Tennis:Straßenkämpferin mit Hang zum Selfie

Lesezeit: 4 min

Eugenie Bouchard: Spielt bei den French Open um die dritte Runde (Foto: Getty Images)
  • 2014 war Eugenie Bouchard aus Kanada das Tennissternchen, nun will sie sich zurück in die Weltspitze kämpfen.
  • Anfang Mai hatte sie die nach der Dopingsperre zurückgekehrte Russin Scharapowa "Betrügerin" genannt und fiel dabei mit ihrem Selbstbewusstsein auf.
  • Ihre Fans nennen sich "Genie Army", manche kritisieren aber auch ihre Form der Selbstdarstellung.

Von Gerald Kleffmann, Paris

How Bow Dah!

Drei Worte schrieb Eugenie Bouchard nur. Was so viel heißt wie: Wie ist das hier! Dazu stellte sie ein Foto, wie sie jubelt. Schon hyperventilierte die Gemeinde, die ihr bei Twitter folgt, 1,29 Millionen. 900 Kommentare wurden zu diesem Eintrag abgegeben. Bouchard wurde gefeiert, geliebt, gehasst. 19 000 Likes erhielt sie, das Zeichen, dass einem etwas gefällt. "In der Welt heute ist es einfach zu polarisieren", findet Bouchard.

An jenem 9. Mai hatte sie wieder mal die Lager geteilt. Vor diesem Tag hatte sie, so sahen das die Jünger von Maria Scharapowa, gewagt, die nach der Dopingsperre zurückgekehrte Russin "Betrügerin" zu nennen. Sie forderte gar eine lebenslange Sperre. Dann, beim Turnier in Madrid, traf Bouchard auf Scharapowa. Showdown mit Schlägern. Vorher hatte die Kanadierin aus Montreal kaum gute Ergebnisse. Sie war das Tennissternchen von 2014, stürzte ab, nicht dramatisch, aber relevant. Druck für beide, den beide professionell bewältigten. Höchster Einsatz, ein Krimi. Bouchard siegt, 6:4 im dritten Satz. Später wird sie sagen, sie bleibe bei ihrer Meinung. Sie würde für viele sprechen, aber die trauten sich nicht. Diese Chuzpe muss man erst mal haben.

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Ihr Trainer nennt sie eine Straßenkämpferin

How Bow Dah. Ende Mai, French Open. Bouchard, dank ihres Wimbledon-Finals vor drei Jahren einmal Nummer fünf der Welt, mühte sich in Runde zwei, 2:6, 6:3, 6:2 gegen Risa Ozaki aus Japan, nun wartet die Lettin Anastasia Sewastowa. Sie sei nervös gewesen, "ich wusste nicht, was ich vom Sprunggelenk erwarten konnte". In Nürnberg hatte sie letzte Woche viel trainiert. Sie wollte den Titel von 2014 wiederholen. Zuerst blutete sie am Knie, nach einem Sturz. Dann knickte sie um, Tage danach schwoll der Fuß an, eine Bänderverletzung. Sie zog zurück. Nur "ein Wunder" helfe, um in Paris zu starten. Mehr teilte sie nicht mit. Als Bouchard kurz darauf beim wichtigsten Sandplatzturnier trainierte, teilte sich wieder die Internet-Meute. Beißerin, sagten die einen. Simulantin die anderen.

Thomas Högstedt sagt etwas, das man so noch nie gehört hat: "Sie ist eine Straßenkämpferin." Ihr Trainer sollte es wissen. Der Schwede coachte viele Profis, Tommy Haas, auch Scharapowa. Er ist freundlich, eloquent, hat Humor. Aber er gilt als Schleifer, der Mimosen nicht mag. Er glaubt, dass Bouchard wieder durchstarte. Sie wisse, was sie für den Erfolg tun müsse.

