Türkgücü München:Ein Trainer für Ergebnissport

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Bewegte Karriere: Zuletzt war Andreas Heraf Trainer des österreichischen Erstligisten SV Ried. Davor musste er als sportlicher Leiter des neuseeländischen Fußballverbands wegen Fehlverhaltens gegenüber Nationalspielerinnen zurücktreten. Heraf sprach von einer Verschwörung. (Foto: Groder /Eibner Europa/Imago)

Andreas Heraf soll zusammen mit Assistent Goran Djuricin den Münchner Fußball-Drittligisten vor dem Abstieg bewahren - erwartet wird ein abwehrorientierter Spielstil.

Von Christoph Leischwitz

Vor zehn Tagen hatte Max Kothny einen kleinen Sinneswandel vollzogen. Der Geschäftsführer von Türkgücü München sprach plötzlich nicht mehr davon, dass der neue Trainer die dritte Liga kennen müsse. Er müsse sich vielmehr mit Abstiegskampf auskennen, und das könne ja auch "Abstiegskampf im Ausland bedeuten". Andreas Heraf schien zu diesem Zeitpunkt bereits gute Karten zu haben für den neuen Job, offiziell war er einer von zwei verbliebenen Kandidaten. Am Montag nun wurde der 54-jährige Österreicher offiziell vorgestellt.

Nachdem Türkgücü zunächst keinen einzigen geeigneten Uefa-Lizenztrainer gefunden hatte - eine Geldstrafe des DFB wegen Verstoßes gegen die Statuten steht noch aus -, sind es nun gleich zwei, quasi Nummer fünf und sechs in 2021: Der Heraf-Vertraute Goran Djuricin, 47, wird als Co-Trainer verpflichtet, er hat immerhin 2018 Rapid Wien in der Europa League trainiert. Die beiden kennen sich aus gemeinsamen Zeiten im Nachwuchs des österreichischen Verbandes, wo Heraf über neun Jahre verschiedene Teams in WM- und EM-Endrunden geführt hat.

Ein Spiel, das einfach nur zu Punkten führt, verstärkter Fokus auf die Defensive, dazu mehr lange Bälle als brotloses Kombinationsspiel: Das alles hatte Kothny in der Halbzeit des letzten Spiels im Kalenderjahr 2020 gegen den SC Verl gefordert (2:2) und damit schon überdeutlich den Boden für Heraf bereitet. Aus dessen Zeit beim Österreichischen Fußball-Bund ist bekannt, dass der gebürtige Wiener seiner Mannschaft gerne einmal ein lautes "Festung" zuschrie - dann wurde die Abwehr zum Bollwerk. "Das große Ziel ist es, gemeinsam da unten rauszukommen", sagt Heraf in seinem Eingangs-Statement über seine Arbeit beim Tabellen-Sechzehnten. Angesprochen auf seinen Spielstil teilt er nur mit: "Bundesligafußball ist Leistungssport. Und Leistungssport ist Ergebnissport."

Andreas Heraf hat eine ähnlich schillernde Trainer-Vita wie sein Vorgänger Peter Hyballa

Abstiegskampf kennt Heraf tatsächlich, wenngleich auch nur von seiner bisher letzten Station, dem österreichischen Erstligisten SV Ried. Dort habe er das Team "in genau derselben Situation nach oben gebracht". Trotzdem schien es eine verworrene Zeit zu sein in Oberösterreich: Kurz war Heraf dort schon einmal Interimstrainer gewesen, dann wurde er Co-Trainer, um nur zehn Tage später zum Cheftrainer aufzusteigen. In dieser Funktion verblieb er aber nur für 21 Pflichtspiele, bis zum vergangenen November. Und seine Station davor, als sportlicher Leiter beim Fußballverband Neuseelands, endete im Streit. Es war zu lesen, Heraf habe Spielerinnen der Frauen-Nationalmannschaft gegängelt oder gar gemobbt. Nach seinem Rücktritt entschuldigte sich der Verband für die "Dinge, die vorgefallen sind", Heraf sprach von einer "groß angelegten Verschwörung" gegen ihn. Dies wiederum erinnert an seinen Türkgücü-Vorgänger Peter Hyballa, der in Dänemark nach nur wenigen Wochen beim Zweitligisten Esbjerg fB viele Spieler gegen sich aufgebracht hatte und die meisten Vorwürfe bestritt.

Als Hyballa Ende November gehen musste und der allseits beliebte Interimscoach Alper Kayabunar übernahm, da beschwor Geschäftsführer Kothny neue Geschlossenheit und den Drang, der sportlichen Krisenzeit mit einem neuen Gemeinschaftsdenken zu begegnen. Davon scheint nicht mehr viel übrig zu sein, obwohl es bis vor Kurzem hieß, dass sich am Kader wenig ändere. Nun wolle man sich doch von einigen Spielern trennen, sagt Kothny, nach SZ-Informationen gehören dazu Akteure wie der lange verletzte Sebastian Maier oder der weitgehend erfolglose Angreifer Törles Knöll, die den Verein viel kosten. Sogar der zweitligaerfahrene Albion Vrenezi soll zuletzt nicht mehr uneingeschränkte Begeisterung bei der Vereinsführung entfacht haben. Andererseits seien "ein, zwei Verstärkungen" geplant, so Kothny.

Die Aufgaben des neuen Trainerduos sind klar umrissen: Im Training soll nun wieder ein vergleichsweise hartes Regiment geführt werden. Der im September entlassene Petr Ruman, mittlerweile übrigens zur zweiten Mannschaft von Greuther Fürth zurückgekehrt, soll Autoritätsprobleme mit dem Team gehabt haben. Hyballas Stil wiederum sei auch von Leistungsträgern nicht akzeptiert worden. Spielmacher Sercan Sararer jedenfalls spielte nach dessen Beurlaubung schlagartig engagierter. Auf dem Platz wird nun "harte Arbeit" erwartet (Heraf), mit einem klaren Fokus auf die Abwehrarbeit und dem Vertrauen in die individuellen Fähigkeiten der Offensivspieler. Diese Arbeit beginnt am 2. Januar im Trainingslager im türkischen Belek.

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