Transfer:Ein Laienschauspieler wechselt zu Schalke 04

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Coke feiert eines seiner Tore im Europa-League-Finale gegen den FC Liverpool. (Foto: Getty Images)

Mit Coke vom FC Sevilla kommt ein mehr als ungewöhnlicher Profi nach Gelsenkirchen, zwei andere Zu- und Weggänge sind quasi fix und warten nur noch auf die Verkündung.

Von Javier Cáceres, Berlin

An diesem Montag wird sich Jorge Andújar Moreno alias "Coke" in Sevilla förmlich verabschieden; der Spezialist für die rechte Außenbahn weiß, was sich gehört. Und es ist keineswegs ausgeschlossen, dass es bei der Pressekonferenz, bei der er seinen Wechsel zum FC Schalke 04 verkündet, emotional zugehen wird. Fünf Jahre hat Coke in Sevilla verbracht und drei Europa-League-Titel geholt, das schüttelt man nicht so leicht ab. Und wie nah er am Wasser gebaut ist, wissen Spaniens Fußballfans, seit er mal fast ein ganzes Spiel tränenüberströmt absolvierte.

Im Jahr 2011, als er mit seinem Jugendklub Rayo Vallecano, dem Verein aus dem Madrider Arbeiterviertel Vallecas, in die erste Liga aufstieg, hat er nach eigenen Angaben "60 Prozent des Spiels gegen Xerez geflennt wie ein Kind". Immer wieder schossen ihm die Bilder einer Saison durch den Kopf, in der die Profis monatelang kein Geld gesehen hatten - und an einem Zahltag von Männern mit Maschinenpistolen auf der Geschäftsstelle von Rayo überfallen wurden. Was er damals aber noch nicht ahnte, war, dass er Vallecano gar nicht in die Primera Division begleiten, sondern nach Sevilla wechseln sollte.

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Dort wuchs er nicht unmittelbar, aber umso intensiver zur Führungs- und Integrationsfigur heran. Er wurde Kapitän und Vertrauensmann des soeben zu Paris St. Germain abgewanderten Trainers Unai Emer. Und im Europa-League-Finale 2016 erzielte er beim 3:1-Sieg Sevillas gegen den FC Liverpool von Trainer Jürgen Klopp zwei Tore. Die Dankbarkeit Sevillas spielt daher eine Rolle, wenn dem 29 Jahre alten Coke jetzt der Schalke-Wechsel ermöglicht wird - obwohl die Spanier für ihn sportlich durchaus noch Verwendung hätten.

Am Sonntag teilte der FC Schalke mit, er habe mit Coke "grundsätzliche Einigung" über einen Dreijahresvertrag erzielt. In Spanien heißt es, Cokes Gehalt in Gelsenkirchen werde seinen bisherigen Verdienst (angeblich knapp 1,5 Millionen Euro netto) deutlich übersteigen. Schalke selbst wird laut spanischen Medienberichten eine Ablöse von fünf Millionen Euro überweisen, in deutschen Medien werden hingegen drei Millionen genannt.

So oder so erhalten die Schalker einen Profi, der schon deshalb als außergewöhnlich gilt, weil er aus dem herkömmlichen Rahmen des Berufsfußballers fällt. In Sevilla lebte Coke, anders als der überwiegende Teil des Teams, nicht in einer noblen Villensiedlung, sondern mitten in der Innenstadt, um das kulturelle Leben der Stadt aufzusaugen. Vor ein paar Jahren schloss er sich sogar einer Laienschauspielgruppe namens "El Gato en la Bicicleta" (Die Katze auf dem Fahrrad) an - als wäre sein Horizont nicht vorher schon weit genug gewesen. Coke hätte erklärtermaßen gerne Werbung und Öffentlichkeitsarbeit studiert, doch seine Abschlussnoten waren nicht gut genug. Seine Wahl fiel daher auf den Journalismus, obwohl er die Sportpresse seit Jahren meidet. Was nicht heißt, dass er sich nicht mit Fußball auseinandersetzen würde. Im Gegenteil.

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Ausdruck seiner tiefen Beschäftigung mit der Sportart ist seine taktische Intelligenz und Disziplin, die ihn zu einem vielseitigen Spieler gemacht haben. Auf der rechten Außenbahn hat er sich auf allen Positionen als verwendbar erwiesen, auch im Mittelfeld hat er zufriedenstellend ausgeholfen. Schalke sieht in ihm überdies einen Spieler, der einer eher jungen Mannschaft Charakter und Mentalität verleihen soll. Coke zeigt sich gerade in schwierigen Momenten einer Partie präsent - wie im Europa-League-Finale, als er sich nach dem 0:1-Rückstand gegen Liverpool zur zentralen Figur des Spiels aufschwang.

Dank Coke kann Schalke nun nach Innenverteidiger Naldo vom VfL Wolfsburg und dem Schweizer Stürmer Breel Embolo vom FC Basel bereits den dritten spannenden Zugang vermelden. Dazu kommt nun noch ein Leihgeschäft: Für die linke defensive Außenbahn kommt Abdul Rahman Baba auf Leihbasis vom FC Chelsea zurück in die Bundesliga. Baba, 22, war beim FC Augsburg unter dem neuen Schalke-Trainer Markus Weinzierl zu einem begehrten Transferobjekt geworden und vor einem Jahr für angeblich mehr als 20 Millionen Euro nach London gegangen; dort aber kam der Ghanaer nur zu 15 Einsätzen.

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Derweil bleibt der deutsche Nationalspieler Leroy Sané, 20, weiter auf dem Absprung. Sein Wechsel zu Manchester City steht wohl bevor. Sané gilt als einer der Wunschspieler von Citys neuem Trainer Pep Guardiola, doch die Verhandlungen mit Schalke sind noch nicht abgeschlossen. Der Bild am Sonntag zufolge hat Sané in Gelsenkirchen allerdings bereits seinen Ausstand gegeben.

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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