Trainerposse bei Zweitligist St. Pauli:"Damit habt Ihr nicht gerechnet, oder?"

Lesezeit: 2 min

Irre Pressekonferenz beim FC St. Pauli: Als alle von einer Entlassung von Trainer Andre Schubert ausgehen, spricht der Klub seinem Coach das Vertrauen aus. Der lacht und macht flapsige Sprüche - denn auch Schubert hatte mit seiner Entlassung gerechnet.

Jörg Marwedel, Hamburg

Es gibt beim FC St. Pauli Pressekonferenzen, da müssen etliche Menschen stehen. Zu klein ist der Medienraum im Millerntorstadion. So war es, als der alte Trainer Holger Stanislawski vor einem Jahr tränenreich seinen Abschied verkündete. Und so war es am Montag, als die Journalisten die Entlassung des Stanislawski-Nachfolgers André Schubert erwarteten. Denn längst hatte jene Kritik die Runde gemacht, die es im Präsidium nicht an Schuberts Fußballsachverstand, wohl aber an seinem Umgang mit Menschen gab.

Doch dann brachte das Präsidium den scheinbar Entlassenen nach einem "kritischen Analyse-Gespräch über atmosphärische Störungen", so Präsident Stefan Orth, mit und bestätigte, dass "wir uns freuen, weiter mit dem Cheftrainer zusammenzuarbeiten". Auch Schubert war überrascht von der Wende, daraus machte er kein Hehl. Viele hätten sich schon von ihm verabschiedet, berichtete er. Als er zur morgendlichen Sitzung fuhr, war auch er der Meinung, dass sich das Präsidium gegen ihn entschieden habe.

Stattdessen hat die Führung noch einmal offen mit ihm diskutiert und die angedachte Entlassung zurückgenommen. "Damit habt Ihr nicht gerechnet, oder?", fragte der Coach in die Runde. Es sei bemerkenswert, dass das Präsidium die Größe besessen habe, die Situation nach dem Gespräch anders zu bewerten. Das, befand Schubert, "ist St.-Pauli-like".

Obwohl das Team das Ziel Bundesliga-Aufstieg mit 62 Punkten nur knapp verpasste, sprach der Präsident von einer "holprigen Saison". Immerhin hatte nicht nur der Mannschaftsrat vorgesprochen, der dem Chef Mängel in der Kommunikation und rüden Umgangston vorwarf. Auch Sponsoren, Präsidium und Aufsichtsrat waren oft entsetzt, wie Schubert in manchen Fragen "nicht den richtigen Ton traf". Es schien, als würde sich ein guter Fachmann mit seiner Art die Karriere verbauen. Schubert selbst hatte am Freitag eingeräumt, er sei "nicht der Diplomatischste". Vor allem, wenn die Dinge nicht so schnell gingen wie er sich das vorstelle: "Kann sein, dass ich damit den einen oder anderen brüskiert habe."

Auch Sportchef Helmut Schulte hat angeblich den Trainer so kritisch gesehen, dass er für eine Auflösung des bis 2013 gültigen Vertrages war. Bei der Pressekonferenz war Schulte überraschend nicht dabei, was Fragen nach dessen Zukunft aufkommen ließ. Auch mit Schulte, so Vizepräsident Bernd-Georg Spies, werde das Präsidium zeitnah ein Analyse-Gespräch führen. Auch an Schulte gibt es intern offenbar einiges auszusetzen. Schubert sprach davon, es gebe "kontroverse Meinungen und Diskussionen".

Orth und seine Kollegen haben nach mehreren Gesprächen den Eindruck, dass der selbstkritische Schubert sich ändern wolle. Das habe er in den vergangenen Wochen schon gezeigt. Ein echter Clou wäre demnächst aber eine weitere Pressekonferenz. Vielleicht geht es dann um die Entscheidung über den Sportchef.

© SZ vom 08.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bundesliga-Statistik
:Kartenprovozierer und Chancentode

Borussia Dortmund ist Deutscher Meister, Kaiserslautern und Köln steigen ab - das verrät die Abschlusstabelle der Bundesliga. Doch welcher Verein hat die meisten gelben Karten provoziert, wer hat seinen Gegner häufig ins Abseits gestellt und wer hat die meisten Torchancen vergeben? Elf Tabellen zur Bundesliga-Saison.

Jürgen Schmieder

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: