Münchner Stadt-Derby:Giesinger Gift

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Erstaunlich wuchtig: Nicht nur als Torschütze machte Dennis Dressel (2. v. r. bei seinem Treffer zum 1:1) auf sich aufmerksam. (Foto: Sven Leifer/imago images/foto2press)
  • Der neue Trainer Michael Köllner verordnet 1860 gegen den FC Bayern II knallhartes Pressing.
  • Das sieht nicht schön aus, macht aber auch das Spiel des Gegners hässlicher - und bringt ein 1:1.

Aus dem Stadion von Philipp Schneider

Noch einmal erhoben die Löwen in der Westkurve ihre mächtige Stimme. Eine ganze Stunde hatten sie im Drittliga-Derby schon gebrüllt und dabei einen Klassiker nach dem nächsten geschmettert, vor allem die alte Weise, die davon handelt, dass ein Löwe immer ein Löwe bleibt, selbst wenn er mal - wie in diesem Moment - 0:1 hinten liegt. Aber jetzt? "Die Nummer eins der Stadt sind wir!", sangen die Anhänger des TSV 1860 München. Es ist halt alles eine Frage der Perspektive.

Die Sonne war da schon hinter ihrer Kurve untergegangen, das Tageslicht fiel nur noch auf die kleine Tribüne der Anhänger der zweiten Mannschaft des FC Bayern, deren erste Vertretung zwei Ligen höher spielt. Aber wie egal waren solche rechnerischen Kleinigkeiten nun den Blauen? Ihre Mannschaft war zwar technisch limitierter, dafür aber giftiger, fleißiger und aggressiver. Vor allem in dieser zweiten Hälfte, in der die Bayern gar nicht mehr am Spiel teilzunehmen schienen. Und so kam es, dass der Gesang gerade erst geendet hatte, als der an diesem Tag erstaunlich wuchtige Mittelfeldmann Dennis Dressel den Löwen den Sonntag rettetet: Nach einer Flanke von Stefan Lex konnte Bayerns Torwart Christian Früchtl Dressels ersten Versuch noch klären, den Nachschuss aber nicht mehr in der 68. Minute.

Michael Köllner tanzte an der Seitenlinie, formte seine Hände zu Fäustchen und warf diese immer wieder in die Luft. Ja, man darf sagen, dass Köllner bei seinem Debüt als Sechzigs Trainer für einen Moment völlig außer sich war vor Freude. Auch wenn das Stadtderby darauf 1:1 endete. Die Nummer eins war nun niemand.

Bei 1860 wirkt überraschend Kristian Böhnlein mit, beim FC Bayern Michael Cuisance

Zumindest Köllners Spielern war das nicht genug. Zunächst einmal waren die Bayern nach einem zumindest umstrittenen Foulelfmeter durch Kwasi Okyere Wriedt (26.) in Führung geschossen worden. Hinzu kam Folgendes: "Vielleicht müssen wir noch ein bisschen an unserer Chancenverwertung arbeiten", sagte Torschütze Dressel. "Nach diesem Spielverlauf hätten wir uns schon noch einen Sieg gewünscht." Die Überlegenheit Sechzigs in der zweiten Halbzeit war auch Bayerns Torwart Früchtl nicht entgangen. "Wir wollen halt immer Fußball spielen, das birgt auch Risiken", sagte er.

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Bayerns Kapitän Nicolas Feldhahn hatte vor der Partie gewarnt, es gebe im Derby "mehr Hass als in anderen Spielen". Deshalb gab er als Rat an seine Mitspieler aus, sich "nicht nervös machen zu lassen". So nervös spielten sie gar nicht, das mochte auch dem Umstand geschuldet sein, dass sich ihr Trainer Sebastian Hoeneß eine Überraschung für 1860 erdacht hatte: Michael Cuisance aus der ersten Mannschaft spielte mit und kümmerte sich gleich um den Anstoß.

Danach blieb er unauffällig. Die Löwen fielen sogleich über die Bayern her. Dressel spielte einen langen Pass auf Sascha Mölders, die Chance war gut, aber Mölders rollte den Ball mit der Geschwindigkeit einer Boulekugel im Englischen Garten aufs Früchtls Tor. Sieben Minuten waren gespielt, da zog der überraschend von Köllner nominierte Kristian Böhnlein das Spiel im Strafraum in die Breite: Er fand Dressel - dessen Hereingabe klärten die Bayern mit großer Not. Kurz darauf war die Not der Bayern noch größer: als nämlich Stefan Lex nur um eine Fußspitze eine Flanke von Mölders verpasste. Oh ja, die Löwen waren überlegen zu Beginn in diesem Derby. Auch stimmlich. Sie hatten ja ein Heimspiel.

Köllner hatte seiner Mannschaft anlässlich seines Debüts als Bierofka-Nachfolger ein knallhartes Pressing empfohlen. Das sah nicht schön aus, machte aber auch das Spiel der Bayern etwas hässlicher. Der spielerische Höhepunkt aus Sicht der Bayern war ein direkt getretener Freistoß von Cuisance aus gut 30 Metern, den Marco Hiller locker abtropfen ließ. Das Spiel wurde dann ruppiger. Marius Willsch wusste einem Ansturm von Derrick Köhn nur eine Grätsche entgegenzusetzen, diese verortete Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus innerhalb des Strafraums. Es folgten eine Rudelbildung im Strafraum und ein Strafstoß. Den versenkte Kwasi Wriedt, quasi ohne lange zu fackeln.

Die Löwen mussten sich nun taktisch etwas einfallen lassen. Aber was? Einen Rückstand gegen einen im Eins-gegen-Eins ballfertigeren, athletischeren und flinkeren Gegner zu drehen, ist nicht einfach. Also wurde das Spiel noch ruppiger. Steinhaus zog vor der Halbzeit dreimal Gelb: gegen Bayerns Feldhahn, der vor Hass gewarnt hatte, gegen Sechzigs Daniel Wein - und gegen Mölders, der Feldhahn lässig, aber nicht hasserfüllt im Sprint umwarf.

"Auf geht's Löwen. Rückstand hin oder her, wir haben noch 45 Minuten!", rief Stadionsprecher Stefan Schneider. Dann kamen sie zurück mit Wucht. Vor allem Mölders, dessen Kopfball Früchtl klärte. Der kurz darauf den Ausgleich nicht mehr hätte verhindern können bei Dennis Erdmanns Kopfball. Die Latte konnte das aber schon. Dann schoss Mölders auf Höhe des Elfmeterpunkts. Aber Früchtl hielt. Das alles ging für die Bayern so lange gut, bis Köllner Prince Owusu für Böhnlein brachte - gleich die nächste Chance war das 1:1.

Die Nummer eins war niemand, für die Löwen war das ein Fortschritt: Die drei vorherigen Stadtderbys hatten sie verloren.

© SZ vom 25.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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