Tennis:Scarlett O'Hara in Singapur

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"Ich treffe keinen Ball", sagt Angelique Kerber auf dem Platz. Und gewinnt. (Foto: AFP)

Angelique Kerber lamentiert beim WTA-Finale gerne und blickt recht dramatisch drein. Um dann eiskalt zu gewinnen. Zu Hause irritiert der Senderwechsel der ARD bei den Partien.

Von Gerald Kleffmann, Singapur/München

Er hatte nicht viel Zeit zu reden, eine Seitenwechselpause nur, also beeilte sich Darren Cahill. Sie müsse jetzt arbeiten, sprach der renommierte Coach aus Australien. Sie müsse sich in die hoch abspringenden Bälle mehr mit dem Körper reinlegen. Mit mehr Härte schlagen. Ihren Schlägen mehr Richtung geben, mehr in die Ecken spielen. Simona Halep erwiderte einmal etwas, schaute mürrisch. Dann schritt sie auf den Center Court zurück. 4:6, 1:4 lag die Rumänin hinten.

Schon zehn Minuten später war es indes nichts mehr mit dem Körper-in-die-Bälle-Legen. Die Nummer vier aus Rumänien hatte 4:6, 2:6 verloren, auch weil ihr 35 unerzwungene Fehler unterlaufen waren. Um die Ranglisten-Erste Angelique Kerber zu besiegen, reichen zahme Leistungen nicht. Nicht 2016.

Die 28-Jährige aus Kiel hat zwar vor diesen WTA Finals zu verstehen gegeben, dass ihre Kraft langsam ausgeht, ihre Gesichtsfarbe war auch, ohne ihr zu nahe zu treten, eher fahl. Allein 59 siegreiche Matches, dazu Foto-, Werbe- und Medientermine hatten Spuren hinterlassen. Doch sie ist reifer geworden. Lamentieren kann sie zum Beispiel nach wie vor richtig gut, "ich treffe keinen Ball", rief sie einmal in der Partie gegen Halep und machte ein hochdramatisches Gesicht wie einst Scarlett O'Hara in Vom Winde verweht. Aber sie fing sich sofort wieder, als wäre sie eine andere, nämlich abgezockte, eiskalte Person.

Der Senderwechsel zu One - ARD sorgte für Irritationen

Es ist ja generell und oft von ihren Defensiv- und Konterkünsten die Rede. Tatsache ist aber auch, dass sie aggressiv ein Match dominieren kann, wenn sie will. Sie hat die Australian sowie die US Open nicht nur mit passivem Zurückschlagen von Bällen gewonnen. In Singapur könnte sie ihrer Vita nun eine weitere Bestmarke hinzufügen. Bei drei Teilnahmen stand sie noch nie im Halbfinale. Mit einem Sieg im letzten Gruppenspiel am Donnerstag gegen Madison Keys (USA) hätte sie dieses sicher erreicht.

Dass sich mit Kerbers traumhafter Saison der Blick in der Heimat auf Tennis verändert hat, zeigt die Tatsache, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Form der ARD Kerbers Spiele in Singapur überträgt. Zumindest war die Öffentlichkeit nach Pressemeldungen des Senders davon ausgegangen, in denen offenbar zu wenig kommuniziert wurde, dass auch der Nischensender "One - ARD" Abspielfläche werden könnte, wie am Dienstag der Fall.

Allerdings lag der Wechsel keinesfalls, wie im Internet spekuliert, an den TV-Quoten von Kerbers erstem Match in Singapur, das 940 000 Menschen sahen. Am Dienstag war ihr Match am Nachmittag deutscher Zeit angesetzt, daher war seitens der ARD immer geplant gewesen, in einem solchen Fall auf "One - ARD" auszuweichen.

Bundestrainerin Barbara Rittner sprach trotzdem nachvollziehbar: "Das Hin und Her ist ein wenig eine Enttäuschung, weil es kaum angekündigt war und die Zuschauer einfach nur verwirrt." Generell wünscht sie sich "mehr Kontinuität" in der TV-Berichterstattung über Tennis, "nicht bloß drei Matches". Die Übertragung am Dienstag gefiel Rittner aber zurecht gut. "Informativ und liebevoll", twitterte sie und schrieb: "Donnerstag live auf @DasErste." Dann läuft Angelique Kerber wieder ab 13.30 Uhr in der ARD.

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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