Tennis:Manipulations-Verdacht in Wimbledon

Lesezeit: 3 min

Fernando Verdasco machte die Ermittlungen selber auf Twitter öffentlich (Foto: Getty Images)
  • In Wimbledon steht das Doppel zwischen David Marrero/Fernando Verdasco (Spanien) gegen João Sousa und Leonardo Mayer (Portugal/Argentinien) unter Betrugsverdacht.
  • Pinnacle, Marktführer im Sportwettbereich, bestätigt der SZ den konkreten Verdacht.
  • Die Tennis Integrity Unit, die wegen ihrer zurückhaltenden Aufklärungsarbeit in den vergangenen Jahren wiederholt in die Kritik geraten war, eröffnete nun die Ermittlungen.

Von Thomas Kistner, München

Nun hat das Thema Spielmanipulation auch offiziell das Tennis-Mekka erreicht: In Wimbledon steht das Doppel-Match des Duos David Marrero/Fernando Verdasco (Spanien) gegen João Sousa und Leonardo Mayer (Portugal/Argentinien) unter Wettbetrugsverdacht, die Tennis Integrity Unit (TIU) ermittelt. Vor der Partie hatten mehrere Buchmacher stark auffällige Veränderungen der Wettquoten registriert - hin zu den beiden Außenseitern Sousa/Mayer, die das besagte Erstrunden-Match am Donnerstag vergangener Woche dann auch 7:6, 6:4, 6:7 und 6:1 gewannen.

Pinnacle, ein Marktführer im Sportwettbereich, hatte den Alarm gelöst. Dies teilte der Sportintegritäts-Manager Sam Gomersall der SZ mit. Auch Sportradar, der weltweit führende Anbieter von Sportdatenanalysen, bestätigt den konkreten Verdachtsfall. Zwar habe die Firma keinen Überwachungsauftrag für das Wimbledon-Turnier, teilt Sportradar-Direktor Andreas Krannich mit, aber: "Bei Ex-Post Analyse des internationalen Wettmarkts haben wir stark manipulationsverdächtiges Wettverhalten auf eine Niederlage von Marrero/Verdasco festgestellt. Wir haben die TIU über unsere Erkenntnisse umgehend informiert." In die Offensive ging auch der australische Wettbeobachter Global Sports Integrity. Dessen Manager, Mark Philips, benannte die Partie per Twitter als manipulationsverdächtig; zugleich äußerte er starke Zweifel, dass die TIU bereit sei, im Spitzentennis aufzuräumen.

Ob der wachsende Druck im Hintergrund geholfen hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls eröffnete die TIU, die wegen ihrer zurückhaltenden Aufklärungsarbeit in den vergangenen Jahren wiederholt in die Kritik geraten war, eine Ermittlung. Auf Anfragen wollte sie das nicht bestätigen, am Donnerstagabend aber war es Fernando Verdasco selbst, der den Ermittlungsvorgang öffentlich machte. Der Spanier, der es einst bis auf Rang sieben der Einzel-Weltrangliste schaffte und rund 15,5 Millionen Dollar an Preisgeldern eingesammelt hat, teilte per Twitter mit: "Ich wurde von der TIU befragt über Wettaktivitäten bei meinem Wimbledon-Doppel. Ich unterstütze die Arbeit der TIU vollständig, so wie ich stets die Integrität und Transparenz in unserem Sport total unterstützt habe, und werde diese niemals gefährden." Von David Marrero war bis dahin kein Kommentar bekannt, er hatte sich jedoch schon in einem früheren Verdachtsfall von jeglicher Manipulation distanziert.

Wie effektiv werden die Fälle untersucht?

In diesem Fall erscheint der Manipulationsverdacht erheblich zu sein. Erkenntnisse über Verletzungen beim favorisierten Doppel Marrero/Verdasco gab es nicht, im Match erfolgten auch keine Behandlungsmaßnahmen. Trotzdem war die Quote auf einen Sieg der Außenseiter Meyer/Sousa kurz vor Spielbeginn von 2,7 auf 1,45 gefallen, was einer Erhöhung der Gewinnchancen für die Außenseiter von 37 Prozent auf 69 Prozent entspricht - ohne, dass ein Ball gespielt war. Überdies floss ein Teil der Wetteinsätze, so teilte Pinnacle den Untersuchungsorganen mit, von Wettkonten, die schon seit längerem unter Verdacht stehen.

Wettradar-Firmen sehen Tennis seit Jahren massiv durch Spielmanipulation bedroht. Dabei war auch die Arbeit der TIU wiederholt in die Kritik geraten. Am heftigsten bei den Australian Open 2016: Damals prangerten der britische Sender BBC und das Webportal Buzzfeed die Ineffektivität des Aufpassergremiums an. Im Fokus hatte unter anderem ein Spiel im Mixed gestanden: Das spanische Doppel David Marrero/Lara Arruabarrena unterlag damals glatt 0:6, 3:6 gegen Lukasz Kubot und Andrea Hlavackova (Polen/ Tschechien). Zuvor waren am Wettmarkt so dramatische Quotenverschiebungen in Richtung auf den späteren Außenseitersieg verfolgt worden, dass zahlreiche Buchmacher die Partie von der Wettliste genommen hatten.

Marrero bestritt alle Vorwürfe und verwies auf eine Knieverletzung, die ihn im Match behindert habe. Fünf Monate später verkündete die TIU, ihre Ermittlungen hätten "keine Beweise für korrupte Aktivitäten" erbracht. Was die Kritik an den Aufpassern verstärkte: Zugleich war ruchbar geworden, dass Marrero damals in Melbourne nicht einmal befragt worden war. Stattdessen soll die TIU, so berichteten australische Medien, dem Spieler eine E-Mail gesandt haben mit der Bitte, keine Anrufe von seinem Telefon zu löschen. So kann Integritätsarbeit auch aussehen. Für GSI-Manager Philips jedenfalls ist klar: Die TIU, eine Untersuchungseinheit der Tennis-Organisationen ATP, WTA, Grand Slam und ITF, steige lieber den Kleinen nach und lasse die Großen laufen. "Die durchschnittliche Höchstplatzierung der 17 in den letzten Jahren von der TIU gesperrten Spieler ist Rang 726", twitterte der Wettexperte jetzt. Auch diese Debatte könnte wieder aufleben.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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