Golf:Tiger Woods: Einmal Fixstern und zurück

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Tiger Woods war früher der Fixstern im Golfsport. Heute wäre er froh, einfach schmerzfrei golfen zu können. (Foto: AFP)

Der Aufstieg des Golfprofis ist einzigartig, sein Absturz auch. Nun wird er 40 - eine kleine Zeitreise.

Von Gerald Kleffmann

Tiger Woods ist ein Tier. Schreibt er selbst gerade auf seiner Homepage. Seit 20 Jahren spiele er Profi-Golf, "diese Zeit habe ich in Hundejahren gelebt", so sieht er das. Macht: "140 Jahre", wie Woods witzelt. Andererseits findet er, dass die 140 Jahre "wie fünf Jahre" verflogen sind. An diesem Mittwoch wird der erste Milliardär des Leistungssports 40 Jahre alt. Da darf man sinnieren. Wie ein Popstar schoss Woods in den Olymp, 14 Major-Titel, Leibwächter, einer vom anderen Stern. Dann: dunkle Geheimnisse als Ehemann, Scheidung, sportlicher Absturz. "Wo sehe ich mich in den nächsten zehn Jahren?", das fragt Woods nun öffentlich zum Jubiläum. Seine Antwort: "Ich spiele weiter Golf auf dem höchsten Level, gewinne Turniere und Majors." Und: "Ich bin auf der Suche nach der Mitte." Nur: Wo ist die, wenn man in Superlativen existiert? Eine kleine Zeitreise durch 140 Woods-Jahre.

Bop Hope

Eldrick Tont "Tiger" Woods gilt bei Vater Earl als Auserkorener. Der Vietnam-Veteran drillt den Junior in Kalifornien. Als der sechs Monate alt ist, sägt Earl einen Schläger ab, drückt ihn Tiger in die Hand. Mit zwei locht er Bälle ein, puttet im Fernsehen mit Komiker Bob Hope. Mit 13 berichten TV-Sender über ihn. Woods ist, aus Marketingsicht genial, wohl der globalste Sportler. Er ist: ein Viertel afrikanisch (Vater), thailändisch (Mutter), chinesisch (Vater) sowie ein Achtel indianisch (Vater) und holländisch (Mutter). Der Begriff "Cablinasian" trifft auf ihn zu, der sich aus Buchstaben der Wörter Caucasian, Black, (American) Indian, Asian zusammensetzt. Manche vermuten andere Bausätze. "Vielleicht sollten wir ihn aufschneiden, um zu sehen, was drin ist", sagt US-Profi Stewart Cink - "vielleicht finden wir nur Schrauben und Muttern." Woods pflügt wie eine Maschine zu Siegen. 79 sind es bis dato, weltweit.

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Augusta, 1997

Am 13. April 1997 macht Woods aus Earls' Vision Realität und beginnt seinen Triumphzug. Er wird mit 21 Jahren jüngster und erster nicht-weißer Sieger beim heiligsten aller vier Majors - mit zwölf Schlägen Vorsprung in Augusta, beim Masters. 44 Millionen Amerikaner sehen die Woods-Oper, TV-Rekord. Bei seiner persönlichen Bilanz nun würdigt er als Erstes jenen Erfolg: "Er war speziell." Das einzige, was nicht perfekt wirkt damals, ist das grüne Sakko, das er als Champion erhält. Sein noch schmächtiger Körper versinkt darin.

Tiger Slam

Der Woods ab der Jahrtausendwende ist der beste, den es je gab, vorher wie nachher. Jahresübergreifend gewinnt er dank seiner Präzision im Spiel, seiner weiten Abschläge und seiner Abgebrühtheit vier Majors in Serie. Der "Tiger Slam" mit den Siegen bei der US Open, der British Open, der US PGA Championship (alle 2000) und dem Masters (2001) ist geboren. Diese Serie hat noch niemand geschafft. Der Kult um ihn wächst und wächst, was auch daran liegt, dass er sich öffentlich unnahbar gibt - und ihn das noch geheimnisvoller, überirdischer erscheinen lässt. Dahinter steckt offenbar von Beginn an Kalkül - des Vaters. Einmal soll (der 2006 verstorbene) Earl den jungen Tiger gefragt haben: "Wo bist du geboren?" Der Filius sprach: "Ich bin am 30. Dezember 1975 geboren, in Long Beach in Kalifornien." Earl erwiderte: "Nein. Du darfst immer nur das beantworten, wonach man dich gefragt hat." So wurde er auf das Leben als Star vorbereitet - nie zu viel reden.

