Wimbledon ohne Weltranglistenpunkte:In die Sackgasse manövriert

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Daniil Medwedew ist Russe und kann deshalb nicht in Wimbledon antreten. (Foto: Peter Nicholls/Reuters)

Weil Wimbledon Russen und Belarussen ausschließt, entziehen WTA und ATP dem Rasenturnier die Weltranglistenpunkte. Der Fall läuft aus dem Ruder - und der russische Verband frohlockt.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Nun ist Einmaliges Fakt: Beim berühmtesten Tennisturnier der Welt werden in diesem Jahr keine Weltranglistenpunkte vergeben. Das haben die Männertour (ATP) und die Frauentour (WTA) beschlossen, um ein Zeichen und den All England Club unter Druck zu setzen. Wimbledon hatte ja verfügt, russische und belarussische Profis von der Rasenveranstaltung auszuschließen, als Folge des russischen Invasionskriegs gegen die Ukraine.

Schnell regte sich Unmut in der Profiszene, und es waren nicht mal von den Sanktionen betroffene Akteure wie der Russe Daniil Medwedew oder die Belarussin Viktoria Asarenka, die den Entscheid beklagten. Rafael Nadal etwa, Mitglied im Player Council, empfand ihn als "unfair gegenüber meinen Kollegen". Am Freitag dann überschlugen sich die Meldungen, und die maßgeblichen Organisationen fielen übereinander her.

Wegen des Ausschlusses von Russland und Belarus
:Keine Weltranglistenpunkte in Wimbledon

Beim Rasenturnier in London werden in diesem Jahr keine Weltranglistenpunkte vergeben. Die Spieler-Organisationen ATP und WTA sagen, der Ausschluss von russischen und belarussischen Spielern sei diskriminierend.

Die ATP und die WTA machten Wimbledon Vorwürfe, der Ausschluss sei im Kern diskriminierend. Wimbledon erwiderte sofort, das Storno der Punkte sei "unverhältnismäßig und schadet allen Spielern und Spielerinnen". Tatsächlich gab es nur eine Partei, die zufrieden ob der neuen Entwicklung war. "Es ist nett, dass die Organisationen auf der Seite der Athleten sind" - sagte Schamil Tarpischew, Präsident des russischen Tennisverbandes.

Wenn der Einzige, der frohlockt, ein hoher Vertreter aus dem Land des Aggressors ist, sagt das viel darüber aus, wie sehr dieser Fall aus dem Ruder gelaufen ist. Die Aktion Wimbledons war sicherlich gut gemeint. Aber eben auch riskant in der Umsetzung, da ein Präzedenzfall geschaffen werden würde. Auf dessen Basis andere Profis aus Ländern mit beispielsweise schweren Menschenrechtsverletzungen ebenso verbannt werden müssten. Die Reaktion der Touren ihrerseits ist gleichwohl verständlich, sie wollen eben genau diesen Präzedenzfall unterbinden. Der Preis dieser Kollision ist irrwitzig: Wimbledon wird ein Showevent, sollte alles kommen wie angekündigt. Absurd.

Die Sackgasse, in die sich alle manövriert haben, ist vor allem Ausdruck des gemeinsamen Gegeneinanders der Tennis-Mächte. Da sollte niemand zu sehr auf den anderen zeigen. Man fragt sich auch: Reden die eigentlich mal miteinander? Als zu Beginn der Pandemie die French Open eigenmächtig ihr Turnier in den Herbst verlegten, waren die Franzosen die Bösen.

Nun isolierte sich Wimbledon, womöglich in der falschen Annahme, die anderen würden dem Branchenführerturnier schon folgen. Doch wenn die Schnittmengen bei den Interessen fehlen, enden im Tennis die Bündnisse, von denen es im Grunde so viele gibt wie Spieler, Turniere, Agenten, Sponsoren.

Selbst die ATP ist in sich nicht geschlossen, die Spielergewerkschaft PTPA würde zu gerne mehr Einfluss gewinnen. Und als sich die WTA von Turnieren aus China zurückzog, weil der Umgang mit der lange vermissten chinesischen Spielerin Peng Shuai für WTA-Boss Steve Simon inakzeptabel war, glänzte die ATP nicht wirklich mit Solidarität.

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