Trainergespann bei Bayer Leverkusen:Aneinander gekettet

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Eine Leverkusener Führungs-Konstruktion, die funktionieren kann: Sami Hyypiä hat die Reputation, Sascha Lewandowski den Trainerschein und das Fachwissen. Dabei ist eine Doppelspitze auf der Bank in der Bundesliga eher ungewöhnlich.

Ulrich Hartmann, Leverkusen

Es geht um zwei ungleiche Männer, die sich zusammenraufen müssen. Der eine ist charakterlich ein bisschen hüftsteif, der andere provokant entspannt. Die Umstände haben sie aneinander gekettet, und aus den Konfrontationen der beiden ungleichen Charaktere entstehen allerhand Running Gags. Sascha Lewandowski findet die US-Sitcom "Two and a half Men" recht amüsant, "ein bisschen seicht", sagt er, und doch ist es eine jener Serien im Fernsehen, bei denen er nicht gleich weiterschaltet.

Sami Hyypiä (li.) und Sascha Lewandowski wollen in Leverkusen Großes erreichen. (Foto: dapd)

Auch beim Bundesligisten Bayer Leverkusen vermutet mancher zwei ungleiche Typen, die sich arrangieren müssen. Der eine hat eine große Karriere als Fußballer hinter sich, besitzt aber noch keinen Trainerschein. Der andere hatte keine Karriere als Fußballer, gilt aber als Fachmann für Trainingsgestaltung und Spielstrategie.

Die Umstände haben den finnischen Ex-Profi Sami Hyypiä und den vormaligen Nachwuchscoach Sascha Lewandowski als Trainerduo beim Bundesligisten Bayer Leverkusen aneinander gekettet, aber aus der Konfrontation der beiden entstehen keine Running Gags, und es gibt auch kein eitles Gerangel. "Wir sind gar nicht so unterschiedlich", sagt Lewandowski, "das versucht man uns zwar gelegentlich einzureden, aber in den wesentlichen Punkten sind Sami und ich so nahe beieinander, dass wir beschlossen haben, okay, wir machen das sehr gerne in dieser Konstellation weiter."

Hyypiä, 38, als "Teamchef" und Lewandowski, 40, als "Cheftrainer" haben einen Vertrag für drei Jahre unterschrieben. Sie stehen nun mit längerer Perspektive gleichberechtigt an der Spitze von Bayers Profimannschaft, und es entspricht offenbar einer von Hierarchien geprägten Mentalität, dass die Öffentlichkeit gerne darüber spekuliert, wer von den beiden denn nun der heimliche Chef sei und dass so ein gleichberechtigtes und möglicherweise sogar freundschaftliches Miteinander im Haifischbecken Bundesliga doch nur schwerlich möglich sei.

Es könnte ja vielleicht doch ein bisschen so zugehen wie in der US-Serie mit den Radaubrüdern, aber wenn man Lewandowski mit dieser Parallele provoziert, wirft er den Kopf in den Nacken und lacht schallend. "Ich wusste ja damals tatsächlich nicht, was mich erwartet", sagt er über jene kurzfristige Entscheidung am 1. April, als er mit Hyypiä zum Nachfolger-Duo für den entlassenen Robin Dutt ernannt worden war. "Natürlich hätte es sein können, dass Sami und ich in den grundlegenden Fragen komplett unterschiedlich denken", sagt Lewandowski heute, "aber es hat sich herausgestellt, dass wir sehr ähnlich ticken."

Hyypiä ist der Mann mit der öffentlichen Reputation, Lewandowski jener mit dem erforderlichen Trainerschein und einem großen Know-How. "Schon damals", als jugendlicher Fußballer bei Eintracht Dortmund, sagt Lewandowski, "habe ich eine Affinität zum Trainerjob entwickelt, weil ich das Gefühl hatte, das Spiel ganz gut zu verstehen".

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Mit 17 Jahren hat der gebürtige Dortmunder die D-Jugend seines Heimatklubs Eintracht trainiert, danach die B-Jugend der SG Wattenscheid, die A-Jugend beim VfL Bochum und schließlich die A-Jugend von Bayer Leverkusen, wohin er vor fünf Jahren wechselte und alsbald zum Nachwuchs-Cheftrainer avancierte.

Lewandowski hat eine Karriere als Jugendtrainer hingelegt und 2009 seinen Fußball-Lehrerschein mit der Note 1,5 abgelegt. Er hat nach der Bochumer A-Jugend (2004 und 2005) auch die Leverkusener A-Jugend (2010) ins Endspiel um die deutsche Meisterschaft geführt und sagt vor Beginn der neuen Saison, er wäre auch nicht böse gewesen, wenn er weiterhin im Nachwuchs-Bereich tätig geblieben wäre.

Er hat nicht mit den Hufen gescharrt und nicht ungeduldig auf die Chance gewartet, ins Profigeschäft aufzusteigen, aber er wacht jetzt auch nicht jeden Morgen auf und wähnt sich im Fußballparadies. Lewandowski kennt die Herausforderung, die Chance, den Druck und vor allem die harte Arbeit, die zum Erfolg nötig ist. Dass er neuerdings Autogramme geben muss und auf dem Weg zum Trainingsplatz dutzendfach fotografiert wird, "das gehört dazu", sagt er, "aber ich bräuchte das nicht". Trotzdem erfüllt er die Wünsche der Fans mit Charme und großer Freundlichkeit.

Wer so unverhofft und über Nacht an die Spitze einer Bundesliga-Mannschaft berufen wird, ist über geteilte Verantwortung vielleicht nicht mal unglücklich. Lewandowski gestaltet die taktische Vorbereitung der Mannschaft auf das nächste Spiel. Hyypiä hält die finale Ansprache, unmittelbar bevor es dann raus geht ins Stadion. Man stellt sich das ein bisschen so vor wie bei Jürgen Klinsmann und Joachim Löw damals an der Spitze des Nationalteams. "Jeder hat seine Stärken, keiner macht hier den Zampano", sagt Lewandowski über Hyypiä und sich.

Und trotzdem: Ist so eine Konstellation mit zwei gleichberechtigten Trainern wirklich eine Lösung für länger, kann das dauerhaft funktionieren? "Ja, klar", antwortet Lewandowski und schüttelt kaum merklich den Kopf, als fände er die Frage absurd. Mehr gibt es zu diesem Thema aus seiner Sicht dann auch nicht zu sagen. Alles andere ist bloß Stoff für eine ulkige Fernsehserie.

© SZ vom 09.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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