere Aufgabe: Das Derby gegen den TSV 1860 München steht an. Aber nein, seine Mannschaft habe dieses Spiel sicher jetzt noch nicht im Kopf, dafür seien alle Profis genug, um sich auf das nächste Spiel zu konzentrieren. Ohnehin sagt Heraf viele Dinge, die seine Vorgänger auch schon sagten: dass die Stimmung gut sei im Team, dass alle mitzögen und lernwillig seien. Er sagt aber auch, dass selbst das lange Trainingslager fast noch zu kurz gewesen sei, um alles einstudieren zu können, was man einstudieren möchte. Bezüglich der Zukunft Türkgücüs wird viel davon abhängen, wie kompakt die Mannschaft in den ersten Partien wirklich schon steht.

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