TSV 1860 München:Neues aus dem Pfadfinderlager

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Tarsis Bonga ist neu im Angriff der Löwen, gesucht wird trotzdem noch ein Angreifer. (Foto: Christina Pahnke/Sampics)

Der TSV 1860 München ist auch beim Trainingscamp in Österreich weiter auf Orientierungssuche. Der Etat ist immerhin so weit erhöht worden, dass der Drittligist nun neben einem Sportchef noch einen neuen Stürmer suchen kann.

Von Christoph Leischwitz

Hinter Saki Stimoniaris stapeln sich die Holzscheite, darüber klebt grüner Stoff an der Wand. In der neuen Lobby des Wellnesshotels in Windischgarsten haben sie einen Wald nachgestellt, rein farblich, und in diesem Eck hat nun der Aufsichtsratschef des TSV 1860 München Platz genommen. Es ist ein ganz kurzfristig angekündigtes Zusammentreffen am Freitagabend im Trainingslager des Fußball-Drittligisten. Eigentlich war nach dem Testspiel gegen den österreichischen Erstligisten SV Ried ein Hotelgespräch mit Trainer Maurizio Jacobacci angesetzt. In der Halbzeitpause aber hieß es plötzlich: Jacobacci spricht gleich nach dem Spiel auf dem Platz - und gegen 19.30 Uhr im Hotel dann Stimoniaris. Das klang spannend, so viereinhalb Stunden vor dem 1. Juli, an dem ja im Profifußball quasi ein neues Jahr beginnt.

Nachdem der 60-jährige Trainer eine klare 0:3-Niederlage wegmoderiert hat ("Man sieht schon, dass der Gegner spritziger war"), verschiebt sich das Lobby-Gespräch jedoch erst einmal um eine Stunde, dann noch einmal um 15 Minuten. Dafür bringt Stimoniaris, 52, dann den Investoren-Statthalter Anthony Power mit, der jedoch während des 35-minütigen Gesprächs nur selten den Kopf hebt, um von seinem Smartphone aufzusehen. Er hebt den Kopf noch nicht einmal, als sein Name fällt. Woher denn eigentlich das Gerücht komme, dass er, Stimoniaris, und Power Aufgaben einer Sportlichen Leitung übernehmen sollen? Stimoniaris lacht auf, als sei die Frage völlig absurd, Power lacht sein Handy an. "Ich bin da, wo ich bin, gut aufgehoben", stellt Stimoniaris fest. "Ich weiß nicht, woher die Gerüchte kommen." Power sagt: gar nichts. Dabei war das Ganze durchaus ein Thema, Anfang Juni schon. Jetzt, fast einen Monat später, sagt Stimoniaris, dass auf Geschäftsführer-Ebene kein Sportlicher Leiter eingestellt werde, darauf habe man sich geeinigt. Zur Personalie eines Sportchefs müsse man den verbliebenen Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer befragen.

Noch ist nicht klar, wer das Kompetenzvakuum füllen wird, das Sport-Geschäftsführer Gorenzel hinterlassen hat

Man könnte in diesen Tagen recht leicht das Gefühl bekommen, dass die Sechziger insgesamt ein wenig im Wald stehen, und zugleich den selben vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Das liegt daran, dass gerade nicht nur die Mannschaft, sondern auch die organisatorische Ebene in einem Findungsprozess steckt, und das Improvisieren bisweilen noch ein wenig gekünstelt wirkt. Durch den Weggang von Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel ist ein Kompetenzvakuum entstanden, von dem noch nicht klar ist, wer es füllen wird. Aktuell herrscht eine Buchbinder-Wanninger-Einstellung, wenn es um konkrete Fragen geht, also: Für diese Frage muss ich Sie bitten, jemand anderen zu fragen.

Es gibt auch gute Nachrichten, die vielleicht sogar helfen, das Problem zu lösen. Eine wirkliche Neuigkeit hat Stimoniaris bei dem Gespräch, bei dem wieder einmal viele Sechzig-Dauerthemen wie die Stadionfrage nachhaltig recycelt werden, nämlich doch: "Wir haben vor ein paar Tagen den Etat erhöht, um eine halbe Million", erklärt er. Damit würden zwar auch schon die bereits neu Verpflichteten finanziert, doch dem Vernehmen nach ist noch genug Geld übrig, um neben einem Sportchef auch einen Angreifer zu holen, von Spielern, von "interessanten Namen" (Stimoniaris) ist sogar im Plural die Rede.

Trainer Jacobacci wünscht sich übrigens einen Angreifer, der "eine gewisse Grundschnelligkeit" mitbringt, "der auch im Spielaufbau beteiligt ist, der die Tiefe attackieren kann"; der seinen Arbeitsbereich genau kenne und eine "solide Basis" mitbringe. In gewisser Weise benötigt man in der Sportlichen Leitung einen ähnlichen Typen: kompetent, mit klarem Aufgabenbereich, und vor allem: auffällig. Den Löwen fehlt zurzeit einer, der gut brüllen kann. Im Moment ist das noch nicht nötig, aber wohl bald, besondres wenn man den Pessimismus der Fans zugrunde legt, der auch im Trainingslager grassiert.

"Klasse, großartig", ruft einer nach dem Schlusspfiff des Testspiels, mit reichlich Sarkasmus in der Stimme. Nun liegt dieses Trainingslager zeitlich auch ziemlich unglücklich, der Saisonstart ist noch mehr als einen Monat entfernt, die Spieler bolzen Kondition, der Verein selbst postet zurzeit gerne Bilder wie jenes von Abwehrchef Jesper Verlaat, wie er in einer Eistonne sitzt. Echte Stimmungsaufheller sind nicht in Sicht, die Stürmersuche zieht sich, Jacobacci sagt: "Ich hoffe, in den nächsten Tagen wird sich da etwas tun. Wenn nicht, müssen wir Geduld haben."

Immerhin, Jacobacci versucht etwas. Er hat einen alten Freund mitgebracht, den tätowierten Ex-Profiboxer Giovanni Jemma, 54, der als Motivator fungiert. Dazu sagt Jacobacci: "Überzeugung, das Vertrauen, die Freude, die Begeisterung, der Verbund, all diese Sachen - wenn alles gut läuft, braucht man diese Dinge nicht. Aber wenn es nicht läuft: Was macht man dafür, dass es wieder so läuft, wie wir uns das vorstellen?" Genau um diese Themen geht es bei Sechzig zurzeit, auf allen Ebenen.

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