Tiger Woods bei den British Open:Wo alles begann - und alles endet?

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Tiger Woods mit der Trophäe der British Open 2000 - seiner ersten in St Andrews. (Foto: IMAGO / Kosecki)

Eineinhalb Jahre nach seinem schweren Autounfall tritt Tiger Woods wieder auf seinem Lieblingsplatz in St Andrews an - womöglich zum letzten Mal mit sportlichen Ambitionen.

Von Felix Haselsteiner, St Andrews

Auf Swilcan Bridge, sagt Tiger Woods, muss er in diesem Jahr etwas mehr aufpassen als früher. Die kleine, 700 Jahre alte Steinbrücke, die den einzigen dünnen Wassergraben auf dem Old Course in St Andrews überspannt, ist eine der ikonischen Stätten des Home of Golf, der Heimat des Golfsports, als die die 18 Löcher an der schottischen Ostküste bekannt sind. Vor einigen Jahrhunderten wurden noch schottische Weideschafe über die Brücke geführt, inzwischen hat jeder wichtige Golfspieler Swilcan Bridge in seiner Karriere ein- oder mehrmals überquert, kurz vor dem letzten Grün, mit Blick auf das imposante Klubhaus. Manche, wie der Amerikaner Tom Watson bei seinem letzten Auftritt im Jahr 2010, haben sie zum Abschied sogar ehrenvoll geküsst.

Woods verwies nun allerdings darauf, dass der historische Steinbogen auch Risiken birgt: "Ich sag es ehrlich: Ich muss ein bisschen aufpassen mit den Spikes an den Schuhen." Mit einem Lächeln auf den Lippen fügte er an, ihn hätte es da am Dienstag fast hingeschmissen.

Dass Woods vor einem Major-Turnier in fast schon launiger Art und Weise über seine körperliche Fitness - oder vielmehr: seine Gebrechlichkeit - sprechen kann, ist ein weiteres Zeugnis einer neuen Phase seiner Karriere. Seit seinem schweren Autounfall im Februar 2021 ging es für Woods die meiste Zeit nicht mehr darum, Golfturniere zu gewinnen, sondern darum, überhaupt wieder laufen zu können. In den ersten Monaten nach seiner Verletzung am linken Bein erschien das äußerst fraglich. Dann erarbeitete sich Woods in der Reha wieder genug Gehfähigkeit, um auf den Golfplatz zurückzukehren - und von nun an hatte er ein klares Ziel vor Augen: "Ich wollte hierher."

Zusammen mit seiner Freundin Erica Herman inspiziert Tiger Woods die berühmte Swilcan Bridge. (Foto: Warren Little/Getty Images)

Die 150. Ausgabe der British Open, die im englischen Originalton nur selbsterklärend The Open genannt werden, ist mehr als nur ein weiteres Major-Turnier. "Es fühlt sich an wie die größte Open Championship, die wir jemals hatten", sagte Woods am Dienstag. Vom Logo bis zum Rahmenprogramm erinnert in St Andrews in dieser Woche alles an die manchmal schon fast unheimlich große Historie, die das älteste aller Golfturniere umgibt. Die eingeflogenen Sieger von früher, die ehrenvoll zurückhaltenden Zuschauer, die schon Tage vor dem Turnier angereist sind, die steinerne Brücke als Fotomotiv: Alles wirkt noch mal ein Stück legendärer als ohnehin schon.

Woods Zuneigung für die historische Atmosphäre in St Andrews ist vor allem dann spürbar, wenn er von den Anfängen auf seinem Lieblingsplatz erzählt. 1995 nahm er als 19-jähriger Amateur zum ersten Mal an den British Open teil, die damals ebenfalls in St Andrews stattfanden. Spieler wie Fred Couples und Bernhard Langer hätten ihm, dem Jungspund, damals in Proberunden erklärt, wie man hier spielen müsse. Woods aber tat sich schwer mit dem Wind, mit dem flachen Platz, der andere Schläge erfordert als in den USA. Er reiste als 68. ab, aber immerhin mit einem Foto, das noch heute in seinem Büro hängt und ihn auf Swilcan Bridge sitzend zeigt.

