Tennis:Becker als Trainer in Wimbledon: Etwas Neues für mich

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London (dpa) - Wimbledon und Boris Becker - diese Beziehung gibt es schon seit drei Jahrzehnten. 2014 will der dreimalige Wimbledon-Sieger den serbischen Tennisprofi Novak Djokovic beim dritten Grand-Slam-Turnier der Saison zum Erfolg führen.

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London (dpa) - Wimbledon und Boris Becker - diese Beziehung gibt es schon seit drei Jahrzehnten. 2014 will der dreimalige Wimbledon-Sieger den serbischen Tennisprofi Novak Djokovic beim dritten Grand-Slam-Turnier der Saison zum Erfolg führen.

Vor Beginn der zweiten Woche sprach der 46-Jährige in London vor deutschen Journalisten über seinen Job.

Wie fällt das sportliche Fazit der ersten Woche aus?

BorisBecker: Gut, wir sind noch im Turnier. Die Matches, außer vielleicht das erste, waren nicht einfach. Novak hat auch das harte Match gegen Stepanek gebraucht, von daher kann er voller Selbstvertrauen gegen Tsonga am Montag anfangen. Die zweite Woche im Grand Slam ist immer ein anderes Turnier. Die erste Woche ist so wenig wie möglich Energie verlieren. Und in der zweiten Woche ist jedes Match fast ein Finale, insofern ist er gut auf Kurs.

Es wird immer viel darüber geredet, dass Wimbledon anders ist. Muss man mental etwas anders können als bei anderen Grand Slams?

Becker: Es wird das ganze Jahr nicht auf Rasen gespielt, bis auf die vier Wochen, für die meisten nur zwei oder drei, und größer könnte die Umstellung nicht sein von Sand auf Rasen. Dann gibt es sehr viele Regeln, sehr viel Tradition hier. Hier muss man sich auskennen, hier muss man die richtigen Menschen kennen. Und die Trainingsplätze sind wichtig, welcher Rasenplatz ist schon abgespielt, welcher nicht, wo kommen die Zuschauer nah ran, wo nicht. Was macht man in den Pausen? Wohin geht man? Das ist alles unterschiedlich zu den anderen Turnieren. Der Centre Court ist der einzige Court, wo man sich nicht vor dem Match warmspielen kann, das ist auch etwas Einmaliges.

Wie ist die Sicht aus der Spieler-Box?

Becker: Die ist sehr gut. Ich habe mich da ganz rechts hingesetzt, weil ich nicht das Dach vor mir habe, sondern direkt den Platz, das ist besser. Ich saß schon überall, selbst auf dem Platz saß ich lange. In der Royalbox saß ich, dann natürlich in der Kommentatoren-Box. Mit den Videoanalysen und dem Replay ist die Kommentatoren-Box wahrscheinlich der beste Platz, weil man wirklich ganz nah am Platz ist. In der Players' Box saß ich noch nie, von daher ist das auch etwas Neues für mich.

Das Kommentatoren-Dasein war ja auch ein wenig entspannter als der Job, den sie jetzt machen.

Becker: Unterschätzen Sie mal die Kommentatorenarbeit nicht, bitte. Man überlegt jedes Wort, was man sagt. Gerade wenn man die Sprache nicht 100 prozentig beherrscht, ist das sehr nervenaufreibend. Man muss auch da seine Form und Contenance behalten. Aber die heutige Aufgabe ist sicherlich ganz anders, das stimmt. Sie ist aber auch sehr nervenaufreibend. Wenn man ein Spiel kommentiert, ist das ja irgendwann vorbei. Bei einem Trainerjob muss ein ganzer Tag geplant werden. Wartet auf Reaktionen vom Spieler, wie ist er drauf, ist die Schulter gut, wie ist die Form, muss man noch mal ne Stunde dranhängen, was am Aufschlag machen, was an den Schuhen machen. Der Job fängt eigentlich an, wenn man die Augen aufmacht morgens. Insofern ist er viel zeitintensiver als ein Fernsehjob, der dann anfängt, wenn die Kamera angeht.

