TSV 1860 München:Große Namen im Chaos

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Alte Bekannte: 1986 übergab Günter Netzer (re.) das Amt als Manager des Hamburger SV an Felix Magath. Nun tauchen beide im Umfeld des TSV 1860 auf. (Foto: Wilfried Witters)
  • Der TSV 1860 München hat wieder Kontakt zum lange verschollenen Investor Hasan Ismaik - und es fallen große Namen.
  • Felix Magath könnte Sportchef werden. Auch Günter Netzer bietet seine Hilfe an.
  • Nach SZ-Informationen wird über ein konkretes Angebot für Ismaiks 1860-Anteile verhandelt.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider, München

Am Samstagmittag fand an der Grünwalder Straße in München-Giesing eine Demonstration statt. Gefordert wurde die Ablösung von Gerhard Poschner, dem Sport-Geschäftsführer des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München. Es erschienen allerdings keine Ultras mit Sturmhauben und Pyrotechnik, keine Polizisten mit Hunden und Wasserwerfern, sondern hauptsächlich Rentner mit Weißbiergläsern.

Auch die Meisterlöwen waren da, die so genannt werden, weil sie 1966 die bislang letzte deutsche Meisterschaft für den Verein holten. Organisator Franz Hell, der Allesfahrer genannt wird, weil er seit etwa 1966 zu jedem Spiel fährt, sprach von einer "Revolution der alten Männer", was bei den umstehenden alten Männern für Gelächter und Nicken sorgte.

An Samstag wurde das Geschehen beim TSV 1860, den man mit einigem Recht als kompliziertesten Fußballverein Deutschlands (und wohl der Welt) bezeichnen kann, endlich mal wieder auf eine anschauliche Ebene gebracht. Seit der Klub 60 Prozent seiner Anteile an einen Investor verkauft hat, der sich regelmäßig mit den verschiedenen Vereinspräsidien überwarf, wurde es ja zunehmend schwierig, den Durchblick zu behalten. "Wir wollen hier ein Signal nach Abu Dhabi senden", sprach Hell, und damit das Signal bei Hasan Ismaik ankam, hatten die Demonstranten ihre Botschaft eigens auf Englisch auf ein Plakat geschrieben: "Poschner go home."

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Dann hielt Karsten Wettberg, 73, der "König von Giesing" genannte ehemalige Erfolgstrainer, eine Rede. Er attackierte vornehmlich Noor Basha, den Münchner Statthalter Ismaiks, der in Treue fest zu dem ehemaligen Spielervermittler Poschner steht. Mangels direkter Verbindung zum lange verschollenen Ismaik hatte Basha seit Monaten den einzigen Kontakt der Vereinsvertreter zur Investorenseite dargestellt. Dass Poschner mit 13 neuen Spielern, von denen am Ende kaum noch welche zum Einsatz kamen, den Klub fast in die dritte Liga geführt hatte, schien Basha nie zu beeindrucken. "Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der so wenig Ahnung von Fußball hat wie Noor Basha", rief Wettberg, "er hat mich einen alten Mann genannt, aber wenn ich 90 bin, habe ich immer noch mehr Fußballverstand als er."

Hell gegen Poschner, Wettberg gegen Basha, Basis gegen Geschäftsführung. So weit, so einfach. Aber auch an einem Tag, an dem man dachte, die Welt des TSV 1860 sei gar nicht mehr so kompliziert, schwebte über allem Verwirrung - denn es gibt ja auch noch ein Präsidium des Vereins, der neben Ismaik ebenfalls Anteilseigner der Profifußball-KGaA ist. Und plötzlich ging in der Altherrenrunde das Gerücht um, dieses Präsidium um Gerhard Mayrhofer, welches Poschner (anders als es Noor Basha möchte) loswerden will, sei zurückgetreten - der Sportchef, dachten die alten Männer und blickten traurig ins Weißbier, habe den Machtkampf gewonnen.

Doch schnell wurde klar, dass das Präsidium keineswegs aufgab und das Gerücht einen sehr positiven Nebeneffekt hatte: Investor Ismaik nahm, offenbar alarmiert, endlich mal wieder Kontakt zum Verein auf. Dadurch war es nun möglich, nicht mit Basha, sondern mit Ismaik direkt über die Personalie Poschner zu sprechen - und über die weitere Zukunft des Klubs.

Am Sonntag verschickte der TSV 1860 dann eine Pressemitteilung: "Präsidium und Vereinsvertreter im Beirat bestätigen, dass sie sich in sehr ernsthaften und produktiven Gesprächen mit Gesellschafter Hasan Ismaik und seinen Rechtsberatern befinden, um für die Zukunft des Vereins zeitnah eine langfristig tragfähige Lösung zu finden." Die Erwähnung, dass auch Ismaiks Rechtsberater anwesend seien, legt nahe, dass es in den Verhandlungen keineswegs nur um Poschner geht - sondern auch um einen Verkauf der Anteile Ismaiks, mit dem der Jordanier seit langem liebäugelt.

Sein Engagement in München ist schließlich ein vier Jahre währendes Missverständnis voller Ärger und Possen. Nach SZ-Informationen wird erstmals über ein konkretes Angebot für Ismaiks Anteile verhandelt. Die Frage nach einem neuen Sportchef und die Zukunft Ismaiks als Klubbesitzer hängen zusammen. Bei den möglichen Szenarien spielen große Namen eine Rolle. Als die eine Option für die Nachfolge Poschners wird nach wie vor Felix Magath gehandelt, der unweit des 1860-Trainings- geländes wohnt und zuletzt Austria Wien übernehmen wollte.

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Allerdings ist Ismaik dem Vernehmen nach nicht begeistert von Magath, da sich die beiden bei einem persönlichen Treffen nicht besonders gut verstanden haben sollen. Nach einem Anteilsverkauf wäre das selbstredend nicht mehr von Bedeutung. Eine andere Option ist, dass Ismaik seine Anteile vorerst behält, und dennoch einer Trennung von Poschner zustimmt. Dann müsste 1860 wohl einen anderen Kandidaten finden. Dabei könnte Günter Netzer helfen.

Der Geschäftsführer des Sportrechte-Vermarkters Infront, der im Februar von der chinesischen Wanda-Gruppe übernommen wurde und noch 13 Jahre bei 1860 vertraglich gebunden ist, kam bereits nach München, um sich zu informieren. Aus Sorge über die Bilanz der derzeitigen sportlichen Leitung hat er schon einen Nachfolger für Poschner aufgetrieben, der sofort einspringen würde. Vorerst gilt es für den Verein herauszufinden, was Ismaik will und welche Pläne er unterstützt. Darum kümmert sich vornehmlich der Lindauer Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt Karl-Christian Bay, der mit Mayrhofer den Verein im Beirat der Profifußball-KGaA vertritt.

Es gibt Gespräche mit Ismaik, tatsächlich hat sich der Mann gemeldet, dem 60 Prozent der Firma gehören - alleine das gilt in Giesing schon als Sensation. Und es ist ein Fortschritt, den sich Franz Hell und die alten Männer erhofft hatten, als sie ihre Plakate auf Englisch beschrifteten.

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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