Im Jahr 2000 siegte er in St Andrews mit acht Schlägen Vorsprung

Irgendwo daneben dürften die zwei Claret Jugs stehen, die Woods später gewann. 2000 dominierte er in St Andrews auf nie zuvor gesehene Art und Weise, mit acht Schlägen Vorsprung gewann Woods seinen ersten Titel als Champion Golfer of the Year. 2005, bei der nächsten Ausgabe in St Andrews, gewann er erneut, diesmal mit im Vergleich zurückhaltenden fünf Schlägen Vorsprung. Woods' Dominanz in den frühen 2000er-Jahren hatte ihren Ursprung an zwei Orten, an denen er seine größten Titel gewann: einerseits im Augusta National Golf Club, der Heimat des Masters, und andererseits in St Andrews.

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Auch die Spätphase bestimmen diese zwei Plätze: Beim Masters im April gab er sein Comeback, mitsamt der Ankündigung, dass er nie wieder ein normaler Spieler sein werde, sondern nur noch an ausgewählten Turnieren teilnehmen werde. Mehr erlaubt sein Knie nicht: "Realistischerweise wird es nicht viel besser als jetzt. Mit 46 verheilen die Dinge nicht mehr so wie mit 26", sagte Woods am Dienstag. Die flachen, schottischen Links-Kurse gäben ihm allerdings die Chance, weiterhin mitzuspielen: "Es braucht viel Wissen und Verständnis dafür, wie man hier spielen muss", sagte Woods.

Man konnte das durchaus als Ansage verstehen im Hinblick auf die vier Turniertage, für die er sich diesmal gewappnet fühlt: Mit einer erneuten vorzeitigen Aufgabe, wie noch bei der PGA Championship im Mai, ist erst einmal nicht zu rechnen. Eher schon mit einem Angriff. "Es wird eine Schachpartie da draußen in dieser Woche", sagte Rory McIlroy am Dienstag: "Und keiner ist besser darin, diese Art von Schach auf Golfplätzen zu spielen, als Tiger."

Woods, der Schachspieler, sieht die British Open aber noch nicht als Gelegenheit für einen Spaziergang durch die Erinnerungen, sondern weiterhin als Möglichkeit, ein weiteres Major-Turnier zu gewinnen. Seit Samstag bereitet er sich in St Andrews vor, am Dienstagvormittag stand er allein zehn Minuten lang auf der 18. Bahn, um denselben Schlag immer und immer wieder zu üben, bis er perfekt war. "It can be done", sagte Woods. Es ist noch mal möglich. Auch McIlroy kann sich vorstellen, dass er am Sonntag gegen seinen Freund Woods um den Sieg spielen müsse, sagte er.

Hat er noch mal eine Chance? Tiger Woods am Dienstag in St Andrews. (Foto: Jane Barlow/PA Images/Imago)

Allzu oft dürfte das nicht mehr der Fall sein. Die 150. Open Championship ist auch insofern ein Einschnitt, als dass Tiger Woods hier wohl zum letzten Mal als sportlich konkurrenzfähiger Spieler antreten wird. Nach St Andrews kommen, um zwei Runden mitzuspielen, den Zuschauern zuzuwinken und Swilcan Bridge zu küssen, wird Woods vermutlich bis ins hohe Alter, doch wenn in sechs oder sieben Jahren die nächste British Open auf dem Old Course stattfindet, wird er in seinen Fünfzigern sein.

Es gebe keine Garantie, dass er dann noch fit genug sei, so Woods' ehrliche Aussage: "Das ist einer der Gründe, warum ich in diesem Jahr unbedingt hier spielen wollte: Hier hat es für mich 1995 begonnen, und wenn es hier 2022 endet, dann ist das so."

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