Transfer von Marc-André ter Stegen:Vom Herzensklub zum Weltverein

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Marc-André ter Stegen: Abschied von Gladbach steht fest (Foto: imago sportfotodienst)

Den Gladbacher Torwart Marc-André ter Stegen zieht es nach Barcelona. Bange wird Manager Max Eberl deswegen nicht. Talente an Topklubs zu verlieren, ist der Verein gewöhnt. Die Erfahrung damit stimmt Eberl sogar positiv.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Der Schreibtisch des Fußballmanagers Max Eberl ist eine Provokation. Keine Papierstapel, keine Kaffeeränder, kein Aschenbecher, gar nichts. Ein Monitor, eine Tastatur, ein Telefon, eine Stiftablage. Alles blitzblank. Man kann behaupten: Eberl ist ein aufgeräumter Typ.

Der 40-Jährige ist seit fünf Jahren Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach, und während Kollegen aus der Bundesliga zu Beginn eines neuen Jahres vielleicht erst mal den guten Vorsatz fassen, endlich wieder ihren Schreibtisch aufzuräumen, ist der gebürtige Niederbayer im Januar oft schon mit sensiblen Personalien beschäftigt. Vor zwei Jahren hatte zu Jahresbeginn sein Mittelfeldspieler Marco Reus angekündigt, dass er Gladbach verlässt. In diesem Jahr ist es Torwart Marc-André ter Stegen, der seinen Abschied bekannt gibt. Das Jahr geht also schon wieder gut los, doch Eberl bleibt gelassen. "Es kommt ja nicht ganz überraschend", sagt er.

Seit Oktober hatte der 21 Jahre alte Torwart ter Stegen vom Verein ein Vertragsangebot vorliegen, das ihn zum Topverdiener der Mannschaft gemacht hätte. Aber wenn ein junger Spieler solch ein Angebot zwölf Wochen lang links liegen lässt, ist Großes im Gange. Eberl rechnet damit, dass ter Stegen bereits im kommenden Sommer zum FC Barcelona wechseln wird und sagt: "Da kann ich doch nicht mal richtig enttäuscht sein. Entschuldigung, aber der Junge geht zum FC Barcelona!"

Viel mehr kann ein Fußballer nicht erreichen. Trotzdem hat ter Stegen nach dem ersten Training des Jahres geweint. Torhüter tun oft kühl wie Revolverhelden. Wenn sie weinen, geht es meist um Heimatgefühle. Als der gebürtige Gelsenkirchener Manuel Neuer im April 2011 seinen Abschied vom FC Schalke 04 ankündigte, liefen ihm die Tränen die Wangen hinunter. Neuer war dem Klub im Alter von vier Jahren beigetreten und verließ ihn nach 20 Jahren Treue. Solche Abschiede rühren Profis auch im materiell geprägten Bundesliga-Geschäft.

Dem gebürtigen Mönchengladbacher Marc-André ter Stegen ergeht es da nicht anders. Mit vier Jahren ist er der Borussia beigetreten, seit 17 Jahren trägt er das Trikot seines Herzensklubs. Als er jetzt mitteilte, er werde seinen 2015 auslaufenden Vertrag in Gladbach nicht verlängern, stockte ihm die Stimme und die Augen wurden feucht: "Jeder weiß, dass ich durch und durch Borusse bin", sagte ter Stegen im niederrheinischen Nieselregen neben dem Trainingsplatz: "Diese Entscheidung fällt mir nicht leicht."

Neuer hatte vor drei Jahren nicht gleich offenbart, zu welchem Verein er wechseln wolle, sondern nur, dass er seinen Vertrag bei Schalke nicht verlängert. Trotzdem wussten alle, dass er zum FC Bayern gehen würde. Im Fall ter Stegen verhält es sich ähnlich. Sportchef Eberl ist recht sicher, dass hinter allem jener Verein steckt, "über den alle spekulieren": Barcelona mit Weltstars wie Lionel Messi oder Neymar. Laut WAZ soll ter Stegen bei den Katalanen einen Vierjahresvertrag erhalten.

Den FC Barcelona und Mönchengladbach unterscheidet unter anderem, dass Barcelona herausragende Fußballer magisch anzieht, während die Borussia ihre Besten immer wieder hergeben und ersetzen muss. "Aber so geht es ja sogar Borussia Dortmund", sagt Eberl: "Es gibt in Deutschland nur einen einzigen Verein, der nicht ständig Angst haben muss, seine besten Spieler zu verlieren, und das ist der FC Bayern München."

Marcell Jansen und Dante hatte Gladbach zuletzt an die Bayern verloren, Reus an Dortmund und nun ter Stegen wohl an Barcelona. Doch es sind gerade diese prominenten Beispiele, die Eberl zuversichtlich stimmen, auch den Torwart adäquat ersetzen zu können.

"Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir gute Lösungen finden", betont Eberl. Nach dem Radikalschlag mit den Weggängen Dante, Reus und Neustädter vor eineinhalb Jahren benötigte Gladbach eine Übergangssaison, um nun mit Zugängen wie Christopher Kramer, Raffael und Max Kruse einen mindestens so guten Fußball zu spielen wie vor zwei Jahren. Gladbach überwintert in der Bundesliga auf Platz drei. "Wir sind stärker wieder zurückgekommen", sagt Eberl.

Falls ter Stegen schon im kommenden Sommer wechselt, erhält Gladbach wohl eine niedrige zweistellige Millionensumme, die zumindest teilweise in einen neuen Torwart reinvestiert würde. Der Freiburger Oliver Baumann wird in der Branche gehandelt, der Hannoveraner Ron-Robert Zieler, der Frankfurter Kevin Trapp und Yann Sommer vom FC Basel - der Düsseldorfer Fabian Giefer ist kein Thema. "Es gibt viele gute Torhüter in Deutschland", sagt Eberl, "ich habe keine Angst, dass wir Marc nicht gut ersetzen können." Damit beginnt die Arbeit. Womöglich sieht es auf Eberls Schreibtisch bald doch nicht mehr so aufgeräumt aus wie sonst.

© SZ vom 08.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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