Tatsächlich ist das Erste, das im direkten Gespräch mit Bouchard auffällt: Sie lamentiert und hadert nie. In Paris sprach sie mit sonorer Stimme, tiefer als sonst. Erst auf Nachfrage bestätigte sie: ja, erkältet. Bouchard blickt wachsam, erklärt wie ein Wissenschaftler die Bilder, die sie von der Welt hat. Und sie analysiert die Bilder, die die Welt von ihr hat. Beides, ihre und die Bilder der anderen, sind nicht immer eins. Aber sie sagt: "Ich will mir treu bleiben." Das klingt zunächst phrasenhaft. Andererseits hat man bei ihr wirklich nicht das Gefühl, sie sei wie manch andere Spielerin auf der Suche nach sich selbst.

Bouchard ist inzwischen aus den Top 50 gefallen, kürzlich trat sie bei einem Miniturnier unterhalb der WTA Tour an. "Ein Schock" sei es gewesen, sagt sie, in der Prärie irgendwo zu spielen, alles sei doch anders, spartanischer. Aber sie wollte es so. Sie wollte Matchpraxis. Sie zog es durch. Sie sieht sich "auf dem Weg zurück", und dieser Weg wird weiter zweigleisig sein. Es gibt die Leistungssportlerin, die für sie überwiegt. "Am Ende des Tages bin ich ein Tennisspieler", sagt sie, "meine beste Rolle ist die, wenn ich auf dem Platz stehe und kämpfe."

Sie wurde explizit für diese Rolle aufgebaut, die Familie zog nur für sie um, nach Florida, weil die Trainingsbedingungen dort besser waren. Es existiert ein Foto, auf dem ist die kleine "Genie" mit der schon erfolgreichen Scharapowa zu sehen. Dort, zu den Großen, wollte sie stets hin. Und dann gibt es Genie, die Fans hat, die sich "Genie Army" nennen, die ihr Stofftiere zuwarfen. Eine Genie, die Lust darauf hat, sich im Bikini für Sports Illustrated am Strand zu räkeln, was prompt zu leichtem Murren bei manchen führte. Chris Evert, frühere Nummer eins, stichelte gegen diese Art der Selbstdarstellung.

Wenn es neben ihrer knallharten Vorhand mit viel Spin und ihrer Athletik etwas gibt, dass Bouchard noch richtig gut kann, ist es die Abwehr von Kritik. "Nur weil ich ein Selfie mache, heißt das nicht, dass ich vorher nicht sechs Stunden trainiert habe", sagt sie etwa. Oder: "Als ich viel gewonnen hatte, hat sich niemand an meinen Selfies gestört." Oder: "Ich bin aus einer Generation, für die soziale Medien wie Atmen sind. Wir nutzen das instinktiv." Ihre Modeshootings? "Tennis hat mir diese Möglichkeiten geschaffen. Ich wäre verrückt, Nein zu sagen." Jede in ihrem Alter würde das tun.

Aufregung um ein Twitter-Date

Bouchard mag ein Postergirl sein, vielleicht das Postergirl schlechthin im Frauentennis. Aber hinter dieser Fassade steckt auch eine junge, moderne, selbstbewusste Frau, die sich Freiheiten nimmt, wenn ihre Arbeit auf dem Platz getan ist. Natürlich wurde ihr auch schon manches Techtelmechtel mit Spielern nachgesagt. Was wäre daran verwerflich? Auch wenn sie 2015 von einem Fachblatt als Sportlerin mit dem global größten Vermarktungspotenzial eingestuft wurde - Bouchard ist 23 und genießt ihr Leben. Das strahlt sie auch aus.

Vor einigen Wochen traf sie einen jungen Mann, er hatte eine Wette im Netz vorgeschlagen, auf Bouchards Seite, Bouchard verlor, sie lud ihn tatsächlich ein, das Twitter-Date war geboren. Sie gingen zu einem NBA-Spiel. Die Promiseiten waren voll mit Bildern. Danach brachten viele diese Aktion mit ihrer dann folgenden Niederlagenserie in Verbindung. Dabei war sie noch nicht ganz fit nach einer Verletzung. "Ich nehme es als Rückwärts-Kompliment", so sieht Bouchard das Genöle an ihr. Sie weiß ja: "Auch wenn mich manche hassen, sie beschäftigen sich mit mir." Genau das scheint ihr schon zu gefallen.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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