Tennis:Rivalen auch beim Frikadellenessen

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Erfolgreiches Brüderpaar: Alexander (links) und Mischa Zverev. (Foto: Getty Images)

Mischa und Alexander Zverev liefern eine der spannendsten Geschichten im Welttennis: Zehn Jahre trennen sie, aber interner Wettkampf treibt beide zu neuen Höhen.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Vor drei Jahren hatte sich der ältere Zverev verletzt, am Handgelenk, er wurde operiert. Da sagte der jüngere Zverev: Komm, du schaffst das, du kehrst zurück. Der ältere Zverev kehrte zurück, und da der jüngere Zverev sich in der Folge sportlich noch schneller verbessert hatte als gedacht, spornte das den älteren Zverev nur noch an. Er ließ sich zuletzt richtig schön mit hochziehen.

Die Zverevs - Mischa, 29, und Alexander, 19 -, das ist nicht nur eine spezielle deutsche Geschichte. Sie ist überhaupt eine gute Geschichte. Weil da nicht bloß zwei Brüder sind, die erfolgreich Tennis spielen. Es geht um eine Symbiose, die nun zum besten Zwischenstand jemals geführt hat. Mischa hat sich wieder auf Rang 50 hochgearbeitet und nähert sich seiner besten Platzierung aus dem Jahre 2009 (45.); in Melbourne bei den Australian Open hat er sich zum ersten Mal seit zehn Jahren in die zweite Runde gekämpft. In der deutschen Nacht zum Mittwoch besiegte Mischa Zverev dann sogar John Isner aus den USA mit 6:7 (4), 6:7 (4), 6:4, 7:6 (7) und 9:7 und steht jetzt plötzlich in Runde drei. Sein nächster Gegner ist am Freitag Malek Jaziri aus Tunesien. Alexander, genannt Sascha, ist schon auf Rang 24 und wird als kommende Nummer eins gehandelt. Er erreichte Runde zwei durch ein 6:2, 3:6, 5:7, 6:3, 6:2 gegen den Niederländer Robin Haase.

Die Geschichte ihrer Symbiose lässt sich in drei Akten gliedern. Zuerst half der Ältere dem Jüngeren. Dann half der Jüngere dem Älteren. Heute? "Erleben wir die beste Zeit", sagt Mischa, "wir können zusammen alles genießen." Sie sind so hoch platziert, dass sie zusammen die Welt bereisen und bei allen Turnieren starten können.

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Welch lange Strecke beide hinter sich haben, wird deutlich, wenn man sich an den Anfang von Mischas Karriere erinnert. Er galt als großes Talent, er sollte die Erfolge toppen, die der russische Vater Alexander erzielt hatte, als Davis-Cup-Spieler der damaligen Sowjetunion. Im Schlepptau damals immer: ein schmaler Junge mit Pilzkopf. Das war Alexander, der von Mischa auf diese Weise in die wundersame Welt des Profitennis eingeführt wurde. Zehn Jahre Altersunterschied sind viel, aber irgendwann schrumpften die Abstände. Mischa weiß, wann die Rollen drehten: "2014 - er erreichte das Halbfinale in Hamburg und war am Höhepunkt damals, während ich mit meiner OP am Tiefpunkt war."

Dem Jüngeren fliegt von Anfang an alles zu

Von außen betrachtet flog Alexander beim Übertritt ins ernsthafte Geschäft vieles leichter zu, er erhielt Wildcards, der DTB bezahlt seit langem einen Großteil seiner Physio-Kosten, Alexander wurde den Medien noch ohne ganz große Siege schon als aufgehender Stern präsentiert. Er ist offenbar auch mit einem Schuss mehr Talent gesegnet. Mischa hat in dieser Zeit oft ganz woanders um sein eigenes sportliches Überleben gekämpft. Noch 2015 pendelte er zwischen Challengers und Qualifikationen für große Turniere, eine mentale Herausforderung. Auf den Challengers wusste er: Die Musik spielt woanders. Bei den ATP-Turnieren musste er sich mit schwerer Konkurrenz befassen. So sehr Jung Siegfried Alexander für seine geschmeidige Power bei 1,98 Metern Körpergröße zu bewundern ist, so sehr ist Mischa zu respektieren für diesen Willen, sich im Schatten des Bruders zurückgebissen zu haben.

Geholfen hat ihm sein scharfer Sinn. Mischa sieht Realitäten, er liebt es, Tennis fast als Wissenschaft zu betrachten. Er weiß, dass sein Spiel limitierter ist, er chippt und blockt und stößt den Ball oft mit Schnellkraft, ohne lange Ausholbewegungen. "Schöne Schläge haben im Tennis viele", sagt er, "aber es geht darum zu wissen: Wie gewinne ich den Punkt?" Ihm bereitet es eine "verdammte Freude, wenn ich sehe, der Gegner könnte abkotzen".

Alexander und Mischa Zverev bei den Australian Open im vergangenen Jahr (Foto: Getty Images)

Er ist gerne der Quälgeist. Mischa gibt auch nach dem 30. Passierball des Gegners nicht auf, ans Netz zu rennen - "wenn ich bei 5:5 und 40:30 den Punkt mache zum Break, gewinne ich." Derart anschaulich hat Alexander selten über sein Spiel geredet. Er ist der Bauchmensch, der Instinkten folgt und mit seiner "jungen Naivität", wie Mischa es nennt, Mischa mitreißt. Und auch mal schnell genervt guckt und patzig wird, wenn ihn eine Frage stört. Dass Alexander vieles zugeflogen sei, sieht Mischa aber nicht so: "Er arbeitet extrem hart. Das sieht man nur nicht immer, was er im Hintergrund alles macht. Er ist viel verbissener als ich. Er ist ein Perfektionist."

Das Lustige ist, dass Alexander jetzt fast das Gleiche gesagt hat - über Mischa. Der sei "einer der Fittesten auf der Tour". So nah wie jetzt waren sie sich noch nie sportlich. Es kam sogar schon vor, dass Mischa sportlich besser abschnitt als der Bruder. Beim Turnier der Masters-Serie in Schanghai stand Mischa im Fokus, als er das Viertelfinale erreicht hatte und dort erst Novak Djokovic unterlag. Ihr Leben ist auch sonst weiterhin ein gemeinsamer Fluss. Mischa trägt die Kleidung des selben Sponsors wie Alexander, sie haben die selbe Schlägermarke. Sie wohnen beide in Monte-Carlo, im selben Haus, auf der selben Etage, jeder hat aber sein Reich. Sie üben viel zusammen, die Vorbereitung absolvierten sie in Florida, mit Fitnesscoach Jez Green.

Auch wenn sie sich gerne gegenseitig aufziehen und aus vielem einen Wettbewerb machen - etwa auch darum, "wer mehr Frikadellen schafft", wie Mischa vergnügt erzählt -, so ist die Wahrheit: Die Zverevs wissen, dass jeder besser ist und noch besser wird, wenn der andere da ist.

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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