Der Durchbruch: 1997 siegt Tiger Woods beim Masters und erhält das "Green Jacket". (Foto: imago)

Hootie and the Blowfish

Gerade weil Woods sich abschirmt, gieren die Klatschgazetten nach Informationen. Nicht alles ist fundiert. Eine High-School-Freundin spottet: "Er liebte es zu tanzen, aber es sah seltsam aus. Er sah aus wie ein wilder Verrückter. Jeder hätte über ihn gelacht." Als Mann ist er begehrt. Das Bemerkenswerteste bis 2001: Einmal geht er mit einer Frau aus, die kein Model ist. Und einmal mit einer, die keine Blondine ist. Beides rückt Woods 2004 zurecht, als er das Unterwäsche-Model Elin Nordegren heiratet. Die Schwedin jobbte bei seinem Golfprofi-Kumpel Jesper Parnevik als Kindermädchen. Die Beziehung beginnt als perfekte Romanze. Heiratsantrag im Shamwari Game Reserve in Südafrika, beim Spaziergang in den Sonnenuntergang. Hochzeit im Edel-Resort in St. James, Barbados. 150 Gäste (Oprah Winfrey, Bill Gates). Hootie and the Blowfish musizieren. Aus London fliegt ein Team von Hairstylisten für alle ein. Nachts leuchtet ein Feuerwerk über dem karibischen Meer.

Schläger im SUV

2009 die private Krise: Nach einem Streit zertrümmert Gattin Elin das Auto. (Foto: imago)

Wie Bilder trügen können. Lange wirkt Woods' Leben wie ein Dauer-Tombolagewinn. Er und Elin bekommen zwei Kinder. Es geht ihm, auch dank Werbemillionen, prächtig: eine Yacht, Autos, Häuser in Wyoming, Schweden und Florida, von denen eines 39 Millionen Dollar kostet, aber einiges auch bietet - zwei Gästehäuser, ein Strandhaus, einen Basketballplatz, ein Putting Green, ein Beachvolleyballfeld, zwei Bootsstege. Ach, und Céline Dion ist die Nachbarin. Am 27. November 2009 ändert sich alles schlagartig - Elin zertrümmert vor der Villa Tigers SUV, angeblich mit dem Golfschläger. Woods wird verstört in einer Decke eingehüllt vorgefunden. Ab diesem Moment bricht die Fassade, Damen aus gewissen Milieus weisen darauf hin, dass sie die Woods'sche Manneskraft kennenlernen durften. Sportlich nimmt er eine Auszeit, seine Leistungen und sein Image werden nie mehr sein wie zuvor. Daran ändert auch eine durchchoreografierte TV-Beichte nichts. Woods begibt sich wegen der Sexsucht in Therapie. Die Dimension des Woods-Falls wird am Rande kurios belegt: Paparazzifotos zeigen im zertrümmerten Auto ein Buch, das dort lag. Das Werk des Autors John Gribbin mit dem Titel "Get a Grip on Physics", vorher ein Rohrkrepierer, wird prompt ein Bestseller.

Achterbahn

Im April 2010 kehrt Woods zum Masters zurück, quält sich zu Rang vier, fortan fährt er Achterbahn. Es geht rauf, aber heftiger runter. Und damit ist nicht die Liaison mit Ski-Ass Lindsey Vonn gemeint, die drei Jahre hält (davon abgesehen, dass ihm in der Zeit ein Fotograf versehentlich einen Zahn ausschlug und er Vonn wohl doch nicht ganz treu war). Nach 281 Wochen löst ihn der Brite Lee Westwood als Weltranglisten-Erster ab. Er wechselt Trainer. Trennt sich von Dauer-Caddy Steve Williams. Hadert mit Verletzungen. Aber auch: Nach 30 Monaten ohne Titel siegt er 2012 auf der US-Tour. 2013 ist er wieder oben in der Rangliste. Aber was zählt das? Er hängt seit 2008 bei 14 Majors fest. Dass er Jack Nicklaus (18) einholt - unwahrscheinlich. Zwei Rücken-, vier Knie-Operationen sowie die Suche nach dem perfekten Schwung setzen ihm zu. Er weiß immerhin: "Ich möchte keinen weiteren Eingriff. Und selbst, wenn ich nicht zurückkomme und spielen kann, möchte ich immer noch ein gutes Leben mit meinen Kindern haben." Auf der Playstation, so sieht er das jetzt, mache er raschere Fortschritte als im Reha-Center.

Zukunft

Woods, der frühere Fixstern im Golf, ist trotz Dauerkritik mit sich im Reinen, so klang es jüngst in einem Interview. Er versteht sich mit der Exfrau, sieht Aufgaben, die Kinder, die Stiftung, sein Restaurant um die Ecke. Ob er sportlich noch beißt wie ein Hund, das ist die Frage. 416. ist er im Ranking, eine neue Generation glänzt. Der frühere Profi Paul Azinger blickte schon 2014 leidend in die Zukunft, als er meinte: "Der Künstler ist zum Mechaniker geworden. Es tut weh, einen Vincent van Gogh nur Nummern malen zu sehen."

© SZ vom 30.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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