Tour de France: Kolumne "Am Straßenrand":Der Gendarm und das Handy

Lesezeit: 1 min

Nur kurz einen Gedanken festhalten ... ist während der Fahrt tabu. (Foto: Rolf Kremming/Imago)

Rote Ampeln? Egal. Halteverbot? Auch. Ein Sticker auf dem Auto erlaubt einem bei der Tour fast alles. Aber nur fast.

Von Johannes Aumüller

Ohne diesen Sticker geht nichts. Wer über die Tour berichten will, erhält von den Organisatoren einen großen Klebestreifen für die Windschutzscheibe des Autos. Damit ist man als Teil des Trosses markiert und kommt dann auch gut zu Start und Ziel. Und damit wird einem quasi erlaubt, ein paar Verkehrsregeln zu brechen. Mit dem Sticker auf dem Auto darf man, polizeilich genehmigt, über so manche rote Ampel fahren. Man darf auch in den ellenlangen Staus, die sich nach einer Bergetappe bilden, links ausscheren und sich der evacuation general anschließen, mit der die Gendarmerie den Tour-Tross aus vollgestopften Tälern eskortiert. Und man darf sich zur Not auch ins absolute Halteverbot stellen, zumindest wenn man keine Zufahrt zu einem Hospital blockiert, sondern einen Platz, den eine Bank zum reibungslosen Abwickeln eines Geldtransports reserviert ("interdit sauf transport de fonds").

Aber alles darf man sich auch mit Sticker nicht erlauben. Eine der größten vorstellbaren Sünden: auf einem Abschnitt der für die Etappe abgesperrten Strecke in die falsche Richtung fahren. Selbst wenn das nur 500 Meter sind, weil man blöderweise an der Tankstelle vorbeigefahren ist. Dann kann es passieren, dass ein rigoroser Tour-Aufpasser den Sticker vom Auto reißt. Und im ungeschriebenen Kodex des Tourtrosses steht leider auch nichts davon, dass einem der Sticker erlaubt, während der Fahrt das Handy zu benutzen, um, ähm, ja, also natürlich nicht, um eine Whatsapp zu schreiben, sondern um per Diktierfunktion einen spontanen Gedanken festzuhalten.

So wie auf der kurvigen Bergabfahrt nach Cluses, das Peloton ist längst fort, jetzt fährt man hinterher und in einer sehr langsamen Kurve schrei..., ähm kommt einem so ein Gedanke, den man unbedingt festhalten möchte, schaut kurz aufs Handy - und am Ende der Kurve direkt in die Augen eines Gendarms, der da in seinem Auto sitzt. Kaum ist das Gerät zur Seite gelegt, setzt sich das Polizeiauto in Bewegung, dreht um und düst mit Blaulicht ein paar Kurven hinter einem her - bis weiter unten der nächste Gendarm auftaucht, bei dem der Blaulichtfahrer anhält und den Handysünder fahren lässt. Der Sticker bleibt dran, die Tour geht weiter.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTour de France
:Schneller als die Superdoper

Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar liefern sich ein denkwürdiges Duell um den Sieg bei der Tour de France. Und sind dabei so rasant unterwegs, dass sie einen skeptischen Blick auf ihre Leistungen befeuern.

Von Johannes Aumüller

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: