Tour de France:Mühsam ernährt sich der Tiger

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Später Angriff: Tadej Pogacar sprintet die letzten Meter zum Grand Colombier hinauf - er gewinnt nur ein paar Sekunden auf Jonas Vingegaard im Gelben Trikot. (Foto: Papon Bernard/Pool via Reuters)

Die Tour de France wird zum Sekundenthriller: Auf der Bergetappe zum Grand Colombier attackiert Tadej Pogacar erst spät. Er nimmt Jonas Vingegaard etwas Zeit ab - aber es reicht nicht fürs Gelbe Trikot. Der Däne bleibt ganze neun Sekunden vorne.

Von Johannes Aumüller, Culoz

Vor ein paar Tagen hat die Mannschaft UAE dem Rest des Pelotons ein kleines Rätsel gestellt. "Okay, Jungs, Plan C. Wir springen den Tiger. Wenn die Krokodile schwimmen müssen, springt ihr", funkte die Teamleitung während einer mäßig schwierigen Passage an ihre Fahrer um den slowenischen Kapitän Tadej Pogacar. Und hinterher haben sich die UAE-Vertreter durchaus amüsiert über ihren kryptischen Code, den keiner verstand.

An diesem Freitag nun hat UAE wieder ein kleines Rätsel aufgeworfen, diesmal mit der Taktik, mit der das Team dem Gelb-Träger Jonas Vingegaard (Jumbo-Visma) zu Leibe rückte. Die erste von drei aufeinanderfolgenden Bergetappen stand an, mit dem Ziel oben auf dem Grand Colombier, und den ganzen Tag über trat UAE in die Pedale wie Raubtiere. Kaum war eine Ausreißergruppe ein paar Minuten weg, hielt das Team das Tempo hoch, erst über die vielen flachen Kilometer des Tages, dann auch in den steilen Stücken des 18 Kilometer langen Schlussanstieges. Ein Jumbo-Helfer nach dem anderen fiel hinten aus dem Peloton, Vingegaard hatte irgendwann nur noch einen Begleiter, die ganze Darbietung der Tiger war furchterregend, nur der Obertiger tat: nichts. Oder korrekt gesagt: Fast nichts.

So 600 Meter vor dem Ziel trat der Slowene endlich an, und er sprintete die letzten 500 Meter, als befinde er sich nicht auf einer der steilsten Tour-Rampen, sondern auf der Radrennbahn von Berlin. Vingegaard konnte zwar wie schon bei zwei vergangenen Ankünften nur mit Mühe Folge - aber da war natürlich nicht mehr viel Strecke, um Vingegaard noch Zeit abzunehmen. Vier Sekunden vor dem Dänen kam Pogacar ins Ziel, und für Rang drei (hinter Tagessieger Michal Kwiatkowski und Maxim van Gils) gibt es vier Sekunden Zeitgutschrift noch obendrauf, was insgesamt nun dazu führt, dass er im Gesamtklassement nur noch neun Sekunden hinter Vingegaard liegt. ( Hier geht es zum Ergebnis der Etappe und zu den Wertungen.)

Michal Kwiatkowski aus Polen gewinnt die Etappe. (Foto: Jasper Jacobs/dpa)

"Es war ein kleiner Sieg für uns mit den Sekunden. Das ist ein guter Anfang", sagte Pogacar, wirkte aber dennoch nicht restlos zufrieden. Und Vingegaard seinerseits tat so, als sei alles wunderbar gelaufen: "Ein paar Jungs konnten frühzeitig loslassen, ich war nie alleine." Aber diese Bergankunft bestätigte einmal mehr den Eindruck der ersten Tour-Hälfte, dass die beiden Kontrahenten im Kampf um den Tour-Sieg ungefähr gleich stark sind. Nur einmal gab es bisher einen etwas deutlicheren Abstand, das war auf der ersten Pyrenäen-Etappe, als Pogacar eine Minute einbüßte. Seitdem knabbert er mühsam wie ein Tiger Sekunde für Sekunde dieser Zeit wieder ab.

Pogacars Zurückhaltung am Colombier hatte für die anderen Klassementfahrer den ungewohnten Nebeneffekt, dass sie tatsächlich mal bis kurz vor der Ziellinie mithalten konnten mit den beiden Matadoren dieser Rundfahrt. Auch der australische Bora-Kapitän Jai Hindley kam kurz nach Pogacar/Vingegaard ins Ziel und verteidigte seinen dritten Platz in der Gesamtwertung mitsamt 1:57 Minuten Vorsprung vor dem Spanier Carlos Rodriguez (Ineos).

Aber nach diesem Auftakt des schweren Dreier-Bergblocks stehen nun zwei Etappen an, die anders konzipiert sind. Am Freitag gab es einen langen Anlauf zu einem steilen Finale. Am Samstag geht es auf dem Weg nach Morzine über vier schwierige Anstiege (inklusive des Col de Joux Plane aus der Ehrenkategorie als Krönung), am Sonntag immerhin über drei. Gut möglich, dass das ein Terrain ist, das den Krokodilen wieder etwas mehr liegt als den Tigern.

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