Tennisspielerin Julia Görges:So gut, dass sie zum Politikum wird

Lesezeit: 3 Min.

Julia Görges glänzte im Fed Cup - aber in Stuttgart spielt sie nicht. (Foto: picture alliance / Daniel Maurer)
  • Julia Görges spielt nach erfolglosen Jahren mit einem neuen Trainer wieder so stark wie früher.
  • Beim Fed Cup in Stuttgart gewinnt sie zwei Einzel - und wird zur Matchwinnerin im Kampf gegen den Abstieg aus der Weltgruppe.
  • Beim anschließenden WTA-Turnier an gleicher Stelle fehlt Görges aber - weil sie keine Wildcard erhielt.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Irgendwann legte dann auch Julia Görges den Stift zur Seite. Sie lächelte, obwohl sich umstehende Menschen längst schon Sorgen um ihr Handgelenk machten, so viele Plakate musste sie unterschreiben. Doch ihre Signatur war begehrt nach dem 3:2-Sieg im Fed Cup gegen die Ukraine in Stuttgart. Mit zwei Einzelsiegen hatte Görges großen Anteil daran, dass die deutsche Tennis-Nationalmannschaft nicht aus der Weltgruppe der besten acht Mannschaften abstieg. "Es waren viele Emotionen im Spiel", sagte Görges hinterher, sie weinte, es waren Tränen größtmöglicher Erleichterung nach einer langen Reise zu sich selbst. Dann sagte sie: "Es wird einige Tage dauern, bis ich das alles realisieren, alles sacken lassen kann."

In den vergangenen Jahren war es ruhig geworden um Julia Görges, sie bewegte sich vor allem im großen Schatten von Angelique Kerber und musste herausfinden, ob Tennis noch der Sport ist, der sie glücklich macht. Vor sechs Jahren war sie in die Weltelite aufgestiegen war, mit dem überraschenden Turniersieg in Stuttgart. Als Weltranglisten-15. galt sie als großes Versprechen für die deutsche Tenniszukunft, als Hochbegabte mit großem spielerischen Potenzial, die alle Schläge beherrscht. Damals sprach noch niemand von Angelique Kerber, doch während die Kielerin im vergangenen Jahr zwei Grand-Slam-Turniere gewann und den Aufstieg zur Nummer eins erlebte, musste Görges ihre Karriere neu sortieren. Sie trennte sich nicht nur von ihrem langjährigen Coach Sascha Nensel, sondern zog auch von Bad Oldesloe nach Regensburg um, um mit Michael Geserer trainieren zu können. Es war ein Trainer- und Ortswechsel mit erfreulichen Konsequenzen "Ich habe dadurch wieder Spaß am Tennis gefunden", erzählt Görges heute.

Görges' neuer Spielstil

Vor allem die Zusammenarbeit mit Hittingpartner Andreas Trägner, einem Regensburger Regionalligaspieler, sowie Athletiktrainer und Physiotherapeut Florian Zitzelsperger bringt sie an ihre Grenzen. "Sie ist sehr zielstrebig, hat aber noch viel Raum nach oben", sagt Geserer. Sie haben sich im Team zum Ziel gemacht, Görges' großes Repertoire voll auszuschöpfen. Das ist nicht leicht, weil sie sich mit ihrem vehementen Einsatz in der Vergangenheit häufig selbst das Leben schwer machte. Geserer arbeitet nun daran, dieses Haurucktennis mit Raffinesse und Geduld zu mixen, ohne ihre Stärken zu vernachlässigen.

Bei ihren Siegen im Fed Cup gegen die Weltranglisten-13. Jelina Switolina und gegen Lessia Zurenko konnten die Zuschauer erkennen, dass sie ihren neuen Spielstil schon gewinnbringend einzusetzen vermag. Görges spielt bedachter, sie baut die Ballwechsel ruhiger auf und schlägt mit mehr Vorwärtsdrall, also etwas langsamer und höher übers Netz, um dann voll durchzuziehen, sobald die Bälle der Gegnerinnen kürzer zurückkommen. Sie rückt dann vor ans Netz und versteht es dabei wie kaum eine andere Spielerin, mit einem Flugball oder Schmetterball zu punkten.

