Tischtennis:Bereit für die letzte Mission

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Dimitrij Ovtcharov würde gerne über die Saison hinaus für Neu-Ulm spielen. (Foto: Hafner/Nordphoto/Imago)

Der aus der Bundesliga ausgestiegene TTC Neu-Ulm darf im kommenden Jahr nicht mehr in der Champions League antreten. Aktuell gilt das Team um Dimitrij Ovtcharov dort noch als Favorit - und will sich unbedingt mit dem Titel verabschieden.

Von Andreas Liebmann, Neu-Ulm

Als das Publikum sich für die Nationalhymnen erhob, hatte sich die schlechte Nachricht in der Halle längst herumgesprochen. "Keine Angst, ich singe nicht selber", scherzte Dominic Gebauer noch, ein Radiomoderator, der bei den Heimspielen des TTC Neu-Ulm den Einpeitscher gibt. Er war um Fröhlichkeit bemüht, es war ja trotz allem ein besonderer Abend. Allzu viele Heimspiele bietet eine Champions-League-Saison im Tischtennis nicht. Genau zwei sind es im Falle des TTC Neu-Ulm, der als einer der Favoriten die erste Gruppenphase hatte aussetzen dürfen. Am Sonntag war der HB Ostrov zu Gast, weshalb nun die tschechische Hymne erklang, in vier Wochen wird der polnische Klub Dartom Bogoria Grodzisk Mazowiecki erwartet. Und dann? Kann es nicht mehr lange dauern, bis der streitbare Verein um Spitzenspieler Dimitrij Ovtcharov Geschichte ist.

Das, was der Verbandstag des Deutschen Tischtennis-Bunds (DTTB) am Sonntagvormittag in Frankfurt beschlossen hat, läuft zumindest genau darauf hinaus. Ohne Debatte war der Antrag Nummer 34 zur Bundesspielordnung mit großer Mehrheit angenommen worden, der besagt, dass der DTTB künftig nur noch Vereine für europäische Klubwettbewerbe anmelden dürfe, die der TTBL oder einer anderen deutschen Bundesliga angehören. Heißt übersetzt: Der TTC Neu-Ulm ist dann draußen. Denn der nimmt zurzeit an der Champions League teil, obwohl er sich im Sommer im Streit aus dem nationalen Ligabetrieb verabschiedet hatte - ein Novum, das es in dieser Form kein zweites Mal geben soll.

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Irgendwie passte es nun am Königsklassenabend nahe Neu-Ulm, dass anstelle der deutschen Nationalhymne - ein technischer Fauxpas - andere Musik aus den Boxen quoll, und es passte ebenso gut, dass der Einpeitscher Gebauer nach kurzem Zögern tatsächlich begann, die Hymne zu singen, gar nicht mal schlecht und unterstützt von den Rängen. Sie ziehen ihr Ding eben durch in diesem bayerischen Verein an der Grenze zu Baden-Württemberg.

Überrascht war von der Nachricht aus Frankfurt niemand. "Die Entscheidung ist lange vorbereitet worden", sagte Ovtcharov, "klar, dass sie durchkommt." Vereinschef Florian Ebner sah es ähnlich. Wenngleich der DTTB seit dem Wochenende einen neuen Präsidenten hat - für die aus gesundheitlichen Gründen scheidende Claudia Herweg wurde Andreas Hain gewählt, Hessens Landesverbandschef und Manager des Frauen-Serienmeisters TTC Berlin Eastside -, kommentierte Ebner den Beschluss mit den Worten: "Davon war auszugehen." Und fügte an: "Irgendwann müssen wir akzeptieren, dass sie uns nicht mehr haben wollen."

