TSV 1860 München:Zurück am Anfang

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Nach einem Jahr Abwesenheit wird Timo Gebhart bei seinem Comeback für den TSV 1860 von den Fans bejubelt. Er selbst sieht nach dem 1:1 zum Auftakt gegen Münster aber wie Trainer Bierofka Luft nach oben.

Von Johannes Kirchmeier, München

Erst rief ihn der Trainer Daniel Bierofka zu sich. Und dann brüllten plötzlich fast 15.000 Menschen seinen Namen. Am Freitagabend um kurz nach halb neun Uhr abends war Timo Gebhart plötzlich wieder da, wo alles angefangen hatte für ihn als Profifußballer - inmitten der Anhänger des TSV 1860 München. Als er seine ersten Schritte über den Platz des Grünwalder Stadions machte am Freitagabend, da hallte ihm ein choraler Fangesang entgegen: "Einmal Löwe, immer Löwe, hey, hey!" Gebhart, 30, lief "gepusht" und mit Gänsehaut am Körper, so berichtete er es später, in Richtung des Strafraums von Preußen Münster. Er habe noch einmal mehr Bock aufs Spiel bekommen.

Wer den TSV 1860 München beim 1:1 in seinem ersten Saisonspiel in der dritten Liga spielen sah, der bemerkte zumindest eine Halbzeit lang, dass dieser ansonsten recht jungen Mannschaft so ein Typ wie Timo Gebhart mit seiner Übersicht und dem Verständnis vom schönen Spiel schon helfen kann. "Der Chef der Liga eröffnet die Saison", hatten die Fans auf ihr Transparent vor der Stehhalle gepinselt. Trotzdem wirkte es so, als wäre der eigentliche Chef erst in der 80. Minute eingewechselt worden, als die Stimmung in Giesing noch einmal anhob. Und vor allem dann, als Gebhart kurz darauf zu seiner ersten Torchance im weißen Löwen-Dress kam.

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"Die erste Halbzeit können wir total vergessen", sagte Bierofka folgerichtig. "So kann man nicht Fußball spielen in der dritten Liga. Die zweite Halbzeit war aber total in Ordnung, das muss der Weg sein: Die Jungs müssen lernen, mit Mut und Überzeugung Fußball zu spielen." An Mut und Überzeugung hat es dem Spielmacher Gebhart übrigens nie gemangelt. Vielleicht hatte er aber auch eine Zeit lang etwas zu viel Selbstvertrauen.

Es gab einmal Parallelen zwischen Gebhart und Toni Kroos - kurzzeitig

Das bringt wohl so eine Laufbahn mit sich. Vor elf Jahren wurde der gebürtige Memminger Europameister mit den deutschen U19-Junioren. Als 15-Jähriger kam er zum Giesinger Klub. Für die Löwen-Anhänger galt er als großes Versprechen, das ihren Verein wieder nach oben schießen sollte - parallel übrigens zum damaligen Bayern-Talent Toni Kroos ein paar Straßen weiter im Münchner Süden. Doch als der Verein in der zweiten Liga verharrte und Gebhart auf dem Weg zum deutschen Nationalspieler war (den er jedoch nie vollendete), da war er doch nicht mehr zu halten.

Er verabschiedete sich nach Stuttgart und Nürnberg, wo Gebhart insgesamt 100 Bundesliga-Spiele absolvierte, aber auch nie so richtig glücklich wurde und zeitweise in Turbulenzen geriet: Zwischenzeitlich wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt, in Nürnberg degradierten sie ihn in die zweite Mannschaft. Nachdem er schon einmal ein Jahr für 1860 in der vierten Liga spielte, kam er nun nach einer halben Saison für Viktoria Berlin zurück. Am Freitagabend sagte er: "Es war ja mein erstes Spiel, ich habe erst drei, vier Mal mittrainiert. Aber ich denke, es war in Ordnung."

Einmal, da fiel es gar nicht auf, dass er inzwischen nicht mehr ganz so austrainiert ist wie vor elf Jahren. Da flitzte er so flink wie früher in Richtung Strafraum, war seinem Gegenspieler Fridolin Wagner entwischt und so nur einen Torschuss aus 16 Metern von einem Treffer entfernt, ehe sich dann Wagner doch noch zwischen Gebhart und dem Ball wuchtete - offenbar regelkonform: "Ich dachte, ich bekomme das Foul", sagte Gebhart. "Ich habe ja einen guten Schuss und ich denke, das wäre die Chance gewesen, das Spiel noch zu gewinnen. Auch Sascha hatte noch eine Chance, aber so ist es eben ein Punkt im ersten Spiel."

Die zweite Halbzeit zeigt das wahre Gesicht des TSV, hofft Trainer Bierofka

Es ging an diesem Freitagabend ja auch so ein bisschen darum für die Löwen, zu erkennen, ob sie drittligatauglich sind mit ihrem des Geldes wegen so kleinen Kader. Gebhart war ja auch nur gekommen, weil ihn der Investor Hasan Ismaik finanziert hat - als Geschenk für den Klub, der keine Darlehen mehr von ihm annehmen will. Doch in der Frage der Wettbewerbstauglichkeit fand Bierofka: "In der zweiten Halbzeit hat die Mannschaft das Gesicht gezeigt, dass ich sehen wollte. Wir haben Powerfußball gespielt. Nur im Strafraum waren wir dann teilweise einen Schritt zu spät." Wie eben Gebhart kurz vor dem Ende, nachdem sein Teamkollege Phillipp Steinhart zuvor per Elfmeter (51.) die Führung von Julian Schauerte (32.) ausgeglichen hatte.

In der Nachspielzeit hätte der andere Sechziger-Haudegen in der Offensive, Sascha Mölders, das Spiel dann allerdings doch noch irgendwie entscheiden können. Nach einer Kopfballvorlage von Verteidiger Felix Weber schoss er alleine vor dem Münsteraner Torwart Maximilian Schulze Niehues den Ball jedoch über das Tor: "Normalerweise macht er so einen", sagte Gebhart in etwa so abgeklärt wie ein weit gereister Seemann. "Aber da braucht man nicht lange rumschwätzen - den nächsten macht er."

Und wie als Beweis dafür, dass er sich in Weiß-Blau im Grünwalder Stadion am wohlsten fühlt, fügte Gebhart später noch an: "Jetzt freue ich mich schon so krass auf die nächste Woche und auch auf das nächste Heimspiel."

© SZ vom 21.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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