Tischtennis-Bundesliga:Sperren gegen Neu-Ulms Spieler aufgehoben

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Wiedersehen in der Champions League: das Team des TTC Neu-Ulm (von links Lin Yun-ju, Trainer Dmitrij Mazunov, Truls Moregardh und Dimitrij Ovtcharov) nach dem Sieg im Pokalfinale. (Foto: Lau/Eibner/Imago)

Ein Schiedsgericht hat die Strafen der TTBL gegen zwei Profis des Ovtcharov-Klubs TTC Neu-Ulm bestätigt, die Sperren wegen unerlaubter Einsätze in anderen Ligen aber einkassiert. Für den Klub, der nur noch in der Champions League antritt, hat das keine Auswirkungen mehr - der Streit mit der Liga aber geht weiter.

Von Andreas Liebmann

Die Welt des Tischtennis ist für Außenstehende oft schwer zu durchschauen. All die kniffligen Rotationen, die so gar nichts mit dem gemeinsam haben, was man von der Steinplatte im Freibad kennt, all die Automatismen, die es möglich machen, auch mal unterhalb der menschlichen Reaktionszeit zu reagieren. Und dann dieser Mix aus Team- und Individualsport, Turnieren und Ligen - und Profis, die zwischen Weltcups und WM oft für Klubs in mehreren Ländern gleichzeitig spielen, um Geld zu verdienen. Es sei denn, einer davon ist in Deutschland - denn das ist dann nicht erlaubt.

Genau um Letzteres drehte sich im Kern jene Affäre rund um den TTC Neu-Ulm, die die Tischtennis-Bundesliga (TTBL) im Februar dieses Jahres in Aufruhr versetzt hat. Sie ist seit Freitag richterlich entschieden. Beide Parteien bekamen ein bisschen recht. "Endlich ist ein Urteil gesprochen", sagte Florian Ebner in einer ersten Reaktion. Dabei war lange vor dem Richterspruch klar, dass dieses mit Spannung erwartete Urteil weder für den TTC Neu-Ulm noch für dessen Klubchef von elementarer Bedeutung sein könnte. Schon deshalb, weil es damit so lange gedauert hatte, dass der Verein sich inzwischen längst aus der TTBL zurückgezogen hat als Folge seines Disputs mit der Liga, weshalb er nun nur noch rhetorisch, aber nicht mehr faktisch auf das Urteil reagieren kann. Die Rhetorik hatte es aber trotzdem in sich - doch der Reihe nach.

Vor der zurückliegenden Saison hatte sich der Verleger Ebner ein Topteam um den deutschen Star Dimitrij Ovtcharov geholt, die Gelegenheit war günstig nach dem Ausschluss russischer Vereine. Er versammelte ein Weltklasseensemble mit dem Schweden Truls Moregardh, dem Taiwanesen Lin Yun-ju und dem Japaner Tomokazu Harimoto - mit zwei Zielen: die Champions League zu gewinnen und den deutschen Pokal, dessen Final Four seit Jahren in Neu-Ulm stattfindet.

Den bewussten Regelbruch bestreitet in Neu-Ulm niemand

Von hier an wird es etwas kompliziert, denn Harimoto - das ist erlaubt - war nur für die internationalen Auftritte lizenziert. Die anderen drei auch für Meisterschaft und Pokal. Weil man für das Pokal-Final-Four aber eine gewisse Anzahl an nationalen Einsätzen vorweisen muss - ein Mechanismus, der verhindern soll, dass Titel allzu einfach zusammengekauft werden können -, setzte Ebner sein Trio auf TTBL-Ebene nur so oft ein, wie dies erforderlich war. Aus dieser Strategie hatte der Klubboss nie ein Geheimnis gemacht, der Lohn war der Pokalsieg.

Das weitere Vorgehen des Klubs hingegen war durchaus überraschend, denn sobald dieser Titel gesichert war, begannen Moregardh und Lin mit dem Segen aus Neu-Ulm, in anderen Ligen zu spielen. Ein bewusster Regelbruch, das gibt auch Ebner unumwunden zu, denn wer in der TTBL antritt, darf während der laufenden Saison keine anderen Klub-Engagements ausüben - und die Wechselfrist zur Rückrunde war verstrichen. Die TTBL verhängte je 10 000 Euro Vertragsstrafe und jeweils eine Sperre für zehn Partien der Folgesaison.