Deutschland wehrt sich gegen doppelte Spielberechtigungen - ein Ausdruck hiesiger Vereinskultur

Der Verleger Ebner hat den TTC Neu-Ulm 2019 aus dem Nichts heraus gegründet und mit einer Wildcard für die TTBL ausgestattet. Im Januar 2023 gewann der Verein den deutschen Pokal, beim Final Four in der großen Neu-Ulmer Arena. Finalgegner war Borussia Düsseldorf. Es war der Höhepunkt in der jungen Geschichte dieses Klubs - und zugleich der Anfang vom Ende. Denn zwei seiner Profis, der Schwede Truls Moregardh und Lin Yun-ju aus Taiwan, schlossen sich kurz danach mit Ebners Segen Klubs im Ausland an- im Wissen, dass dies den Vertragsbedingungen der TTBL widersprach.

Die Profiliga sanktionierte das hart, verhängte Geldstrafen à 10 000 Euro und je zehn Spiele Sperre für die Folgesaison, vor allem mit der Begründung, dass der Regelbruch vorsätzlich gewesen sei und bei fristgerechtem Klubwechsel zur Rückrunde beide Profis im Pokalfinale gefehlt hätten. Als ein Schiedsgericht die langen Sperren wegen vertraglicher Mängel aufhob, hatte sich der TTC längst aus der TTBL abgemeldet.

Die meisten großen Ligen im Ausland erlauben doppelte Spielberechtigungen, die TTBL dagegen setzt um, was im gesamten DTTB gilt: dass man nicht gleichzeitig für einen deutschen und einen ausländischen Klub antreten darf. Es ist ein Ausdruck deutscher Vereinskultur, an der TTBL und DTTB seit Jahren festhalten - und für den Ovtcharov zwar ein Grundverständnis hat, der seiner Ansicht nach aber eher zum Fußball passt als zum Tischtennis, wo Profis vor allem von Weltcup zu Weltcup reisen. Für ihn und seine Mitspieler sei die Entwicklung jedenfalls "extrem schade", sie hätten gerne in Neu-Ulm gespielt.

Lin kann am Final Four nicht teilnehmen - das schmälert die Erfolgsaussichten

In der Champions League haben sie nun zumindest eine letzte Mission. Dort waren Lin und Moregardh immer spielberechtigt. Neben dem jungen Russen Maxim Grebnew hat der TTC den mehrmaligen Afrikameister Quadri Aruna verpflichtet, und Ovtcharov benennt klar das Ziel des Projekts: "Wir wollen den Titel." Im zweiten Anlauf mit einer Starbesetzung, nach dem knappen Halbfinal-Aus im Vorjahr gegen Düsseldorf. Alle vier Halbfinalisten kamen damals aus Deutschland, der 1. FC Saarbrücken holte sich den Titel, weshalb er der Gastgeber sein wird für das Final-Four-Turnier über Ostern, das ein neuer Modus diesmal vorsieht. Diesmal will dort der TTC triumphieren.

Der Gruppensieg sollte in jedem Fall machbar sein. Nach dem 3:0-Erfolg beim unbequemen HB Ostrov wenige Tage zuvor gewannen Ovtcharov, der Künstler Moregardh und Aruna am Sonntag auch das Rückspiel 3:0. Der Olympiadritte Ovtcharov lobte den Kampfgeist der Gegner und ihrer lautstarken Fans. Auswärts waren sie vor 1200 euphorischen Zuschauern angetreten, das Heimspiel im nahen Pfaffenhofen an der Roth verfolgten in einer kleinen Halle etwa 250 Fans. Für zwei Spiele, so Ebner, habe er nicht groß Werbung gemacht.

Und noch eine schlechte Nachricht: Der Weltranglistensechste Lin, der kürzlich das WTT-Champions-Turnier in Frankfurt gegen Ma Long gewonnen hatte, musste die Partie gegen Ostrov wegen Handgelenkschmerzen absagen. Damit kann er die Mindesteinsätze fürs Final Four nicht erreichen. "Mit ihm wären wir der Favorit gewesen", bedauerte Ovtcharov den Ausfall, "so sind wir nur eins von drei Teams auf ähnlichem Niveau."

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