TSV 1860 München:Die Fans wittern Verrat

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Das Spruchband muss weg: 1860-Geschäftsführer Robert Niemann sucht die Konfrontation mit den Anhängern - und müht sich um Schadensbegrenzung. Die Fans fordern jedoch bereits seinen Rücktritt.

Markus Schäflein

"Meinungsfreiheit ist die eine Sache", sagt Robert Niemann, "ob es dem Verein in der jetzigen Situation weiterhilft, aber eine andere." Der Geschäftsführer des TSV 1860 München bereichert die an Merkwürdigkeiten reiche Historie seines Klubs um ein Bonmot, das in die Archive eingehen wird. Niemann hatte am Sonntag beim Heimspiel gegen Aachen (2:1) dem Ordnungsdienst die Anweisung erteilt, ein Banner mit der Aufschrift "Raus aus der Arena" entfernen zu lassen.

"Ein Mann mit dieser Meinung und Zensur bei den Fans ist bei Sechzig nicht tragbar": Einige Fans von 1860 München fordern den Rücktritt von Geschäftsführer Niemann. (Foto: imago sportfotodienst)

Es handele sich bei den Arena-Gegnern um "einige", die "ihre Stadionmeinung überproportional gewichtet nach außen tragen", sagte Niemann, woraufhin sich jene umgehend an Karl-Heinz Wildmosers Satz von den nur "sechs Hanseln" erinnert fühlten, die in der Wahrnehmung des früheren Präsidenten fürs Grünwalder Stadion brüllten.

Vor allem Wildmoser hat dazu beigetragen, dass die Löwenfans bei jedem Anschein von Bevormundung durch Vereinsobere geradezu mimosenhaft reagieren. Die Aufregung bei der Anhängerschaft über Niemann war groß, die Freude über den Sieg schnell überlagert von Ressentiments gegen den Geschäftsführer. 338 Antworten hatte das Thema "Der Arenawahnsinn geht unter Niemann weiter" auf loewenforum.de bereits am Montagvormittag. "Jemand, der wie Niemann in einem roten Stadion bleiben will, ist für mich ein Verräter", schrieb der User Atom-Otto, und Krullemuck forderte: "Niemann raus! Ein Mann mit dieser Meinung und Zensur bei den Fans ist bei Sechzig nicht tragbar."

Am Montag versuchte Niemann, den Schaden zu begrenzen. Erst einmal stellte er klar, dass er die Abläufe des Sonntagnachmittags nicht korrekt geschildert hatte: "Es wurde keine Gewalt von Fans gegen Ordner angewandt, das war eine falsche Information, die mir gegeben wurde", sagte Niemann. "Ich kann da nur bedauern, dass ich zu Unrecht jemanden beschuldigt habe." Und auch die Zensur hob er auf: Ob das Plakat beim nächsten Mal wieder aufgehängt werde, sei "eine Entscheidung, die alleine unsere Fans treffen", kündigte Niemann nach einem Gespräch mit der Fanbeauftragten Jutta Schnell an.

Der Geschäftsführer machte allerdings erneut deutlich, dass er es begrüßen würde, wenn die Fans das Transparent künftig eingerollt lassen. "Es gibt die Bereitschaft der Stadion GmbH, über die Anpassung der Verträge zu sprechen", sagte Niemann, "da finde ich es einfach unpassend, wenn direkt hinter dem Tor so ein Plakat präsentiert wird. Menschen, die uns helfen wollen, werden dadurch nicht motiviert." Gespräche mit den "entsprechenden Fangruppierungen" seien geplant, verkündete der Verein auf seiner Homepage.

Wenn es beim TSV 1860 mal wieder wirr wird, lohnt sich ein Gespräch mit dem Trainer. Der Allgäuer Reiner Maurer hat die Gabe, die Dinge mit der ihm eigenen Gelassenheit aus der Distanz zu betrachten. "Es ist kein Geheimnis, dass Robert Niemann große Verdienste um den Verein hat", sagte Maurer - die Mannschaft sei zwar immer noch betroffen von dem Abzug zweier Punkte durch die Deutsche Fußball-Liga, doch Niemann habe den Schaden so gut wie möglich begrenzt.

Es sei "Tenor in ganz Deutschland, dass es uns sonst mit Sicherheit wesentlich schlimmer hätte treffen können". Am Montag erzählte Maurer am Stammtisch im Löwenstüberl dazu eine kleine Parabel: "Du wachst im Krankenhaus auf und der Arzt sagt: Ich habe dein Leben gerettet, aber dir fehlt der rechte Arm. Da bist du auch nicht glücklich, obwohl der Arzt hervorragende Arbeit geleistet hat."

Wie ein missverstandener Mediziner wird sich Dr. Niemann noch manches Mal fühlen. Maurer meinte mit seiner Amputation die zwei Punkte, doch um den TSV 1860 steht es ja weitaus schlimmer: Ihm wurde die Seele amputiert, das Stadion an der Grünwalder Straße. So sieht das die eine Gruppe der Fans. Ein anderer Teil der Anhänger wäre schon zufrieden, wenn der Patient in der Arena zumindest überlebensfähig wäre. Dass dies der Fall ist, wenn die Mietbedingungen angepasst werden, das wird Niemann zu beweisen haben.

© SZ vom 09.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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