Torsten Fröhling beim TSV 1860:Locker, tief und knarzend

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Torsten Fröhling am Vereinsgelände des TSV 1860. (Foto: dpa)
  • Torsten Fröhling ist der erste Trainer beim TSV 1860 seit dem Abstieg, von dem nicht der Aufstieg erwartet wird.
  • Im Abstiegskampf der zweiten Bundesliga empfangen die Löwen nun den Tabellenletzten FC St. Pauli.
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Von Philipp Schneider

Torsten Fröhling saß schon eine Weile auf dem ihm zugewiesenen Stuhl, ganz höflich wartete er offenbar noch auf ein paar Journalisten, die später erst eintrafen im kleinen Pressekabuff an der Grünwalder Straße. So vermuteten manche. Ganz sicher aber wartete der Trainer Fröhling auf den Fußballer Moritz Volz, der ja ebenfalls angekündigt war für diese Pressekonferenz vor dem enorm wichtigen Heimspiel gegen den FC St. Pauli an diesem Samstag (13 Uhr). Fröhling blickte also kurz hinab auf den verwaisten Stuhl neben sich, dann sprach er diesen wunderbaren Satz: "Typisch, ich bin hier, nur mein Spieler nicht. Aber ihr habt das organisiert, sonst wäre er schon hier." Dann lachte Fröhling, tief und knarzend.

Nun ist es ja so, dass der Spieler Volz schon seit ein paar Jahren mehr oder weniger aktiv ist in der Profimannschaft des TSV 1860 München. Fröhling hingegen, ehemals Verantwortlicher der U21, war erst am Dienstag nach einigen internen Wirrnissen zum Cheftrainer der ersten Mannschaft befördert worden. Damit er irgendwie den Abstieg aus der zweiten Liga verhindern möge.

Fröhling scherzte, Fröhling lachte, war ihm die Anspannung anzusehen?

Kaum. Vor seinem ersten Spiel fange es zwar ein bisschen an "zu kribbeln", Zeit um nervös zu sein, habe er aber bisher nicht gehabt. "Wichtig ist, dass wir gegen St. Pauli schnell Sicherheit gewinnen", sagte er: "Ohne Spaß funktioniert nicht viel. Wir haben noch 13 Spiele, niemand muss verkrampfen." Und wie zur Bestätigung lachte neben ihm Volz kurz auf, hoch und klar.

Hamburger Akzent im Münchner Pressekabuff

Tatsächlich wäre das ja eine schöne Geschichte: Wenn es dem lockeren Torsten Fröhling gelingen sollte, aus diesem von Sportchef Gerhard Poschner zusammengestellten Kader eine Mannschaft zu formen - nachdem an der Aufgabe schon der noch wesentlich lockerere Ricardo Moniz und der nicht ganz so lockere Markus von Ahlen gescheitert waren. Wenn es also ausgerechnet diesem zweitliga-unerfahrenen Übungsleiter aus Bützow im Landkreis Rostock gelänge, der vor der Wende bei eher handwerklich-rustikal anmutenden Vereinen wie BSG Motor Schönebeck und dem Eisenhüttenstädter FC Stahl kickte - ehe er den Rest seiner Karriere beim Hamburger SV, dem VfB Lübeck und beim FC St. Pauli verbrachte. Offenbar, um sich nicht weit vom Ozean zu entfernen. Oder um sich diesen Hamburger Akzent zuzulegen, der nun in einem Pressekabuff in München hallte.

Die Geschichte wäre vor allem deshalb ganz herrlich, weil Poschner nach eigener Aussage alle anderen Kandidaten wegen der "Bedingungen" abgesagt hatten. Fröhling waren die Bedingungen egal. In seinem Fall entsprachen sie einer Beförderung. Nun darf er sich als erster Sechzig-Trainer seit dem Abstieg begreifen, von dem nicht der Aufstieg erwartet wird. Ob dies womöglich als Wettbewerbsvorteil zu werten sei? "Wenn mir jemand gesagt hätte, ich solle aufsteigen, hätte ich, glaub' ich, doch noch Nein gesagt." Trockener Konter.

Auch Keeper Ortega scheint nicht gesetzt

Wie denn seine Aufstellung aussehen wird? "Ich werde die Sache offensiver angehen und auf jeden Fall Dominik Stahl mitnehmen", sagte Fröhling, was ja einem fußballerischen Paradoxon entsprach. Es werde "Härtefälle" geben, kündigte er noch an - dann strich er prompt Ilie Sanchez, Daylon Claasen und Stephan Hain aus dem Kader. Selbst auf der Position von Torwart Stefan Ortega wollte er sich nicht festlegen, es gebe "überall Überlegungen".

Der nach längerer Verletzungszeit genesene Stahl ist als Abräumer vor der Abwehr traditionell eher für das Grobe zuständig. Doch Stahl sei "Löwe durch und durch". Und überhaupt, der "Teamgeist" sei entscheidend: "Wenn einer nach 60 oder 70 Minuten platt ist, dann soll er die Hand heben und uneigennützig den nächsten ran lassen. Wir haben genug. Das muss man den Spielern einbläuen."

Löwe. Teamgeist. Einbläuen.

Es waren selbstbewusste Ansagen, die Fröhling vor seinem ersten Einsatz in der zweiten Liga machte. Auch dass er am Samstag nicht länger in den beschaulichen Arenen von Schalding-Heining oder Seligenporten coachen wird, sondern an der Seitenlinie eines WM-Stadions von 2006, nahm er dann doch eher gelassen hin. "Grünwalder Stadion mit den Amateuren, vor 12 000 Zuschauern: Das war ein Erlebnis. Ich muss mir da in der Arena erst mal die Kabine anschauen, da war ich noch nicht. Vielleicht mache ich dann auch mal den Mund auf." Alles andere wäre in der Tat: erstaunlich.

© SZ vom 21.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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