Hoffenheim-Stürmer Eduardo Vargas:Turbomann gibt Rätsel auf

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Eduardo Vargas feiert routiniert ein Tor für Chile (links). In seinen bisherigen Klubs war er nie so treffsicher wie für die Nationalmannschaft (rechts). (Foto: N/A)

In Chiles Nationalelf und einer Castingshow feiert Eduardo Vargas seine besten Auftritte - nur in seinen Klubs hakt es stets. Die schwankenden Leistungen des Stürmers sind ein Mysterium.

Von Javier Cáceres

Es gibt viel Unerklärliches in der Welt des Fußballs. Meist sind es jene Rätsel, die sich um die Launen der jungen Darsteller ranken. Und nun scheint es so zu sein, als sei eine der aktuell irritierendsten Figuren dieses Sports ausgerechnet in der Bundesliga gelandet, ausgerechnet bei der TSG 1899 Hoffenheim: Eduardo Vargas, Heimatland Chile.

Gemessen an seinen 25 Lebensjahren hat Vargas bereits zahlreiche Klubs kennengelernt. Nirgendwo aber hat er seinen janusartigen Charakter abstreifen können. Meist war er in seinen Vereinen ein Mitläufer, oft nur Reservist, doch sobald er das blutrote Trikot von Chiles Nationalelf überstreifte, wuchs die Treffsicherheit, wurde Vargas zum von seinen Landsleuten gefeierten Mysterium.

Zumindest für Chile trifft der Stürmer beharrlich. Erst am Dienstag steuerte er zum 4:3 im WM-Qualifikationsspiel in Peru zwei Treffer bei, wenige Tage zuvor war er beim 2:0-Heimsieg gegen Brasilien einmal erfolgreich. Nun, nach der Reise zurück nach Europa, muss er sich jedoch wieder an seiner schwersten Übung versuchen: dem Alltagsbeweis. Am Samstag tritt er mit Hoffenheim in Wolfsburg an.

Vargas wechselt häufig die Klubs

Für Vargas ist die Bundesliga bereits die vierte Station in Europa, seit ihn 2013 der SSC Neapel bei Universidad de Chile ablöste. Doch die Italiener liehen Vargas nach nur 19 Spielen und null Toren zum FC Valencia nach Spanien aus, wo er in 17 Partien auf nur drei Treffer kam. Zwischendrin spielte er in Brasilien für Gremio Porto Alegre, wo er die Mutter seiner Tochter kennenlernte, von der er allerdings wieder getrennt ist.

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Zurück in Europa versuchte sich Vargas - ebenfalls leihweise - in England bei den Queens Park Rangers in der Premier League (21 Spiele, drei Tore). In diesem Sommer nun beendete Neapel das Vargas-Experiment, der Rätselhafte wurde weiter gereicht nach Hoffenheim, für eine Ablöse, die angeblich bei sechs Millionen Euro lag. Und die wohl nur deshalb noch diese Höhe erreichte, weil der "Turbomann", wie Vargas in Chile genannt wird, sein Land im Juli zum erstmaligen Gewinn der Copa América, der Südamerika-Meisterschaft, geschossen hatte. Zusammen mit dem früheren peruanischen Bundesligaprofi Paulo Guerrero (einst FC Bayern und HSV, heute Flamengo Rio de Janeiro) wurde er mit vier Treffern zum Schützenkönig des Turniers.

In Hoffenheim hat sich Vargas gut eingeführt - soweit man dies nach vier Einsätzen und einem Tor behaupten kann. Skeptiker dürften einwenden, dass er sich auch schon an anderen Stationen gut eingeführt hatte, ehe ihm die Luft ausging. Ein Rätsel halt, dieser Vargas. Es gibt ernstzunehmende Stimmen in Chile, die sagen, dass es - neben der Mutter - nur eine einzige Person auf dem Planeten gibt, die Vargas wirklich versteht: Chiles argentinischer Nationaltrainer Jorge Sampaoli, mit dem Vargas einst bei Universidad de Chile groß wurde und mit dem er 2011 auch das kontinentale Klubturnier Copa Sudamericana gewann - im Finale damals schoss Vargas zwei Tore.

"Ein Spieler ist nur denkbar in der Beziehung zu anderen Spielern. Die Beziehung zu seinen Kameraden ist gewissermaßen Teil seiner Natur", erklärt Matías Manna, der seit Jahren Scout der chilenischen Nationalelf ist, wenn er über das Wesen seiner Landsleute dies- und jenseits der Anden sinniert: "Hier in Chile fühlen sie sich alle wichtig. Sie fühlen sich durch die Ideen und die Überzeugungen ihres Trainers Sampaoli bestärkt. Ihre Mitspieler glauben an ihn, und das Publikum hegt Erwartungen und zeigt Respekt."

Vargas stammt aus Renca, einer armen, aber stolzen Gemeinde im Norden Santiagos, am Fuße eines gleichnamigen Hügels, der zwischen Flughafen und Innenstadt liegt. In Renca begann Vargas in einem Klub mit dem hochtrabenden Namen Internacional zu spielen, den sein Großvater vor knapp 50 Jahren mitbegründete. Dort ragte der Stürmer rasch heraus.

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Das bedeutet nicht, dass sein Weg in den Profifußball vorgezeichnet war - im Gegenteil. Vargas ist einer der wenigen chilenischen Nationalspieler, der nicht aus der Jugendabteilung eines der großen Klubs kommt. Er schloss sich vielmehr der Betriebsmannschaft des Brauseherstellers Pepsi in Renca an. Bei einem der Betriebsteam-Spiele wurde allerdings eine Legende des chilenischen Fußballs, der mittlerweile verstorbene Francisco Chamaco Valdés, auf Vargas aufmerksam. Valdés zitierte Vargas mitten in der Partie an den Spielfeldrand, um ihn zum Kultklub Colo Colo zu holen. Doch Vargas lehnte ab, weil er angeblich ein Probetraining beim Erstligisten CD Palestino vereinbart hatte. "Die Wahrheit ist, er wollte nie zu einem großen Verein, weil er dachte, er bekäme da weniger Chancen", sagte Eduardo Bascuñán, der heute als der Vargas-Entdecker gilt, unlängst der Zeitschrift The Clinic.

Vargas kickte sogar in einer Castingshow

Immer mal wieder tauchte der junge Vargas aus seinem Versteck auf, zum Beispiel 2005, als er an einer Fußball-Casting-Serie des TV-Senders Fox Sports teilnahm. Er sorgte für Furore - wurde aber "rausgewählt": Seine Familie hatte offenbar weniger Geld als die Freunde anderer Teilnehmer, um Eduardo bei den Telefonabstimmungen zu pushen. Zu Universidad de Chile, jenem Klub, von dem es später nach Europa ging, kam Vargas erst, nachdem er als Gast einer Profimannschaft aus Puerto Rico, den Islanders, an Freundschaftsspielen in ganz Chile teilnehmen durfte. Es war eine Etappe auf einer Odyssee, auf der er nun im Kleinod Hoffenheim stoppt.

Luis Bonini, ein weiterer chilenischer Trainer, der Vargas einst begegnet ist, sagt, er habe sich sehr gefreut, als er von dessen Entscheidung gehört habe, vom Kraichgau aus die Bundesliga erobern zu wollen. "Ein kleiner Verein, ein behagliches Umfeld in einer unscheinbaren Stadt - das könnte zu ihm passen", erklärt er.

Jüngste Beobachtungen in den Ligaspielen gegen Dortmund (1:1), in Augsburg (3:1) und gegen Stuttgart (2:2) ergaben, dass Vargas mit dem deutschen Nationalspieler Kevin Volland durchaus auf Dauer ein quirliges Duo bilden könnte. Und Bonini meint, dass in Hoffenheim vielleicht am ehesten die Voraussetzungen gegeben sind, dass Vargas eine zweite Heimat findet, für die er ähnlich viele Tore erzielen kann wie für Chiles Auswahl. Die hat der Rätselhafte in 50 Spielen mit 25 Treffern beliefert.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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