TSV 1860 München:Schlechte Laune

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Johan Gomez trifft für den FSV Zwickau gegen Semi Belkahia und Torwart Marco Hiller. (Foto: MIS/imago)

Die Leichtigkeit ist dahin bei den Münchner Löwen. Nach der 0:2-Niederlage gegen Zwickau rutscht das Saisonziel Aufstieg vorerst in weite Ferne.

Von Christoph Leischwitz

Es gab am Samstagnachmittag auf der Haupttribüne eine Szene zu beobachten, die man so schon lange nicht mehr gesehen hatte, nirgendwo: Ein etwa fünfjähriger Junge lief durch eine leere Reihe und sammelte Pfandbecher ein. Seine Augen glänzten, schließlich kam da ein ordentliches Taschengeld zusammen. Fußballnostalgie pur im Grünwalder Stadion. Allerdings konnte der Bub diese Becher nur deswegen einsammeln, weil sich zuvor etwas anderes zugetragen hatte, das man auch schon lange nicht mehr beobachten konnte auf Giesings Höhen: Fans, die sich in Scharen schon vor dem Schlusspfiff aus dem Stadion verabschiedeten - weil dem TSV 1860 München einfach nichts mehr einfiel, um die Niederlage abzuwenden, es blieb dann auch beim 0:2 (0:1) gegen den FSV Zwickau. Einige der Dagebliebenen bedachten nach Schlusspfiff die Mannschaft sogar noch mit "Wir woll'n euch kämpfen sehn"-Sprechchören. Die Spieler standen vor ihnen auf dem Rasen und ließen die Köpfe hängen. Vielleicht eine Frusthandlung der Anhänger, denn nicht nur Sechzigs Trainer Michael Köllner fand hernach, dass die Einstellung seiner Spieler sicherlich nicht das Problem sei. Allerdings läuft zurzeit so ziemlich alles andere nicht so rund bei den Löwen.

Die Leichtigkeit ist dahin, die Selbstverständlichkeit, Tore zu erzielen - und das, obwohl der Kader ja eigentlich als verbessert gilt gegenüber dem Vorjahr. Doch zur selben Zeit in der Saison 2020/21 hatten die Sechziger ein Torverhältnis von 20:10, jetzt steht da: 8:9. Ein Faktor ist sicherlich die Leistung von Angreifer und Kapitän Sascha Mölders, dem bisher erst zwei Treffer gelungen sind und dem gegen Zwickau vor allem im letzten Pass für den Mitspieler die Genauigkeit fehlte. Dementsprechend tritt er zurzeit auch nicht mehr so sehr als Lautsprecher auf, der das Spiel emotionalisiert. Was ja gerade bei zurückgekehrten Zuschauern - gegen Zwickau durften immerhin 10 000 Besucher ins Stadion - Sinn ergeben würde. Und als Mölders doch einmal einen Gegenspieler belehrte, in der 90. Spielminute, da sprang ein Mann auf der Haupttribüne auf und schrie: "Reg dich ab und lauf!" Nein, ohne Tore kann man es den Anhängern einfach nicht recht machen.

Man müsse sich wieder auf die einfachen Dinge konzentrieren, empfahl Richard Neudecker

Wenn dann, wie beim 0:2 (63.), Torwart Marco Hiller die Hand auch noch an den Fernschuss bekommt, der Ball aber trotzdem im Netz landet, dann scheint sich alles gegen einen verschworen zu haben. Zwar schafften es die Sechziger immer wieder mal kurz, Druck aufzubauen in Form von Doppelchancen, doch insgesamt gab es zu wenige klare Abschlüsse aufs Tor, wie etwa jenen von Stefan Lex in seiner letzten Aktion vor seiner Auswechslung, als er nur halbherzig das ferne Eck anvisierte und Keeper Johannes Brinkies mühelos parieren konnte (68.).

Potenziert wurde die schlechte Laune noch durch die Tatsache, dass es sich um einen ebenfalls angeschlagenen und zudem schlagbaren Gegner handelte. Das gab Joe Enochs hernach auch zu: "Ich bin kein Trainer, der jetzt sagt: Wir haben verdient gewonnen. Wir haben gemacht, was wir können." Sich leidenschaftlich in Torschüsse werfen, zum Beispiel. Und dann habe vor allem das 0:1 gezeigt, dass "wir hinten nicht ohne Fehler auskommen", wie Köllner sagte. Semi Belkahia verschätzte sich bei einem hohen Ball im Stellungsspiel und wurde vom zehn Zentimeter kleineren Johan Gomez auf einfachste Weise übertölpelt, Hiller verlor das Eins-gegen-eins-Duell (25.). Und so bekam Belkahia wenig überraschend die deutlichste individuelle Kritik ab: "Das ist sicherlich sein Tor", sagte der Trainer über den 22-Jährigen. Einerseits sei klar: Wenn ein Spieler solche Fehler nicht macht, würde er ja schon in der Bundesliga kicken. Andererseits werde er ihm klarmachen, dass dies nicht mehr oft passieren darf - zumal die Schwäche schon bekannt sei.

Wie also findet man nun zurück zur Leichtigkeit? "Komplexe Frage", sagte Köllner, der klar eine "Kopfsache" ausgemacht hat. "Ganz einfach", fand hingegen Richard Neudecker, einer jener Spieler, dem tatsächlich kein Kampfeswille abzusprechen war: "Indem man gemeinsam verteidigt, die einfachen Dinge wieder macht, weniger dribbeln, Ball annehmen und spielen. Da will ich selber vielleicht auch manchmal zu viel." Wir zeigen jetzt nicht mit dem Finger auf den Mitspieler, sollte der zweite Satz wohl bedeuten. Ob es an der Zeit sei, die Aufstiegspläne zu korrigieren, wurde Köllner noch gefragt. "Wir werden die Dinge jetzt nicht großartig verändern", sagte Köllner. Nach einer erneuten Niederlage am Samstag beim SC Verl könnte sich das aber schon anders anhören.

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