TSV 1860 München:Klopps Ex-Chef muss retten, was Power angerichtet hat

Lesezeit: 3 min

Einst vereint beim FC Liverpool: Jürgen Klopp (links) und Ian Ayre. (Foto: Action Plus/imago)
  • Schon während der Rückrunde kommt Ian Ayre vom großen FC Liverpool zu 1860 München um den Geschäftsführerposten zu übernehmen.
  • Der derzeitige Geschäftsführer Anthony Power hat einen erstaunlichen Scherbenhaufen erzeugt - zuletzt mit dem Hausverbot für einen bekannten Fan.
  • Ayre sagt zum Einstand: "Wenn nur die Größe zählen würde, wäre der Elefant und nicht der Löwe König der Tiere."

Von Markus Schäflein, München

Dass jetzt alles schneller als erwartet ging mit Ian Ayre, das trifft sich gut für den TSV 1860 München. Unter dem bisherigen Geschäftsführer Anthony Power, der das Amt vor zehn Wochen als Vertrauter des jordanischen Investors Hasan Ismaik übernommen hatte, war die Lage in Giesing schließlich an allen Ecken und Enden eskaliert. Am Freitag gab 1860 bekannt, dass der gelernte Maschinenbauingenieur "in naher Zukunft" durch einen Mann abgelöst wird, der zuletzt Vorstandsvorsitzender beim großen FC Liverpool und dort insgesamt zehn Jahre in unterschiedlichen Funktionen tätig war. Dass tatsächlich jener Ian Ayre, 53, nach Giesing kommt, zum Zweitligisten mit Champions-League-Attitüde, der am Freitag 1:2 in Bielefeld verlor (), ist schon so lange bekannt, dass man sich kaum noch darüber wundert. Der englandaffine und von Londoner Fußball-Geschäftsleuten beratene Ismaik hatte den ungewöhnlichen Transfer vorbereitet - die Frage bleibt, was Ayre zum Abschied aus der Premier League bewog. Und was er sich in der zweiten Liga erhofft. Verblüffend ist auch der frühe Zeitpunkt der Umsetzung - möglicherweise eine Reaktion darauf, dass es in München drunter und drüber ging. Ayre löste seinen bis Mai laufenden Vertrag in Liverpool vorzeitig.

"Wir haben ein klares langfristiges Ziel vor Augen: die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga. Dafür brauchen wir handelnde Personen, die von der Persönlichkeit und ihren Fähigkeiten zu uns passen", erklärte Ismaik. "Wir sind zuversichtlich, dass uns seine langjährige Erfahrung in der Fußball-Weltspitze helfen wird." Liverpool dankte Ayre zum Abschied. Er habe den Klub "modernisiert und stabilisiert, finanziell, wirtschaftlich und strukturell komplett neu aufgestellt", hieß es in einer Mitteilung.

Ähnliches erhofft sich Ismaik nun beim TSV 1860 von ihm. In der Tat hat Ayre in Liverpool einiges bewegt. Im Juli 2010 zog er als Marketingdirektor einen der lukrativsten Trikotwerbeverträge im Weltfußball an Land. Die Standard Chartered Bank zahlt noch bis 2019 jährlich 35 Millionen Euro für den besten Platz auf den Trikots. Zuletzt verantwortete Ayre auch das Sportliche, etwa 2015 den Umzug von Trainer Jürgen Klopp aus Dortmund an die Anfield Road. Er zog sich allerdings auch den Unmut der Fans zu, nicht nur wegen gelegentlicher Debatten über seine Spielertransfers: Eine bereits beschlossene Erhöhung der Ticketpreise nahm Ayre wegen Protestaktionen von Zehntausenden Anhängern wieder zurück. Er musste sich öffentlich entschuldigen, und in England wird spekuliert, dass ihn dieser Vorfall zum Abschied aus Liverpool bewogen haben könnte.

Was ihn bei den Münchner Löwen erwartet, scheint Ayre schon zu wissen. "Erfolg kommt nur dann zustande, wenn alle an einem Strang ziehen und mit einer Stimme sprechen - auf und neben dem Spielfeld", erklärte er. "Es wird mein Job sein, dass genau dies eintritt." Ein überaus schwerer Job in einem verkauften Traditionsverein, der ob Ismaiks Wirken tief gespalten ist. Der TSV 1860 gehöre "per Datum heute weder zu den größten noch zu den besten Vereinen in Deutschland, aber es gibt ein großes Potenzial zur Verbesserung dieses Zustands", erkannte Ayre, der selbstredend wusste, dass ein Bonmot zum Einstand nicht schaden kann. Also sprach er: "Wenn nur die Größe zählen würde, wäre der Elefant und nicht der Löwe König der Tiere." Erst einmal muss er jedoch einen Scherbenhaufen zusammenkehren, wie ihn ein Elefant im Porzellanladen nicht größer hinterlassen könnte.

Geschäftsführer Ian Ayre
:Wechsel von Liverpool zum TSV 1860

Der Zweitligist bekommt einen neuen Geschäftsführer: Ian Ayre vom FC Liverpool wechselt nach München und hat Großes vor.

Denn die Bilanz von Powers kurzer Amtszeit ist irritierend.

Sein Führungsstil führte dazu, dass etliche langjährige Mitarbeiter der Geschäftsstelle ihre Kündigungen einreichten. Kapitän Stefan Aigner trat von seinem Amt zurück, wobei er andeutete, dass es ihm die sehr international ausgerichtete Transferpolitik unmöglich mache, den Job so auszuführen, wie es sich gehöre. Ein schwedischer Torwart, der fest von einem Vertrag in München ausging und anderen Klubs abgesagt hatte, wurde am letzten Tag des Transferzeitraums doch nicht verpflichtet - Power hatte nach Informationen aus Vereinskreisen die Deadline um 18 Uhr verpasst.

Drei Zeitungen entzog er wegen zu kritischer Berichterstattung die Dauerakkreditierung, derzeit finden auf Vermittlung der Deutschen Fußball Liga Schlichtungsgespräche statt.

Hausverbot für "Franze Bonanza"

Am Donnerstag erteilte Power dann auch noch dem "Franze Bonanza" Hausverbot am Gelände. Dass der bekannte Fan, der sich immer wieder kritisch zu Ismaiks Wirken geäußert hatte, ausgesperrt wurde, beschäftigt nun sogar den e.V.-Verwaltungsrat. Eilends verschickte der Klub eine bizarre Pressemitteilung, in der nicht konkret genannt wurde, worum es ging, aber unter der Überschrift "Dafür kämpfen Löwen" festgestellt wurde: "Was wir nicht akzeptieren werden, sind Beschimpfungen und Beleidigungen, die Darstellung falscher Tatsachen und negative Äußerungen, die dem Image unseres Vereins in hohem Maße schaden."

Ian Ayre muss nun erst einmal dafür sorgen, dass sich der TSV 1860 nicht ständig selbst schadet.

Und das in einem Milieu, das er nicht kennt: in der zweiten deutschen Bundesliga.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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