TSV 1860 München:Der VfB rettet das Heimspiel in München

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Marcin Kaminski (r) von Stuttgart jubelt mit Tobias Werner über sein Tor zum 1:1. (Foto: dpa)
  • Mehr als Zehntausend Fans reisen mit dem VfB Stuttgart nach München - und sehen eine Mannschaft, die das Spiel gerade so rettet.
  • In der 92. Minute trifft Marcin Kaminski noch zum Ausgleich. In den vergangenen fünf Spielen holte der VfB nur fünf Punkte.
  • Auch 1860 München steckt noch im Abstiegskampf - weil die Konkurrenz gewinnt.

Von Markus Schäflein

Eine Studie eines Beratungsunternehmens hatte rechtzeitig zum Heimspiel gegen den VfB Stuttgart zweifelsfrei nachgewiesen, dass der TSV 1860 München sehr beliebt ist - der fünftbeliebteste Zweitligist und sogar beliebter als fünf Erstligisten, mithin der achtzehntbeliebteste Verein in ganz Deutschland. Und die Zuschauerzahl am Mittwochabend in der Arena passte dazu: 47 100 Menschen erschienen. 1860-Trainer Vitor Pereira hatte sich davon begeistert gezeigt und angekündigt: "Ich hoffe, dass wir in Zukunft auch einen entsprechenden Fußball anbieten."

Allerdings zeigte sich auch, dass der VfB der offiziell beliebteste Zweitligist ist - optisch war mehr als ein Drittel des Publikums den Schwaben zugeneigt, was sich nicht nur am vielen Rot zeigte, sondern auch bei den beliebten Gesängen "Steht auf, wenn ihr Löwen seid" bzw. "Steht auf, wenn ihr Schwaben seid" zeigte. Akustisch war es gar ein Heimspiel für Stuttgart. Auf dem Rasen war die Dominanz der Stuttgarter hingegen lange wenig Respekt einflößend: Mit einer couragierten und gut organisierten Leistung leisteten die Löwen dem Aufstiegsfavoriten Widerstand. Dennoch endete die Partie nach einem späten Fehler von Sebastian Boenisch und einem Treffer von Marcin Kaminski in der 92. Minute 1:1 (1:0). "Was wir marschiert sind - ich war schon in der Halbzeit fix und fertig", sagte 1860-Mittelfeldspieler Stefan Aigner, "dann schaffst du es so lange, die Führung zu halten, und dann kriegst du kurz vor Schluss noch den Ausgleich - das ist natürlich bitter." Und die Konkurrenz im Keller punktet weiter, fünf Zähler beträgt der Abstand der Löwen auf die Abstiegszone noch.

Nach der Pause agieren die Löwen zumeist in einer 5-5-0-Formation

Es war ein Fußball-Festtag in der Arena, und Pereira setzte daher noch nicht auf die für die englische Woche angekündigte Rotation, sondern auf dieselbe Startformation, die in Düsseldorf 1:0 siegte - also mit Marnon Busch auf der rechten Außenbahn und Michael Liendl im zentralen Mittelfeld. Bei den Stuttgartern fehlte Carlos Mane (sechs Tore, neun Vorlagen), für den die Saison wegen einer anstehenden Knieoperation beendet ist.

Die Löwen begannen mutig und hatten die ersten Chancen der Partie: Stefan Aigner verpasste eine Hereingabe von Ivica Olic knapp (3.), dann scheiterte Olic bei einem Kopfballversuch an VfB-Torwart Mitchell Langerak (4.). Dann übernahmen allerdings die Stuttgarter wie erwartet die Initiative und kamen ihrerseits zu Möglichkeiten. Abdoulaye Ba klärte gerade noch vor Simon Terodde (11.), Christian Gentner setzte ungedeckt einen Kopfball weit neben das Tor (12.), einen Aufsetzer des früheren Bayern-Profis Julian Green parierte 1860-Torhüter Stefan Ortega (14.) ebenso wie einen Kopfball von Timo Baumgartl nach einer Ecke (17.).

Aus dem Nichts wurden die Löwen dann wieder gefährlich. Nach einem Fehlpass von Takuma Asano lief Aigner aufs Tor zu und zog ab, Langerak parierte (17.). Kurz darauf gelang ihnen aber doch die Führung. Nach einem wilden Gestochere im Strafraum gelangte der Ball zu Amilton, der aus spitzem Winkel an Langerak scheiterte, den Abpraller aber in die Mitte legte - Romuald Lacazette, der kurz zuvor noch gestolpert war, traf aus abseitsverdächtiger Position zum 1:0 (23.).

Die Stuttgarter wirkten geschockt, sie hatten zwar weiterhin die Spielkontrolle inne, aber gegen Pereiras 3-4-3, das im Defensivverhalten (und daher diesmal häufig) zu einem 5-4-1 wird, kamen ihnen kaum zündende Ideen. Dass der VfB in dieser Spielzeit noch kein Auswärtsspiel nach einem Rückstand gewonnen hat, erschien in dieser Phase nur logisch. Lediglich Anto Grgic kam vor der Pause noch zu einer Chance, sein Schuss stellte für Ortega aber kein Problem dar (34.).

Und auch nach dem Seitenwechsel ging es so weiter: Stuttgart fiel nichts ein, Baumgartls Verzweiflungsschuss aus 35 Meter, der weit über die Querlatte flog, war sinnbildlich (57.), und 1860 verteidigte. "Wir haben es dann ein bisschen kompakter gemacht, weil die erste Halbzeit natürlich sehr kräftezehrend war", erklärte Aigner. Stuttgarts Trainer Hannes Wolf brachte in Daniel Ginczek einen neuen Stürmer (64.), Pereira hingegen wechselte seinen einzigen Stürmer Olic gegen Sechser Kai Bülow aus und stellte mithin auf ein 5-5-0 um (65.). Der Brasilianer Amilton musste noch eine gelbe Karte hinnehmen und fehlt damit am Sonntag in Aue. Dann passierte lange gar nichts mehr, Stuttgart wirkte völlig ideenlos - bis zur 92. Minute; Boenisch sprang der Ball im eigenen Strafraum vom Fuß, Kaminski nutzte beim Billard um halb acht die unverhoffte Gelegenheit zum späten Ausgleich.

"Da kommt ein langer Ball, es kommen alle mit rein, der Ball droppt runter, Basti will klären und schießt ihn ihm gegen das Bein", beschrieb 1860-Torwart Ortega die plötzliche Situation: "Ich hatte nicht das Gefühl, dass vorher irgendwas Gefährliches auf mein Tor gekommen wäre."

Und der VfB? Der fest eingeplante Aufstieg in die Bundesliga scheint zurzeit sehr wackelig. Der Vorsprung auf Rang vier beträgt nur noch einen Punkt - und auch nur, weil Braunschweig und Union Berlin ebenfalls nicht gewinnen konnten. Vier Punkte aus den letzten fünf Spielen - davon kein Sieg - sind zu wenig für die Bundesliga. "Wir sind natürlich mit der festen Absicht hierher gefahren, die drei Punkte zu holen", sagte Stuttgarts Manager Jan Schindelmeiser. "Das ist schon etwas enttäuschend."

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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