Tennis:Das Cas-Urteil katapultiert Scharapowa zurück ins Geschäft

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Der internationale Sportgerichtshof reduziert die Sperre der Russin wegen Meldonium-Missbrauchs auf 15 Monate. Es ist der maximale Triumph für die Tennisspielerin.

Von Philipp Schneider, München

Am Tag vor der Verkündung des Urteils, auf das Maria Scharapowa ihre ganze Hoffnung gesetzte hatte, veröffentlichte sie noch einmal ein stimmungsvolles Foto bei Twitter. Das Bild zeigte, wie Scharapowa an einem Tisch hockte, den offenbar viel zu schweren Kopf hatte sie in grübelnder Pose auf eine Hand gestützt, und mit gedankenschwerem Blick schaute sie aus dem Fenster. Scharapowa war nun die geduldig Wartende.

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Die Szenerie war in schwarz-weiß gehalten, von der Bildsprache erinnerte sie ein wenig an Scharapowas legendären Auftritt im März, als sie im schwarzen Büßergewand vor die Presse getreten war, um der Welt mit zitternder Stimme von ihrer Reue darüber zu berichten, dass sie sich lediglich unbewusst des Dopings schuldig gemacht hatte.

Das Urteil, auf das die ehemalige Tennis-Weltranglistenerste zu Recht ihre ganze Hoffnung gesetzt hatte, verkündete am Dienstag der Internationale Sportgerichtshof Cas in Lausanne. In letzter Instanz folgte er grundlegend der Argumentation Scharapowas - und verkürzte die zuvor vom Tennis-Weltverband ITF bestätigte zweijährige Sperre wegen Meldonium-Missbrauchs auf 15 Monate.

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Für Scharapowa ist das der maximale Triumph. Die ursprünglich bis Januar 2018 gültige Sperre wird nun schon am 26. April 2017 enden, viereinhalb Wochen vor Beginn der French Open. Nachdem in der Szene mancherorts bereits von einem möglichen vorzeitigen Karriereende zu hören und lesen gewesen war, wird die fünfmalige Grand-Slam-Siegerin im kommenden Jahr also wieder bei drei von vier Majors starten dürfen.

Nach den härtesten Tagen ihrer Karriere sei dies "einer meiner glücklichsten", ließ Scharapowa in einem offenbar gut vorbereiteten, sehr ausführlichen Statement am Dienstag mitteilen: "Es fühlt sich an, als wäre mir etwas, das ich liebe, weggenommen worden, und es wird sich sehr gut anfühlen, es zurück zu haben." In Punkt 101 seiner 28-seitigen Urteilsschrift war der Cas zu dem Ergebnis gelangt, das Gericht habe im Zuge seiner Untersuchung zu Scharapowa "keinen Fall gehört ( . . . ), in dem ein Athlet betrogen habe". Vielmehr sei nicht nachzuweisen, dass Scharapowa versucht habe, den Konsum des Meldonium-Präparats Mildronate zu verbergen. Insofern könne Scharapowa nicht als "intentional doper" bezeichnet werden - als jemand, der mit Vorsatz eine leistungssteigernde Substanz zu sich genommen habe.

Allerdings sei unstrittig, "dass Frau Scharapowa gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen hat". Und obwohl es "kein schwerwiegender Fehler" gewesen sei, "trägt sie eine Teilschuld, wofür eine Sperre von 15 Monaten angemessen ist". Der Cas gab Scharapowa selbst in dem Punkt recht, dass die ITF den Status des Herzmedikaments, das die Regeneration verbessern kann und erst seit 1. Januar 2016 auf der Liste der verbotenen Substanzen zu finden ist, nicht klar kommuniziert habe.

Anders als andere wegen des Konsums von Meldonium gesperrte Athleten, denen nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnte, dass sie den verbotenen Stoff auch nach dem Stichtag konsumiert hatten, konnte Scharapowa zunächst nicht von einer politischen Wende profitieren, die die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada im April vollzog.

Mit einem verringerten Strafmaß hatten seitdem all jene rechnen dürfen, die zwischen dem 1. Januar und dem 1. März mit einer Konzentration von weniger als einem Mikrogramm Meldonium pro Milliliter erwischt wurden. Scharapowa war dagegen bei den Australian Open im Januar eindeutig positiv getestet worden und ein weiteres Mal bei einer Kontrolle im Februar in Moskau.

Ihre Verteidigungsstrategie war daher eine andere: Scharapowa, die Perfektionistin und ehemals bestbezahlte Sportlerin des Planeten, die jedes Detail ihrer Karriere von Beratern auf dem Reißbrett hatte planen lassen, argumentierte im Kern, sie habe nicht auf den Link in einer Rundmail der Wada geklickt, der zu entnehmen war, dass Meldonium auf die Liste der verbotenen Substanzen gesetzt worden war. Auch ihr Manager gab zu Protokoll, er habe von der Verschärfung der Auflagen nichts gewusst.

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Der Cas hielt Scharapowa zugute, dass sie die Verantwortung übernommen hatte

Das Präparat habe sie bereits seit 2006 eingenommen - die nächste Ungereimtheit: Scharapowa zeichnete das Bild einer Leistungssportlerin, die eine schwerkranke junge Frau gewesen sei. Auf die Einnahme des Herzmittels sei sie "ständig" angewiesen gewesen, nachdem festgestellt worden sei, dass bei kardiografischen Tests irreguläre Werte auftraten. Der russische Mediziner Anatoly Skalny, zu dem Scharapowas Vater den Kontakt herstellte, hatte einen sehr detaillierten Medizinplan erstellt: Vor jeder ihrer Partien nahm Scharapowa eine Dosis von 500 Milligramm Mildronate ein - auch im Januar noch.

Der Cas hielt Scharapowa zudem zugute, dass sie unmittelbar die Verantwortung übernommen hatte. Scharapowa machte ihre Sperre im März öffentlich, was sie nicht hätte tun müssen. Sie hätte warten und ihre Teilnahme an den Turnieren mit dem Verweis auf eine Verletzung absagen können: Stille Verbannung wird das Verfahren im Tennis genannt, wenn ein Spieler wegen einer auffälligen Probe vorläufig gesperrt wird, aber die Öffentlichkeit kein Anrecht auf Benachrichtigung hat.

In Scharapowas Stellungnahme klang noch eine Spur Genugtuung mit. Sie schrieb: "Jetzt, da dieser Prozess beendet ist, hoffe ich, dass die ITF und andere Tennis-Anti-Doping-Autoritäten genau studieren", was der Cas geurteilt habe: "Damit kein anderer Spieler erlebt, was ich durchmachen musste."

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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