Wie viel Spaß macht denn der Job?

Becker: Großen Spaß. Tennis ist nach wie vor meine große Liebe und die Tatsache, dass ich als Spieler, aber jetzt auch als Coach hier mitspielen kann sozusagen, ist für mich eine große Ehre. Es ist vor allem meine große Liebe, meine Leidenschaft. Das ist wahrscheinlich etwas, was bei mir im Blut ist, Tennis fällt mir sehr leicht.

Wie sieht ihre Aufgabe als Trainer aus?

Becker: Darüber, was ich genau mache, habe ich mich in der Vergangenheit nicht ausgelassen und werde es auch heute nicht tun. Das ist die Privatsphäre zwischen dem Spieler und mir Aber vielleicht so viel: Das ist hier keine One-Man-Show und wenn, dann heißt sie Novak Djokovic. Ich bin Teil einer sehr guten Mannschaft.

Ihre Beziehung zu Wimbledon gibt es schon drei Jahrzehnte. Wie würden Sie denn jemanden, der Wimbledon überhaupt nicht kennt, diesen Ort beschreiben?

Becker: Wenn Sie Katholik sind, gehen Sie nach Rom. Wenn Sie Moslem sind, gehen Sie nach Mekka. Und wenn Sie Jude sind, gehen Sie nach Israel - das ist so Tennis und Wimbledon.

Sie wohnen ja hier um die Ecke, wie oft sind Sie denn hier auf der Anlage?

Becker: Wenn das Turnier nicht ist, bin ich eigentlich zu selten hier. Ich habe auch schon Beschwerden bekommen, dass ich mich viel zu selten hier sehen lasse. Ich kann auch spielen und ins Clubhaus gehen und Mittagessen haben, aber vielleicht habe ich zu viel Respekt vor Wimbledon, dass ich das nicht tue.

Der letzte Grand-Slam-Titel von Novak Djokovic ist eine Weile her. Merkt man in seiner Umgebung eigentlich die Ungeduld an?

Becker: Nein, wenn man ehrlich ist, möchten solch ein Problem viele Spieler haben. Ein Grand-Slam-Finale zu erreichen, ist eine unglaubliche Leistung und Anstrengung. Das ist der Höhepunkt für 99 Prozent aller Spieler, aber er hat so eine Klasse erreicht, dass er zurecht davon ausgeht, immer weit in einem Grand Slam zu kommen. Dass er nicht mit einem Halbfinale oder Finale zufrieden ist, ist normal. Es wäre auch falsch in seiner Einstellung, wenn er damit zufrieden wäre. Diese Einstellung spricht für ihn, dass er Wege sucht, das zu verbessern. Das ist einer der Gründe dafür, warum ich da bin.

Gibt es hier in Wimbledon den Wunsch, die Zeit zurückzudrehen?

Becker: Oh nein! Ich bin froh, dass ich nicht mehr spielen muss. Das war ne tolle Zeit, sehr schön und sehr emotional. Aber alles hat seine Zeit. Was man vergisst, sind die schlaflosen Nächte, sind die vielen Trainingseinheiten, die Verletzungen, die Enttäuschungen, die natürlich auch da waren, der ganze Druck, der auf einem lastet, die Erwartungshaltung. Das sieht man nicht, wenn einer die Trophäe hält. Aber es ist ein langer Weg - und die Freude in diesem Moment ist doch relativ kurz, weil man bald wieder denken muss: Wie geht es meiner Schulter, wie geht es meinem Knie, wann ist das nächste Turnier, wie sieht die Trainingsphase aus. Das ist ein anstrengender Job.

ZUR PERSON: Boris Becker gewann als Spieler neben seinen drei Erfolgen in Wimbledon zweimal die Australian Open, einmal die US Open, den Davis Cup und war die Nummer eins der Welt. Seit Dezember 2013 gehört er zum Trainerteam von Novak Djokovic.

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