Tennis:Del Potros Auferstehung wird nicht belohnt

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Argentinier del Potro: Wächsernes Gesicht (Foto: Martin Bernetti/AFP)

Der Argentinier Juan Martin Del Potro verliert nach langem Leidensweg das olympische Tennis-Finale gegen Andy Murray. Für seine Unterstützer ist er jedoch der Sieger.

Von Holger Gertz, Rio de Janeiro

Wenn die Rückkehr eines Schmerzensmannes grundsätzlich eine hübsche Geschichte ist, klingt die Karriere von Juan Martin Del Potro wie eine badstubereske Erzählung von Rückschlag und Fortschritt, allein das linke Handgelenk des Argentiniers wurde in den vergangenen Jahren dreimal operiert.

Weil der Mann aus Tandil, geboren 1988, zu jenen Menschen gehört, die die großen und auch die schwierigen Momente ihres Lebens in den sozialen Netzwerken mit anderen teilen, konnte man ihn gelegentlich in fremden Betten sehen, neben ihm Chefärzte. Das Lächeln der Ärzte sah fröhlicher aus als seins. Wann immer Del Potro spricht, spricht er auch über seinen gerade gültigen Gesundheitszustand. Andere reden über ihre Träume, Del Potro redet über seine Ärzte. Im Frühjahr spielte er in München die BMW Open, er sagte: "Die Ärzte machen mir Mut, aber ich bin nicht mehr der Jüngste."

Del Potro, Finalist in Rio im Spiel um Gold gegen den Schotten Andy Murray, war mal die Nummer vier der Welt, 2009 wurde er zu Argentiniens Sportler des Jahres gewählt, vor Lionel Messi und dem Golfer Angel Cabrera. Er ist der, der die Big Four (Djokovic, Murray, Federer, Nadal) zu den Big Five hätte erweitern können, wenn der Körper belastbarer gewesen wäre, aber so blieb ihm immerhin die Rolle desjenigen, der die Big Four immer wieder ärgert.

2009 gewann er die US Open gegen Federer, der zuvor in New York 41 Spiele hintereinander nicht verloren hatte. Auch in Rio war der Weg ins Finale kein Erholungslauf, Del Potro nahm die Gegner, wie sie kamen, Novak Djokovic schon in der ersten Runde. Und dann den anderen Schmerzensmann Rafael Nadal in einem - aktuelles Modewort - epischen Halbfinale. Federer war weitsichtig genug gewesen, rechtzeitig abzusagen.

Was alles möglich gewesen wäre - ohne die Verletzungen

Das olympische Tennisturnier gestaltete sich als Kurzzusammenfassung von Del Potros Karriere: was alles möglich gewesen wäre, ohne die Verletzungen. "Ich danke allen, die mich darin bestärkt haben, nicht aufzugeben, auch in schlechten Zeiten", sagte Del Potro, der das Elegische aber sofort mit dem Handfesten verband. "Als ich die Auslosung sah, habe ich eigentlich mehr ans Barbecue in Tandil gedacht als an eine Medaille." Ein origineller Mann und ewiger Stirnbandträger, hager, schon zu Beginn jedes Spiels dekorativ ermattet aussehend.

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Im Finale ging es - die innere Dramaturgie des Turniers blieb sich also treu - gegen Andy Murray. Del Potro, der auf allen Plätzen der Welt eher wohlwollend begrüßt und zärtlich Delpo genannt wird (erlittenes Leid ist ein hoher Sympathiefaktor) durfte sich in Rio sicher sein, dass das Publikum den Gegner siegen sehen wollte. Brasilien - Argentinien, die alte Rivalität. In der zweiten Runde hatten sich brasilianische und argentinische Fans seinetwegen sogar geprügelt, etwas ganz Neues auf den Tennisplätzen der Welt.

Im Finale allerdings waren eine Menge Argentinier oder Menschen mit Argentinientrikots anwesend, die das erwartet enge Match geboten bekamen. Ein Abnutzungskampf vom ersten Ballwechsel, der Schotte erst im Vorteil, 7:5 im ersten Satz, dann drehte die Stimmung, und auch das Spiel.

Argentinier sind große Sänger, was sie unter Beweis stellten, und Del Potro machte besonders mit der Vorhand kaum noch Fehler. Obwohl er nicht mehr nur matt aussah, sondern im Gesicht so wächsern wie jemand, der sich eine immense Erkältung eingefangen hat. 6:4 im zweiten für ihn, die Geschichte schien in die richtige Richtung zu gehen, und die Argentinier unten am Rande des Platzes führten sich auf, als sähen sie Fußball, den Superclásico. Eher fachfremdes Publikum, für die Stimmung in der Arena ein Geschenk.

Wenn man daran glaubt, dass die Kulisse einen Kandidaten schweben lassen kann, dann wäre die Gelegenheit dazu da gewesen, allerdings buhten die Brasilianer entschlossen zurück. Und womöglich hatte der Argentinier doch auch viel Kraft gelassen auf dem Weg ins Finale, der dritte Satz ging glatt an Murray, Del Potro wirkte sehr angestrengt, manchmal fehlte ihm jetzt die Präzision, er kam zwar immer bemerkenswert zurück, aber Murray machte weniger Fehler in einem wilden Spiel mit insgesamt 15 Breaks. Im vierten Durchgang schlug der Mann aus Tandil bei 5:4 zum Satz auf, es glückte nicht, er stütze sich sehr lang aufs Netz und betrachtete den Boden.

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Danach war das Spiel soweit durch, obwohl die argentinischen Fans bei 6:5 für Murray noch mal herausfinden wollten, was geht: leise Randale, störendes Gebrüll. Ging aber nichts mehr, Soldaten führten den Krawallmann aus der Arena, und wenig später hatte Andy Murray das Endspiel in vier Stunden gewonnen, 7:5, 4:6, 6:2, 7:5, der erste Spieler, der zweimal hintereinander Gold im Tennis gewonnen hat.

Juan Martin Del Potro allerdings war gefühlt der Sieger für all jene, die den Sieger in ihm sehen wollten. Die Zunft argentinischer Handchirurgen wird so begeistert gewesen sein wie die Aficionados in der Halle es waren. Am Ende hatte er eine argentinische Flagge über den Schultern, mit der er aussah wie ein sehr, sehr müder König.

Das gibt ein Spitzenbarbecue, demnächst in Tandil.

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