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Ihre gewonnene Reife wird vor allem dann deutlich, wenn sie zurückliegt. Am Sonntag, als es darum ging, den entscheidenden dritten Punkt für die deutsche Mannschaft zu sichern, lag sie gegen Zurenko in den Sätzen jeweils deutlich zurück, im ersten Durchgang musste sie sogar einen Breakball ihrer Gegnerin zum 1:5 abwehren, bevor sie den Satz noch mit 6:4 gewann. Der zweite Durchgang endete mit dem gleichen Resultat.

Ihren Anteil am Sieg gegen die Ukraine wollte sie allerdings nicht überbewerten. "Es war eine Teamleistung, das war nicht nur ich", sagte Görges. Während ihre Teamkolleginnen Angelique Kerber und Laura Siegemund in dieser Woche in Stuttgart bleiben dürfen und beim wichtigsten und mit 776 000 US-Dollar höchstdotierten deutschen Tennisturnier aufschlagen, muss sie erst einmal eine kleine Enttäuschung verarbeiten.

Görges fährt nämlich heim nach Regensburg, um sich dort für das nächste Turnier in Prag zu präparieren. Dass sie nicht in Stuttgart mitspielen darf, entwickelte sich am Rande des Fed Cups noch zu einem kleinen Politikum. Görges fühlte sich benachteiligt, weil sie als Siegerin von 2011 nicht in den Genuss einer sogenannten Wildcard gekommen ist, einer direkten Startberechtigung fürs Hauptfeld. "Ich glaube", sagte sie trotzig, "dass die zwei Siege an diesem Wochenende genug gesagt haben."

Mit ihrer Weltranglistenposition hätte sie nur in der Qualifikation spielen können, da diese zeitgleich zum Fed Cup stattfand, findet der Porsche Grand Prix nun eben ohne Görges statt. Vor allem die Tatsache, dass die Weltranglisten-Siebte Johanna Konta eine Wildcard erhält, obwohl die Britin zunächst nicht in Stuttgart spielen wollte, erzürnt Görges. Doch die Vergabe dieser Zulassung ist recht kompliziert und an verschiedenste Bedingungen geknüpft. Neben Maria Scharapowa, die am Mittwoch nach ihrer 15-monatigen Dopingsperre in Stuttgart auf den Tennisplatz zurückkehrt, erhielt noch die Stuttgarter Vorjahresfinalistin Siegemund eine Wildcard.

Es hätte laut Reglement allerdings die Möglichkeit gegeben, dass der Veranstalter Konta die Startberechtigung verweigert, Siegemund wäre ins Hauptfeld gerückt und die dritte Wildcard wäre an Görges gefallen. Aber Turnierdirektor Markus Günthardt argumentiert damit, dass er auch an die Zukunft des Turniers denken müsse - "und in Zukunft könnte Konta als mögliche Grand-Slam-Turniersiegerin für die exklusive Qualität stehen", wie es der Schweizer ausdrückt. Er wollte sie daher nicht brüskieren.

Görges' Trainer Geserer möchte seine Sicht der Dinge nirgendwo lesen. "Aber wir arbeiten daran, dass Jule künftig solche Diskussionen erspart bleiben und sie direkt im Hauptfeld steht", sagt der frühere Profi. Dazu muss man wissen, dass Stuttgart abseits der vier großen Grand-Slam-Turniere eine der bestbesetzten Konkurrenzen der Welt ist. In diesem Jahr nehmen acht der zehn weltbesten Spielerinnen teil. Julia Görges wird im Moment auf Rang 45 geführt.

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