Auch Ebner kam als Außenstehender zum Tischtennis, als er vor viereinhalb Jahren diesen Verein gegründet und mit einer Wildcard gleich in die erste Liga geschickt hatte, er hat sich aber ganz gut in die Materie hineingearbeitet. Das von ihm angerufene Ständige Schiedsgericht für Lizenzspieler hat nun zwar die Geldstrafen für rechtens erklärt, auch unter Betonung des vorsätzlichen Regelbruchs; es gab aber auch dem TTC Neu-Ulm recht, wenigstens aus formalen Gründen, weil aus der englischen Fassung der Lizenzverträge zwischen Spielern und TTBL nicht eindeutig hervorgehe, dass bei Vertragsbruch auch Strafen für die Folgesaison möglich wären. Daher hob sie die Sperren auf.

Klubchef Ebner erneuert seine Vorwürfe gegen Düsseldorfs Manager Andreas Preuß

Bestätigt sehen sich nun beide Parteien. Die TTBL, weil das Schiedsgericht unter Vorsitz des ehemaligen Handball-Nationaltorhüters Andreas Thiel Neu-Ulms vorsätzlichen Regelverstoß beanstandet hat, und der TTC, weil er richtig damit lag, dass die aktuellen Verträge die verhängten Sperren nicht hergaben. Die Liga habe sich "in höchster Deutlichkeit blamiert", findet Ebner. Die TTBL wiederum glaubt, sie habe durch ihr entschiedenes Vorgehen "solche planmäßig begangene Regelbrüche für die Zukunft verhindert" - und sichert zu, die "vertraglichen Grundlagen einer juristischen Revision zu unterziehen".

Ausgestanden ist die Causa damit nicht. In der neuen Saison tritt der TTC einzig in der Champions League an, in der er in der vergangenen Saison im Halbfinale gegen Düsseldorf verloren hatte. Neben Ovtcharov stehen auch Lin, Moregardh, Harimoto und Quadri Aruna im Kader, ein titeltaugliches Team. Auf deren Vereinsaktivitäten hat die unabhängige Champions League keinerlei Auswirkung. Der Deutsche Tischtennis-Bund hat angekündigt, seine Regularien im Herbst so anpassen zu wollen, dass er künftig ausschließlich TTBL-Klubs für die Champions League melden kann. Ebner sagt, dem sehe er "entspannt und gelassen entgegen".

Allerdings erneuert der Klubchef nun auch seine Vorwürfe gegen Andreas Preuß, den Manager des deutschen Rekordmeisters Borussia Düsseldorf, der zugleich dem TTBL-Aufsichtsrat vorsitzt. Die Liga, so behauptet Ebner, lasse sich von Preuß zu Düsseldorfer Gunsten "instrumentalisieren". Auch Ovtcharov hatte im Frühjahr einen ähnlichen Vorwurf formuliert und sich später dafür entschuldigt. Ebner führt nun unter anderem den Fall Kamal Achanta an. Der indische Weltklassespieler war in der Saison 2021/22 während eines coronabedingten Personalengpasses als "unbezahlter Amateurspieler" für Düsseldorf eingesprungen und trotz folgender Einsätze im Ausland straffrei davongekommen - ein in der Tat erstaunlicher Fall. TTBL-Geschäftsführer Nico Stehle verweist auf die nicht vergleichbare Motivlage: Einmal mehr betont er, dass Neu-Ulm eine Regel planmäßig zum eigenen Vorteil gebrochen habe, an der alle TTBL-Klubs seit Gründung der Liga eisern festhalten zur Wahrung der Wettbewerbsintegrität und des Stellenwerts ihrer Liga. Das habe den Fall Neu-Ulm im Gegensatz zum Fall Achanta zu einem "gefährlichen Präzedenzfall" gemacht.

Dimitrij Ovtcharov empfindet es als kleine Genugtuung, dass "die ungerechtfertigt langen Sperren zurückgenommen wurden", auch für den Ruf seiner Kollegen, schließlich zählten Moregardh und Lin zu den bekanntesten Sportlern ihrer Länder. Der Tischtennissport, findet er, habe in dieser Sache trotzdem verloren, denn "wir wären gerne in der Liga geblieben". In den meisten anderen Ländern bestehen die Ligen nicht auf solche exklusiven Verträge. Ovtcharov hat vor Kurzem ein Engagement für Olympiakos Piräus bekannt gegeben.

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